Im zurückliegenden Ausbildungsjahr wurden im Oldenburger Münsterland weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen als im Vorjahr. Trotz der Auswirkungen der Corona-Pandemie und der anhaltenden unsicheren Lage insgesamt, bleibt die Nachfrage der Betriebe nach passendem Nachwuchs stabil. Die Zahl der Ausbildungssuchenden sank jedoch weiter.
Zitat:„Der Fachkräftebedarf ist hoch im Oldenburger Münsterland und wird auch mittel- und langfristig so bleiben. Die Ausbildung bleibt eine wichtige Säule, um dem sich verstärkenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Auf der anderen Seite bildet die duale Berufsausbildung eine gute Grundlage für einen gelingenden Start in das Berufsleben. Sie bietet die besten Chancen für eine sichere Beschäftigung nach dem Abschluss. Danach bieten sich viele Aufstiegsmöglichkeiten, von der fachlichen Qualifizierung bis hin zum Studium“, ist das gemeinsame Resümee zum zurückliegenden Ausbildungsjahr von Tina Heliosch, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Vechta, Ludger Wester, stellvertretender Leiter Bildung der Oldenburgischen IHK, Dennis Makselon, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Cloppenburg und Markus Nacke, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Vechta.
Die Anzahl der jungen Menschen, die sich nach dem ersten Schulabschluss für eine duale Ausbildung interessieren bzw. unmittelbar einmünden wird tendenziell kleiner. Frühzeitiger, näher an den Jugendlichen die berufliche Orientierung praxisnah zu gestalten, bleibt eine wichtige Ausrichtung. Das gemeinsame Engagement der Partnerinnen und Partner am Ausbildungsmarkt wird mit dieser Zielsetzung fortgeführt.
Agentur für Arbeit Vechta
Im vergangenen Berichtsjahr, welches von Anfang Oktober 2021 bis Ende September 2022 reichte, meldeten die Betriebe dem gemeinsamen Arbeitgeberservice der Arbeitsagentur und der Jobcenter 3.288 Ausbildungsstellen zur Vermittlung, fast exakt genau so viele wie im Vorjahr (3.287). Im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit (2019) waren es 178 bzw. 5,1 Prozent weniger Ausbildungsstellen.
Im gleichen Zeitraum suchten 1.971 junge Menschen mit Hilfe der Berufsberatung einen Ausbildungsplatz, 61 bzw. 3,2 Prozent mehr als im Vorjahr und 524 bzw. 21,0 Prozent weniger als 2019.
Zum Abschluss des Ausbildungsjahres am 30. September 2022 waren 370 Ausbildungsstellen unbesetzt und 39 Ausbildungssuchende unversorgt, 50 Ausbildungsstellen mehr und 10 Ausbildungssuchende weniger als im Vorjahr. Im Vergleich dazu: 2019 waren es 170 Ausbildungsstellen die unbesetzt blieben und 24 Arbeitssuchende, die unversorgt waren.
Zitat:„Die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe bleibt bislang auf einem hohen, noch stabilen Niveau. Die Zahl der jungen Menschen, die mit Hilfe der Berufsberatung einen Ausbildungsplatz gesucht haben, ist weiter rückläufig. Die berufliche Orientierung und das Berufswahlverhalten wurden in den letzten Jahren erheblich durch die Corona-Pandemie beeinflusst und deren Veränderungsbedarf erheblich verstärkt“, sagt Tina Heliosch, Leiterin der Agentur für Arbeit Vechta.
Die Agentur-Chefin rät jungen Menschen, die zurzeit noch keine konkrete Idee für ihren beruflichen Einstieg haben, auch jetzt noch den Kontakt zur Berufsberatung zu suchen. Aufgrund des hohen Fachkräftebedarfs und der unbesetzten Ausbildungsstellen sind viele Unternehmen auch jetzt noch bereit, ein Ausbildungsverhältnis einzugehen. Es lohnt sich also auch jetzt noch bei den Betrieben und bei der Berufsberatung nachzufragen.
In den Landkreisen Cloppenburg und Vechta sieht die Situation wie folgt aus:
Landkreis Cloppenburg: 1.137 gemeldete Ausbildungssuchende, das sind 39 bzw. 3,6% mehr als im Vorjahr. Davon sind noch 22 ohne Ausbildungsplatz, 8 weniger als vor einem Jahr. Gleichzeitig wurden 1.520 freie Ausbildungsstellen gemeldet, 28 bzw. 1,9% mehr als im Vorjahr. Von denen sind zurzeit noch 227 unbesetzt, 32 bzw. 16,4% mehr als vor einem Jahr.
Landkreis Vechta: Hier haben sich insgesamt 834 Ausbildungssuchende gemeldet, 22 bzw. 2,7% mehr als im Vorjahr. Von denen sind aktuell noch 17 ohne Ausbildungsvertrag, 2 bzw. 10,5% weniger als vor einem Jahr. Zeitgleich wurden 1.768 freie Ausbildungsstellen gemeldet, 27 bzw. 1,5% weniger als im Vorjahr. Von denen sind noch 143 unbesetzt, 18 bzw. 14,4% mehr als vor einem Jahr.
Oldenburgische Industrie- und Handelskammer
Mit aktuell insgesamt 3.417 neu eingetragenen Ausbildungsverträgen im Vergleich zu 2021 verzeichnet die Oldenburgische Industrie- und Handelskammer (IHK) für das gesamte Oldenburger Land 428 Verträge weniger als im Vorjahr. Im Landkreis Cloppenburg registrierte die IHK zum 30.09.2022 ein Minus 4,8 Prozent, im Landkreis Vechta minus 7,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Besonders positiv schnitt im Landkreis Cloppenburg der Bereich der Metalltechnik mit einem Plus von 15 Verträgen ab. Im Landkreis Vechta stachen positiv die Bereiche Elektrotechnik sowie Papier- und Druck mit jeweils plus 10 Verträgen hervor.
Zitat:„Das Oldenburger Münsterland ist dennoch eine starke Ausbildungsregion“, betont Ludger Wester, stellvertretender Leiter des Geschäftsbereichs Ausbildung und Weiterbildung bei der IHK und erläutert: „Unsere Ausbildungszahlen bilden derzeit nicht vollständig das tatsächliche Ausbildungsengagement der IHK-Mitgliedsbetriebe ab. Denn mehr als 90 Prozent der Unternehmen reichen die Verträge über ein IHK-Onlineportal ein. Durch einen bundesweiten Cyberangriff auf die IHKs in Deutschland steht das Onlineportal erst seit kurzer Zeit wieder zur Verfügung.“
Aktuell zeige sich bei der IHK, dass die Ausbildungszahlen trotz wachsender Probleme der Ausbildungsbetriebe bei der Besetzung der freien Stellen mit Stichtag Ende Oktober besser ausfallen werden.
Zitat:„Wir müssen alle gemeinsam jungen Menschen und deren Eltern die Chancen und die Vielfalt einer Ausbildung verdeutlichen! Als Fachwirt oder Meisterin können leistungsbereite Fachkräfte mit einer berufsbegleitenden Weiterbildung sogar auf dem Niveau eines Bachelorabschlusses in ihre Karriere starten,“ so Wester. „Viele Ausbildungsplätze sind auch in diesem Jahr wieder unbesetzt geblieben. Hier stehen alle Beteiligten vor großen Herausforderungen.“
Kreishandwerkerschaft Cloppenburg
497 Jugendliche haben zum Stichtag 31.10.2022 den Ausbildungsvertrag unterzeichnet und ihre Ausbildung im Handwerk im Landkreis Cloppenburg begonnen. Die Region verzeichnet insgesamt zwar einen Rückgang von rund neun Prozent (Vorjahr 548), blieb aber insbesondere im Bau- und Ausbauhandwerk für Nachwuchskräfte attraktiv.
Insbesondere die Ausbildungsberufe aus dem Bau- und Ausbau bleiben weiterhin interessant für Schüler/-innen: Einen Zuwachs an Auszubildenden gibt es in den Berufen Friseur/in, Maler/in und Lackierer/in sowie Maurer/in.
Zitat:Dennis Makselon, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Cloppenburg, erklärt: „Die Ausbildungsberufe im Bau- und Ausbaubereich sind seit jeher für Jugendliche sehr attraktiv. Einen positiven Anstieg an Auszubildenden wünschen wir uns zukünftig auch verstärkt für die anderen, spannenden Handwerksberufe.“
Einen leichten Rückgang verzeichnen die Berufe Anlagenmechaniker/in SHK, Elektroniker/in, Kfz-Mechatroniker/in sowie Tischler/in und Zimmerer/in.
Zitat:„Leider nehmen wir verstärkt einen Rückgang in den Metallberufen wahr. Insbesondere die Ausbildungsberufe Feinwerkmechaniker/in und Metallbauer/in gewinnen in den letzten Jahren immer weniger Jugendliche für sich. Dies ist verwunderlich für uns, da das Metallhandwerk den Jugendlichen genau wie in den anderen Ausbildungsberufen großartige Perspektiven bieten kann und für die funktionierende Wirtschaft elementar ist“ erklärt Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Dennis Makselon.
Der Geschäftsführer appelliert hierbei an die Jugendlichen sich während der Schulpraktika aber auch während der Ferien in den verschiedenen Handwerksberufen auszuprobieren, um die Vielfalt und Wichtigkeit der Branche kennenzulernen.
Zitat:„Handwerk muss erlebt werden“ betont Makselon eindeutig. „Um die Klimawende mit geeignetem Fachpersonal zu schaffen, benötigt es dringend eine Bildungswende. Die handwerkliche Ausbildung muss in der Gesellschaft wieder ihr Ansehen finden. Hier ist insbesondere die Politik gefragt, um die Wertigkeit der beruflichen Ausbildung zu erhöhen.“
Kreishandwerkerschaft Vechta
Im Jahr 2022 wurden fast 20 Prozent weniger Ausbildungsverhältnisse im Landkreis Vechta geschlossen als im Vorpandemiejahr 2019. Im Vergleich zum Jahr 2021 wurden fast 14 Prozent weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen.
Die Ausbildungswilligkeit der Ausbildungsbetriebe ist trotz Corona-, Materialpreis- und Energiekrise nach wie vor groß. Aber: Statt sich bei einem Handwerksbetrieb für eine Ausbildung zu bewerben, entscheiden sich derzeit immer mehr Schüler, oder deren Eltern, für eine weiterführende Schule. Dabei wissen viele Schüler und Eltern nicht, dass mit Abschluss der Ausbildung der Realschulabschluss oder der erweiterte Realschulabschluss erreicht werden kann. Auch eine Verkürzung der Ausbildungszeit ist bei guten Leistungen kein Problem. Nach der Ausbildung stehen dem frisch gebackenen Gesellen alle Türen offen. Er kann den Meister machen, kann das (Fach-)Abitur machen, kann studieren gehen oder sich in seinem Handwerksberuf weiterqualifizieren. Fest steht, ein Handwerksberuf ist ein Beruf mit Zukunft.
Und trotz der guten Perspektiven, die für eine Ausbildung im Handwerk sprechen, haben sich weniger Schulabgänger für eine Ausbildung entschieden. Besonders stark traf es unter anderem die Friseure mit einem Rückgang von 50 Prozent. Im Jahr 2021 wurden 24 neue Ausbildungsverträge schlossen. Im Jahr 2022 waren es nur noch 12. Auch bei den Maurern wurden im ersten Lehrjahr nur noch 12 Ausbildungsverträge eingetragen. Im Vorjahr waren es noch 27 und bei den Zimmerern wurden 9 Ausbildungsverhältnisse weniger als im Vorjahr geschlossen. Nur bei den Elektronikern, den Land- und Baumaschinenmechanikern und den KFZ-Mechatronikern konnte die Ausbildungsquote im Vergleich zum Vorjahr gehalten werden.
Gesucht wird noch in allen Gewerken. Die Kreishandwerkerschaft Vechta befragte jüngst alle handwerklichen Ausbildungsbetriebe im Landkreis Vechta zu den jetzt noch offenen Lehrstellen. Die Rückmeldungen der Handwerksbetriebe ergaben, dass noch 14 Ausbildungsplätze im Maurerhandwerk nicht besetzt wurden. Außerdem werden noch 11 Anlagenmechaniker sowie 10 Elektroniker gesucht. Aber auch Feinwerkmechaniker (9), Zimmerer (9), Maler (7) und Dachdecker (7) werden noch gesucht.
Ausbildungsinteressierte können sich gerne bei der Kreishandwerkerschaft Vechta melden.