„Die beiden letzten Jahre waren von pandemiebedingten Einschränkungen geprägt. Nichtsdestotrotz hat sich der Bewerbermarkt, der in Stuttgart seit vielen Jahren besteht, auch 2021/22 fortgesetzt“, zieht Johann Beck, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Stuttgart, Bilanz. Im Berufsberatungsjahr 2021/22 lag die Zahl der Ausbildungsstellen im Bezirk der Agentur für Arbeit bei 5.810 (Landeshauptstadt Stuttgart: 3.679; Landkreis Böblingen: 2.131), um 119 höher als 2020/21. Insgesamt 4.307 Bewerberinnen und Bewerber (LHS: 2.325; Landkreis: 1.982) hatten sich für eine Ausbildungsvermittlung registrieren lassen – gleichviel wie im Vorjahr (20/21: 4.305).
Auf 100 gemeldete betriebliche Berufsausbildungsstellen kamen im Bezirk der Agentur für Arbeit Stuttgart rein rechnerisch 77 gemeldete Bewerberinnen und Bewerber. Zum Vergleich: Bundesweit kamen auf 100 Ausbildungsstellen 80 Bewerberinnen und Bewerber. „Die rückläufige Entwicklung der bei uns registrierten Bewerberinnen und Bewerber dürfte auch mit der zunehmenden Nutzung digitaler Angebote wie beispielsweise der AzubiWelt-App und einer dadurch verbesserten Transparenz über die vorhandenen Ausbildungsangebote zusammenhängen“, vermutet Beck. Des Weiteren sei der Trend zu weiterführenden Schulen beziehungsweise höherwertigen Schulabschlüssen ungebrochen hoch.
Unversorgte Bewerber und unbesetzte Ausbildungsstellen
Obgleich es rein rechnerisch für jeden Ausbildungssuchenden einen Ausbildungsplatz gibt, konnten Unternehmen und Betriebe auch 2021/22 nicht alle Ausbildungsstellen erfolgreich besetzen, insgesamt 739 (LHS: 540; Landkreis: 199) blieben unbesetzt. Zeitgleich waren 24 (LHS: 15; Landkreis: 9) Bewerberinnen und Bewerber noch unversorgt, gleich viel wie im letzten Jahr. Neben den unversorgten Bewerberinnen und Bewerbern sind 461 (LHS: 313; Landkreis: 148) junge Menschen zum 30. September zwar in eine Alternative eingemündet (beispielsweise in einen Bundes- oder Jugendfreiwilligendienst oder eine Einstiegsqualifizierung), haben aber ihren Vermittlungswunsch in eine duale Ausbildung dennoch aufrechterhalten. Ihre Zahl liegt im Vergleich zum Vorjahr um 82 niedriger (LHS: 81; Landkreis: 1).
Bis Ende September 2022 haben 1.950 (LHS: 993; Landkreis: 957) Bewerberinnen und Bewerber eine Berufsausbildung begonnen, 52 mehr (LHS: -1; Landkreis: +53) als im Vorjahr. Das entsprach einem Anteil von rund 45 Prozent der bei der Agentur für Arbeit Stuttgart registrierten Ausbildungssuchenden. 21,9 Prozent wichen auf einen weiteren Schulbesuch, ein Praktikum oder ein Studium aus und knapp ein Prozent auf eine geförderte Qualifizierung wie eine Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme oder eine Einstiegsqualifizierung. Weitere 9,6 Prozent haben eine Arbeit aufgenommen, 2,5 Prozent engagiert sich in gemeinnützigen sozialen Diensten und 3,5 Prozent haben sich arbeitslos gemeldet. Von 14 Prozent der Bewerberinnen und Bewerber liegt keine Rückmeldung zum Verbleib vor.
„Die Vor-Ort-Beratung durch unsere Berufsberaterinnen und Berufsberater ist immens wichtig, um Jugendlichen die Bedeutung einer Ausbildung zu verdeutlichen und das Interesse zu wecken. Ich hoffe, dass wir künftig wieder mehr junge Menschen überzeugen können, eine Ausbildung zu beginnen. Fachkräftesicherung und Ausbildungsbereitschaft sind untrennbar miteinander verbunden, denn Auszubildende von heute sind die Fachkräfte von morgen. Auch für leistungsschwächere junge Menschen gibt es die Möglichkeit, eine Ausbildung anzutreten und abzuschließen. Hier steht uns ein Instrumentenkoffer zur Verfügung, beispielsweise die assistierte Ausbildung oder ausbildungsbegleitende Hilfen, die Jugendliche sowie Betriebe unterstützt“, weist Beck auf die Fördermöglichkeiten der Agentur für Arbeit hin.
Um diese und die noch unversorgten Bewerberinnen und Bewerber mit den noch unbesetzten Ausbildungsstellen zusammenzubringen, werden die Vermittlungsaktivitäten bis mindestens Ende des Jahres fortgesetzt. Außerdem melden sich in den nächsten Wochen erfahrungsgemäß noch junge Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen (wieder) auf der Suche nach einer Ausbildung sind. Auch Betriebe melden Ausbildungsstellen, die (wieder) frei geworden sind.
Warum passen Bewerber und Ausbildungsstellen nicht zusammen?
Die Berufswünsche der Jugendlichen passen oft nicht mit den angebotenen Berufen zusammen. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. So interessieren sich viele Bewerber z. B. für Kfz-Berufe, Verwaltungs- oder Büroberufe. Ausbildungsstellen für Berufe mit Lebensmitteln, im Hotel- und Gaststättenbereich oder in Handwerksberufen sind dagegen weniger beliebt und bleiben häufig unbesetzt. Hier zeigt die Berufsberatung den Jugendlichen Möglichkeiten und Alternativen jenseits des „Traumberufes“.
„Immer mehr Ausbildungsstellen können nicht besetzt werden, das bereitet uns Sorge. Die duale Ausbildung, um die uns viele Länder beneiden, ebnet jungen Menschen den Weg in eine sichere Beschäftigung, sie wachsen hierüber in spannende, anspruchsvolle Tätigkeitsfelder hinein“, betont Agenturleiter Beck. Außerdem seien die potenziellen Azubis nicht immer dort, wo die Ausbildungsplätze sind. Gerade wenn die Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht gegeben sei. „Schließlich hat eine Vielzahl der Ausbildungsbewerberinnen und -bewerber schon rein altersbedingt noch keinen Führerschein“, führt Beck als weiteren Grund an. Besetzungsschwierigkeiten traten insbesondere in Lebensmittelberufen, Hotel- und Gaststättenberufen, in Bau- und Baunebenberufen sowie im Berufskraftverkehr auf.
Doch der Ausgleich am Ausbildungsmarkt wird auch durch berufsfachliche und qualifikatorische Disparitäten erschwert. „Die Anforderungen sind in vielen Ausbildungsberufen gestiegen. Trotzdem empfehlen wir den Betrieben, sich noch mehr für junge Menschen zu öffnen, die nicht auf den ersten Blick zu den ‚optimalen‘ Kandidaten gehören. In Zeiten von Fachkräftemangel können wir auf keine Nachwuchskraft verzichten“, so Becks klares Statement. Manche Jugendliche bräuchten einfach einige Zeit, sich noch zu entwickeln, was im Laufe der Ausbildung aber meist gelänge. Die Bundesagentur für Arbeit habe hierfür Fördermöglichkeiten, zum Beispiel die assistierte Ausbildung. Beck dazu: „Sie schließt die Kluft zwischen den Anforderungen der Betriebe und den Voraussetzungen beim Jugendlichen und greift sogar schon vor Eintritt in die Ausbildung.“