Anfang November ziehen die Agenturen für Arbeit Bilanz zum zurückliegenden Berufsberatungsjahr, für das Ende Oktober die statistischen Daten zur Verfügung gestellt werden. Ein Beratungsjahr beginnt immer am 01.10. eines Jahres und endet zum 30.09. des Folgejahres.
„Die Lücke zwischen Bewerberzahl und Stellenzahl ist in unserem Agenturbezirk etwas kleiner geworden. Dennoch hat sich die aktuell schwierige konjunkturelle Lage - anders als beim Arbeitsmarkt - bislang noch nicht auf den Ausbildungsmarkt ausgewirkt. Es ist gut, dass sich die die Unternehmen weiter für ihren Fachkräftenachwuchs engagieren und darin eine wichtige Investition in die Zukunft erkennen“, fasst Gunnar Schwab, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Stuttgart, zusammen. Nachwehen der Corona-Pandemie wie noch im letzten Jahr seien nicht mehr spürbar gewesen. So gebe es in den Entlassklassen kaum mehr Schülerinnen und Schüler, die keine Praktika vorweisen können. Beigetragen habe dazu auch die Initiative „Praktikumswochen Baden-Württemberg“, betont Schwab: „Gemeinsam mit unseren Partnern bieten wir ein innovatives Format an, das unkompliziert und niederschwellig über eine Online-Plattform genutzt werden kann. So unterstützen wir Jugendliche bei ihrer beruflichen Orientierung und verbessern das wichtige Matching zwischen Jugendlichen und Betrieben.“
Im Berufsberatungsjahr 2023/24 lag die Zahl der Ausbildungsstellen im Bezirk der Agentur für Arbeit bei 5.717 (Landeshauptstadt Stuttgart: 3.415; Landkreis Böblingen: 2.302) und damit um 215 niedriger als 2022/23. Insgesamt 4.612 Bewerberinnen und Bewerber (LHS: 2.404; Landkreis: 2.208) hatten sich für eine Ausbildungsvermittlung registrieren lassen – 226 mehr als im Vorjahreszeitraum.
„In unserem Agenturbezirk sprechen wir weiter von einem sogenannten Bewerbermarkt, d.h. wir haben rechnerisch mehr Ausbildungsstellen als Bewerberinnen und Bewerber“, stellt Schwab dar. In der Landeshauptstadt Stuttgart ist diese Situation mit 74 Bewerbern pro 100 Stellen ausgeprägter als im Landkreis Böblingen, wo auf 100 Ausbildungsplätze 97 Bewerber kommen. Allerdings gleiche sich dies weitgehend aus, da viele Bewerberinnen und Bewerber aus dem Landkreis Böblingen für ihre Ausbildung nach Stuttgart pendelten.
Erfolgreiche Ausbildungsaufnahmen
Bis Ende September 2024 haben insgesamt 1.959 Personen (LHS: 985; Landkreis: 974) eine Berufsausbildung begonnen. Das sind 10 weniger als im Vorjahr (LHS: minus 53; Landkreis: plus 43). Diese Zahl umfasst sowohl Ausbildungsaufnahmen, die bis zu einem Jahr vor dem Beginn vertraglich abgeschlossen wurden, als auch kurzfristig abgeschlossene Verträge am Ende der Sommerferien. Auch im Oktober gab es zahlreiche Ausbildungsaufnahmen, deutlich mehr als in den gleichen Monaten der Vorjahre, einschließlich der Jahre vor der Corona-Pandemie. „Unser Appell, dass auch nach den Hauptmonaten August und September, in denen viele Ausbildungen beginnen, noch die Möglichkeit zur Ausbildungsaufnahme besteht, findet immer mehr Gehör. Auch die gemeinsam mit unseren Partnern HWK und IHK Region Stuttgart bei uns im Haus veranstaltete Nachvermittlungsaktion war ein großer Erfolg“, freut sich Schwab. „Sowohl die Jugendlichen als auch die Unternehmen haben davon profitiert.“ Die ab Oktober getätigten Vertragsabschlüsse sind allerdings nicht mehr in die aktuelle Bilanz eingeflossen, sondern werden erst im nun gestarteten Berufsberatungsjahr 2024/2025 berücksichtigt.
Die unterschiedlichen Wege zu erfolgreich abgeschlossenen Ausbildungsverträgen wurden von den Berufsberaterinnen und -beratern der Agentur für Arbeit Stuttgart auf vielfältige Art und Weise unterstützt. So gab es neben regelmäßiger Beratung und zahlreichen Orientierungsangeboten an Schulen auch Aktivitäten in Einrichtungen wie Jugendhäusern oder am Ausbildungscampus, um zum Beispiel auch die sogenannten NEETs (Not in Education, Employment or Training) zu erreichen. Die Berufsberatung vermittelt den Jugendlichen die Bedeutung und Vorteile einer Ausbildung und regt sie dazu an, Alternativberufe in Betracht zu ziehen, falls der gewünschte Beruf nicht realisierbar ist. „Wir legen ein ganz besonderes Augenmerk auf Jugendliche mit schlechten Startchancen. Die öffentliche Wahrnehmung ist vor allem auf den Fachkräftemangel und unbesetzte Ausbildungsplätze fokussiert. Gleichzeitig bleiben aber immer auch Jugendliche ohne Ausbildungsplatz. Und die Ungelerntenquote steigt von Jahr zu Jahr“, so Schwab. Ziel ist deshalb, die Gruppe der jungen Menschen, die sich weder in Schule noch in Beschäftigung, Ausbildung oder Studium befinden (s.o.) besser zu erreichen. Dafür wird die Agentur für Arbeit Böblingen ab Anfang 2025 ein spezialisiertes Angebot starten. Vorbild dafür ist hier die Berufsberatung in Stuttgart, die NEETs bereits seit 2021 gezielt betreut.
Für diejenigen, die nicht direkt in eine Ausbildung starten können, gibt es passende von der Agentur für Arbeit Stuttgart geförderte Maßnahmen, wie etwa Berufsorientierungspraktika oder die Einstiegsqualifizierung (EQ). Diese Angebote bereiten die Jugendlichen optimal auf ihre spätere Ausbildung vor.
„Selbst während der Ausbildung stehen wir Jugendlichen unterstützend zur Seite, besonders wenn sie leistungsschwächer sind. Unser arbeitsmarktpolitisches Instrument ‚Assistierte Ausbildung (AsA)‘ ermöglicht es, schulische Defizite zu kompensieren oder soziale Probleme zu beheben“, erläutert Schwab und verweist auf die vielfältigen Hilfen der Agentur für Arbeit. Zudem können Unternehmen diese Förderungen in Anspruch nehmen, indem sie ihre Auszubildenden für die Unterstützung anmelden. „Wir schaffen so beiderseitigen Nutzen“, ist Schwab überzeugt.
Bewerber und Ausbildungsstellen passen nicht immer zusammen
Die Berufswünsche der Jugendlichen passen oft nicht mit den angebotenen Berufen zusammen. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. So interessieren sich viele Bewerberinnen und Bewerber z. B. für Kfz-Berufe, Verwaltungs- oder Büroberufe. Ausbildungsstellen für Berufe mit Lebensmitteln, im Hotel- und Gaststättenbereich oder in Handwerksberufen sind dagegen weniger beliebt und bleiben häufig unbesetzt. Hier zeigt die Berufsberatung den Jugendlichen Möglichkeiten und Alternativen jenseits des „Traumberufes“.
Die Liste der TOP-10-Berufe hat sich auch dieses Jahr nur wenig verändert. Für die männlichen Bewerber nach wie vor mit großem Abstand klar auf Platz 1: der „Kfz-Mechatroniker“. Der „Anlagenmechaniker Sanitär-/Heizungs- und Klimatechnik“ steht bereits im zweiten Jahr auf Platz 3. Auch der Fachinformatiker ist weiter hoch im Kurs. Er ist in der Rangliste mit beiden Fachrichtungen (Anwendungsentwicklung und Systemintegration) vertreten.
Bei den weiblichen Bewerberinnen taucht die „Fachinformatikerin“ dagegen unter den zehn beliebtesten Berufen gar nicht auf. Diese geben als ersten Berufswunsch die „Kauffrau für Büromanagement“ an. Die „Medizinische Fachangestellte“ wurde dadurch auf den zweiten Platz verdrängt, bei unverändert hohem Bedarf der Praxen. Ein weiter erhöhtes Interesse besteht an Ausbildungen im Öffentlichen Dienst. Der im letzten Jahr neu auf der TOP-10-Liste erschienene Berufswunsch der „Verwaltungsfachangestellten“ blieb so auch in diesem Berichtsjahr sehr beliebt. Das deckt sich mit den Erfahrungen der Berufsberatung in den Einzelgesprächen und Kontakten bei Ausbildungsmessen.
Dem gegenüber stehen diese gemeldeten Stellen der Unternehmen:
Schwab erläutert: "Wer den für sich passenden Beruf findet, ist motivierter und zufriedener. und entwickelt sich darauf aufbauend in seinem Berufsleben auch leichter weiter. Nach einer abgeschlossenen Ausbildung stehen viele Wege zur weiteren Qualifizierung offen, was sowohl für die angehenden Fachkräfte als auch für die Arbeitgeber von großem Vorteil ist. Gut ausgebildetes Personal wird dringend benötigt." Die duale Ausbildung biete jungen Menschen eine vielversprechende Perspektive auf sichere Beschäftigung in anspruchsvollen und zukunftsorientierten Berufsfeldern. Dennoch bleibe eine zunehmende Zahl von Ausbildungsplätzen unbesetzt.
Leider passen die Ausbildungsangebote und die Nachfrage oft nicht zusammen. Ein Grund ist, dass die Schülerinnen und Schüler beim Erreichen ihres Abschlusses in den letzten Jahren tendenziell jünger geworden sind. Dies hängt zum Teil mit einem erweiterten Altersbereich bei den Einschulungen sowie mit der Verkürzung der Schulzeit von G9 auf G8 zusammen. Das Erreichen der Volljährigkeit ist deshalb in vielen Branchen, die bereits an Nachwuchsmangel leiden, ein zusätzliches Hindernis bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen. Zu diesen Branchen zählen unter anderem die Hotellerie und Gastronomie, die Berufskraftfahrerinnen und -kraftfahrer für Busse und Bahnen sowie der Bereich Pflege, in denen das Mindestalter für den Einstieg bei 17 Jahren liegt.
Alternativen der Bewerber für eine Ausbildung
Obgleich es rein rechnerisch für jeden Ausbildungssuchenden einen Ausbildungsplatz gibt, konnten Unternehmen und Betriebe auch 2023/24 nicht alle Ausbildungsstellen erfolgreich besetzen: Insgesamt 856 (LHS: 664; Landkreis: 192) blieben unbesetzt. Zeitgleich waren 46 (LHS: 24; Landkreis: 22) Bewerberinnen und Bewerber noch unversorgt – nahezu genauso viele wie im vergangenen Jahr (43).
Die Dringlichkeit, offene Ausbildungsstellen zu besetzen oder – bewerberseitig – eine Ausbildungsstelle zu finden, ist unterschiedlich stark ausgeprägt. Betriebe brauchen zwar Nachwuchs, sind aber zum Teil auch zurückhaltender, wenn die Auftragslage wie in den vergangenen Monaten zurückgeht. Auf der anderen Seite wählen Jugendliche verstärkt Alternativen zum Einstieg in die duale Ausbildung. So sind 2023/24 insgesamt 457 Bewerberinnen und Bewerbern (minus 19) zum 30. September in eine solche Alternative eingemündet (LHS: 289; Landkreis: 168). Dazu gehören beispielsweise ein Bundes- oder Jugendfreiwilligendienst.
Hoch im Kurs standen in diesem Jahr auch die Fördermaßnahmen der Berufsberatung, die von deutlich mehr Menschen unter 25 Jahren in Anspruch genommen wurden. Gleichzeitig haben diese jungen Menschen ihren Vermittlungswunsch in eine duale Ausbildung für das kommende Ausbildungsjahr aufrechterhalten.
Wie im vergangenen Jahr ist die Zahl derjenigen zurückgegangen, die ein Studium aufnehmen (minus 6,7 Prozent). Dagegen besuchen deutlich mehr als 2022/23 eine weiterführende Schule (plus 20,3 Prozent).
182 Ausbildungssuchende haben sich arbeitslos gemeldet.
Von 695 Bewerberinnen und Bewerber liegt keine Rückmeldung zu deren Verbleib vor, trotz wiederholter Beratungsangebote und Kontaktversuche. Die Zahl ist um 15,1 Prozent höher als im Vorjahr.
Um auch jetzt noch unversorgte Bewerberinnen und Bewerber mit unbesetzten Ausbildungsstellen zusammenzubringen, werden die Vermittlungsaktivitäten bis mindestens Ende des Jahres fortgesetzt. Außerdem melden sich in den nächsten Wochen erfahrungsgemäß noch junge Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen (wieder) auf der Suche nach einer Ausbildung sind. Auch Betriebe melden Ausbildungsstellen, die (wieder) frei geworden sind.