Schwächeren eine Chance geben

Agentur für Arbeit zeichnet Weingut Bollig für die erfolgreiche Inklusion beeinträchtigter Auszubildender aus

01.12.2023 | Presseinfo Nr. 55

Körperlich anstrengende Tätigkeiten bei Nässe, Kälte, Hitze im Weinberg und in kühlen Kellern? Hektisches Treiben, um die zahlreichen Bestellungen der Kundinnen und Kunden rechtzeitig z. B. zum Weihnachtsfest auszuliefern? Das sind Bilder, die viele Menschen vor Augen haben, wenn sie an die anstrengende Arbeit in einem Winzerbetrieb denken. Ist in einer solchen Arbeitsumgebung überhaupt Platz für Menschen mit Behinderung? Das dies in jedem Fall möglich ist, wird bei der feierlichen Verleihung des „Inklusionszertifikates 2023“ der Agentur für Arbeit Trier im Weingut Bollig schnell deutlich. Anlässlich der „Woche der Menschen mit Behinderung“ wird das Weingut Bollig Mühlenhof in Maring-Noviand für sein Engagement in der Ausbildung beeinträchtigter Jugendlicher ausgezeichnet.

Carsten Bollig hat vor 10 Jahren den Winzerbetrieb seines Vater übernommen, der auf eine über 200-jährige Tradition als Familienbetrieb zurückblicken kann. In dem alten Gewölbekeller des Weingutes finden sich neben großen Eichenfässern auch neue Barriquefässer sowie moderne Edelstahlfässer. Das Weingut ist zudem Ort von Veranstaltungen wie z. B. dem „Kulinarische Weinseminar“ oder dem Seminar „Wein und Schokolade“ und beherbergt vier Ferienwohnungen. Im Weingut Bollig arbeiten neben dem Betriebsinhaber, sein Vater, Hans-Dieter Bollig, sowie zwei Auszubildende.

Bollig weiß wie schwierig es ist, Jugendliche für eine Ausbildung im Weinbau zu begeistern. Gleichzeitig ist der Vollblutwinzer davon überzeugt, dass der Beruf des Winzers ein spannendes und abwechslungsreiches Aufgabengebiet verspricht. Das Weingut engagiert sich deshalb bereits seit mehr als 30 Jahren in der Ausbildung und gibt dabei auch Schwächeren eine Chance. Die Fähigkeiten und Talente der jungen Menschen zu erkennen und zu fördern, steht für den Ausbildungsbetrieb im Vordergrund: „Gemeinsam mit den Auszubildenden und den Eltern versuchen wir durch ein hohes Maß an sozialpädagogischer Arbeit die Jugendlichen in ihrem Tun zu fördern und zu bestärken“. Das diese Investition sich lohnt, zeigt Constantin, der angehende Helfer im Weinbau. Der 20-jährige befindet sich seit Oktober in der Ausbildung und zeigt großes Interesse an der Arbeit mit Traktoren und Staplern. Der junge Mann, der sich bereits zuvor ein Jahr im Rahmen einer von der Agentur für Arbeit geförderten „Unterstützten Beschäftigung“ im Betrieb qualifiziert hat, wachse mit jeder neuen Herausforderung. Dabei übernehme er von Woche zu Woche mehr Verantwortung. Die 18-jährige Ronja, die am liebsten draußen arbeitet, wurde durch ihren wöchentlichen Praxistag im Weingut Bollig für eine Ausbildung zur Winzerin begeistert. Sie befindet sich bereits im 2. Ausbildungsjahr und konnte schnell die Grundlagen der „Königsdisziplin des Rebschnittes“ verinnerlichen.

Vor allem der Senior-Chef, der selbst viele Jahre im Prüfungsausschuss der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz tätig war, trägt durch seine intensive Betreuung zum Abbau von Hemmnissen bei, indem er mit den Jugendlichen „ständig im Gespräch bleibt, egal ob bei der Arbeit im Weinberg oder bei einem gemeinsamen morgendlichen Spaziergang mit dem Hund“.

Für die Chefs des Weingutes Bollig ist die Inklusion von behinderten Menschen eine Selbstverständlichkeit. „Wir schauen, ob die individuellen Voraussetzungen wie Fingerfertigkeit und Aufnahmefähigkeit passen“, sagt Hans-Dieter Bollig. Der Rest ist viel persönlicher Einsatz, Sensibilität und Erfahrung. „Dadurch entsteht eine besondere Bindung und ein besonderer Zusammenhalt“, so Bollig.

Menschen mit Behinderungen haben es weiterhin schwer ins Berufsleben einzusteigen, eine Arbeit zu finden oder zu behalten. Heribert Wilhelmi, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Trier begründet das damit, „das Unternehmen nach wie vor Vorurteile haben, Menschen mit Beeinträchtigungen einzustellen. Dies liegt daran, dass diese Personengruppe überwiegend über Defizite definiert wird, aus denen sich möglicherweise Schwierigkeiten oder ein zu großer Aufwand für Arbeitgeber ergeben könnten.“ Es gibt jedoch Betriebe, wie das Weingut Bollig, die betroffenen Menschen Perspektiven geben, indem sie ihre Fähigkeiten und Talente fördern und damit einen Mehrwert für das eigene Unternehmen erzielen. Keine Selbstverständlichkeit, in einer vom Leistungsdruck geprägten Gesellschaft.

Dabei ist ein Handicap nicht zwangsläufig ein Hindernis, die erforderliche Leistung am Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu erbringen. Hemmnisse können häufig organisatorisch oder durch moderne Technik ausgeglichen werden. Wenn dies gelingt, profitieren beide Seiten – Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Heribert Wilhelmi freut sich ganz besonders in diesem Jahr einen Betrieb aus dem Weinbau - und damit aus einem für die Region bedeutenden Wirtschaftszweig - auszuzeichnen. „Sie leisten durch ihr vorbildliches Engagement hervorragende Arbeit“, lobt Heribert Wilhelmi anlässlich der Verleihung des Inklusionszertifikates der Agentur für Arbeit. „Durch Sie erhalten junge Menschen, die es schwerer haben als andere, die Chance auf einen erfolgreichen Start ins Berufsleben und Perspektiven für ihre Zukunft.“ Die Würdigung des so erfolgreichen wie gewinnbringenden Engagements des Weingutes Bollig Mühlenhof verbindet Heribert Wilhelmi mit einem Appell an alle Arbeitgeber: „Wagen Sie, insbesondere vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels, Menschen mit Behinderungen über ihre Stärken zu definieren und ihre Potenziale zu heben. Wir unterstützen Sie dabei mit Beratungs- und Förderangeboten“.

Um den inklusiven Gedanken als Dienstleisterin am Arbeits- und Ausbildungsmarkt umzusetzen, stehen in der Agentur für Arbeit speziell ausgebildete Beraterinnen und Berater für Menschen mit Behinderungen zur Verfügung. Sie informieren und beraten zu Fragen der Arbeits- und Ausbildungsplatzvermittlung sowie zu finanziellen Fördermöglichkeiten. Unterstützende Förderleistungen sind zum Beispiel Praktika zur Eignungsabklärung, Ausbildungszuschüsse oder Lohnkostenzuschüsse. Ebenso kann eine Probebeschäftigung bis zu drei Monaten unterstützt werden.

Für Informationen zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen stehen Arbeitgebern der Region die nachfolgenden Experten der Agentur für Arbeit zur Verfügung:

Ansprechpartner für die Stadt Trier und den Kreis Trier-Saarburg:

  • Torsten Dellwing, Telefon 0651 205 2406

Ansprechpartnerin für die weiteren Landkreise der Region Trier:

  • Ruth Sungen, Telefon 06571 99896 74
Hintergrundinformationen

Unternehmen ab 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind gesetzlich verpflichtet, mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen. Sofern diese Quote nicht erfüllt ist, müssen sie eine Ausgleichsabgabe zahlen.

Gemessen an allen beschäftigungspflichtigen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern kommen in der Region Trier 38,4 Prozent ihrer gesetzlichen Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen vollständig nach. Nach aktuellem Datenstand vom Mai 2023 beschäftigen 902 Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitenden 5.992 schwerbehinderte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das entspricht einer Beschäftigungsquote von 4,1 Prozent entsprechend dem Niveau der Vorjahre. Obwohl es öffentlichen Arbeitgebern deutlich leichter fällt, schwerbehinderte Menschen einzustellen, erfüllen sie mit 4,8 Prozent knapp nicht die Beschäftigungsquote. Private Arbeitgeber liegen mit 3,9 Prozent ebenfalls unter dem Sollwert von fünf Prozent.

In der Region Trier hat sich die Zahl der Arbeitslosen insgesamt von Oktober 2022 bis Oktober 2023 um 12,2 Prozent auf 11.406 Personen deutlich erhöht. Die Zahl der Arbeitslosen mit Schwerbehinderungen ist in diesem Zeitraum ebenfalls um 11,7 Prozent auf 679 Personen gestiegen. Der Anteil schwerbehinderter Menschen an der Gesamtzahl aller Arbeitslosen beträgt 6,0 Prozent. Ihr Altersniveau liegt im Schnitt deutlich über dem der Gesamtheit an Arbeitslosen. 66,6 Prozent aller schwerbehinderten Arbeitslosen in der Region Trier sind über 50 Jahre alt. Das liegt unter anderem daran, dass die Wahrscheinlichkeit chronisch krank zu werden oder nur noch eingeschränkt arbeitsfähig zu sein, mit zunehmendem Alter steigt. Infolge des demografischen Wandels wird sich diese Entwicklung voraussichtlich fortsetzen.

Arbeitslose schwerbehinderte Menschen verfügen über ein vergleichsweise hohes Qualifikationsniveau: 55,7 Prozent aller arbeitslosen Schwerbehinderten verfügen über eine Berufsausbildung oder akademische Ausbildung. Unter allen Arbeitslosen insgesamt geben lediglich 46,1 Prozent diese Qualifikationen an.

In der Region Trier suchten im Berichtsjahr 2022/2023 von Oktober 2022 bis September 2023 insgesamt 2.382 junge Menschen eine Ausbildungsstelle. Die Zahl der Ausbildungsinteressenten mit einer Schwerbehinderung blieb mit 42 nahezu unverändert. Drei von ihnen blieben unversorgt. 26 schwerbehinderte Menschen waren bereits ein bis zwei Jahre vor dem aktuellen Berichtsjahr bei der Agentur für Arbeit Trier für eine Ausbildungsstelle gemeldet.