Schneller Einstieg durch schlanke Bewerbungsprozesse
St. Georgen. Maksym Shuranov und Liliia Shuranova aus der Ukraine nahmen im März beim Speed-Dating von Agentur für Arbeit und Jobcenter auf der Ausbildungs- und Berufemesse Jobs for Future teil. Zehn regionale Betriebe aus dem gewerblich-technischen Bereich nutzten damals die Gelegenheit, neue Mitarbeitende zu gewinnen. Alpro Medical aus St. Georgen beschäftigt knapp 90 Mitarbeitende und stellt Reinigungsmittel für die Desinfektion und Reinigung von medizinischen Instrumenten her. Der Betrieb wächst und möchte sich personell erweitern. Das Ehepaar Shuranov hinterließ bei der persönlichen Vorstellung während des Speed-Datings einen positiven Eindruck, so dass direkt eine Probearbeit vereinbart wurde. „Der Funke ist übergesprungen“, erzählt Geschäftsführer Markus Klumpp beim Besuch von Thorsten Frei:
Zitat:„Man muss die Menschen im direkten Gespräch erleben und die Motivation spüren.“
Maksym Shuranov und Liliia Shuranova konnten bei Alpro Medical in der Produktion eingestellt werden. „Beide haben einen ganz anderen beruflichen Background. Wir würden ihnen gerne noch verantwortungsvollere Aufgaben geben, dafür ist aber eine Verbesserung der Sprachkenntnisse notwendig“, erklärt Klumpp. Das Ehepaar steht nun auf der Warteliste für einen berufsbegleitenden Sprachkurs. Eine bessere Verfügbarkeit dieser Angebote würde die berufliche Integration nicht nur beschleunigen, sondern auch nachhaltiger gestalten. Frei betonte, dass jede Initiative zu begrüßen sei, die dem Arbeitsmarkt helfe, den Flüchtlingen die Chance der (Arbeitsmarkt-)Integration biete und die Sozialkassen entlaste.
Kommunikation als Schlüssel für Gemeinschaft
Villingendorf. Im familiengeführten Unternehmen SK Scheidel Kunststoffe-Glas GmbH führte ebenfalls der direkte und persönliche Kontakt zu einer Einstellung. Das Unternehmen hat sich auf den Handel von Kunststoffen und Glas sowie auf die Bearbeitung von Kunststoffen spezialisiert. Im April wurde im Betrieb ein Bewerbertag durchgeführt, an dem auch Mykhailo Vishnevskiy teilnahm. In der Ukraine war er als IT-Spezialist beschäftigt, in Villingendorf hat er nun eine Anstellung im Bereich der Holzverarbeitung gefunden. Er ist in Teilzeit angestellt und besucht parallel einen Integrationskurs. „Das Potenzial ist vorhanden, aber um beruflich weiterzukommen, brauchen unsere Mitarbeitenden zumindest grundlegende Deutschkenntnisse“, betont Geschäftsführerin Katharina Scheidel:
Zitat:„Sprache ist der Schlüssel zur Integration.“
Der 48-jährige Vishnevskiy berichtet, dass ihm das Lernen der neuen Sprache sehr schwerfalle. Für komplizierte Sätze nutzt er eine Übersetzungs-App. Er würde sich gerne ehrenamtlich beim Roten Kreuz engagieren, da er bereits in der Ukraine als Ersthelfer gearbeitet hat. Neben dem Erlernen der Sprache sei auch das soziale Miteinander ein Erfolgsfaktor für die nachhaltige Integration neuer Kolleginnen und Kollegen, erzählt Katharina Scheidel beim Besuch der Bundestagsabgeordneten Maria-Lena Weiss weiter: „Eine gute Kommunikation innerhalb des Betriebs zahlt sich aus, daraus entsteht ein Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten und innerhalb der Teams. Die Loyalität und der Zusammenhalt wachsen.“ Neue Kolleginnen und Kollegen werden in der hausinternen Mitarbeiterzeitung vorgestellt und gemeinsame Feste und Aktivitäten schweißen die Belegschaft zusammen.
17 Nationalitäten sind bei SK Scheidel Kunststoffe-Glas GmbH vertreten, so die Geschäftsführerin weiter, darunter viele langjährige Mitarbeitende. Aus Eritrea kommt der 26-jährige Eyob Ghirmay, er macht die Ausbildung zum Kunststoff- und Kautschuk-Technologen. Die Ausbildung wird durch die Agentur für Arbeit gefördert. Er ist froh, nach seiner Flucht vor militärischer Verfolgung mit der Ausbildung in Deutschland eine Chance zu bekommen. Seine Chefin unterstreicht im Gespräch, dass er ein vorbildlicher Schüler ist und im Unternehmen wertgeschätzt wird. Doch im Alltag begegne ihm oft Rassismus, erzählt Ghirmay: „Ich wundere mich, warum es gerade auch bei jungen Menschen so viele Vorbehalte gegenüber Menschen anderer Nationalität gibt.“ Maria-Lena Weiss unterstreicht: "Sprache und Arbeit sind zentrale Erfolgsfaktoren der Integration Geflüchteter. Deshalb ist das Job-Turbo-Programm ein sinnvoller Baustein, die Integration in den Arbeitsmarkt, aber auch in die Gesellschaft zu unterstützen. Es zeigt sich aber auch, dass das Programm kein Selbstläufer ist, enorm wichtig für den Integrationserfolg ist die Begleitung durch das Jobcenter und nicht zuletzt die Unterstützung im Unternehmen. Vielen Dank für dieses vorbildliche Engagement!"
Gutes Netzwerk und Nähe zum Arbeitsort
Furtwangen. Beim mittelständischen Unternehmen Udo Zier GmbH werden Verpackungen aus Wellpappe hergestellt. Claudia und Carsten Zier leiten den Familienbetrieb im Schwarzwald in der dritten Generation. Sie haben bereits Erfahrung bei der Integration von geflüchteten Menschen gesammelt. Die beiden Inhaber engagieren sich auch privat für ihre Belegschaft und sind eng vernetzt – unter anderem mit der Gemeinde, ehrenamtlichen Helfern, der Fachhochschule Furtwangen und der Agentur für Arbeit. Für das Unternehmen ist es nicht einfach, neues Personal zu finden, obwohl dies am Stammsitz in Furtwangen so dringend benötigt wird. Die Erreichbarkeit des Standorts spielt eine Rolle, aber auch der fehlende Nachwuchs:
Zitat:„Wir werden vom Fach- und Arbeitskräftemangel ausgebremst, denn wir könnten mehr schaffen, wenn wir mehr Leute hätten“
beschreibt Carsten Zier die Situation. „Die Aufträge sind da und wir würden gerne wachsen.“ Er ist froh über jede Unterstützung. Auch hier hilft das gute Netzwerk: So kam Kytharyna Obzhelian, die in der Produktion arbeitet, über die Empfehlung eines Arbeitskollegen zu ihrer Anstellung. Dmytro Ivashchuk hat seinen Arbeitsplatz durch ein Praktikum und mit Unterstützung eines Einstellungszuschusses durch die Agentur für Arbeit erhalten. Bei dem Betriebsbesuch verschaffte sich die Bundestagsabgeordnete Derya Türk-Nachbaur einen Eindruck vom Unternehmen und kam beim Betriebsrundgang mit den Mitarbeitenden verschiedener Nationalitäten ins Gespräch – darunter Menschen aus der Ukraine, Portugal und Syrien. "Ich bin begeistert von der guten Integrationsarbeit, der offenen und unterstützenden Atmosphäre des Unternehmens für die Mitarbeitenden", so Türk-Nachbaur.
Claudia Zier wünscht sich für die Zukunft weniger Bürokratie: „Für die Sprachkurse gibt es lange Wartelisten und viele Vorschriften für deren Umsetzung – wenn wir aber nicht miteinander sprechen können, wie sollen die Menschen hier Wurzeln schlagen und eine Integration auch im privaten Bereich hinbekommen?“
Nach den drei Betriebsbesuchen fasst Sylvia Scholz, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Rottweil - Villingen-Schwenningen, abschließend zusammen:
Zitat:„Die Beispiele zeigen, dass viele Unternehmen aus der Region bereit sind, geflüchteten Menschen auch ohne perfekte Deutschkenntnisse einen Einstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Arbeitsmarktintegration bedeutet auch gesellschaftliche Integration und finanzielle Unabhängigkeit. Ich danke allen Beteiligten, die mit ihrem Engagement diesen Prozess begleiten.“