Gemeinsame Pressemitteilung von Agentur für Arbeit und Jobcenter Zwickau

Job-Turbo - Die Chance zur Fachkräftesicherung von morgen in unserem Landkreis?

22.04.2024 | Presseinfo Nr. 19

Im Oktober 2023 wurde bundesweit der Job-Turbo gestartet, dessen Ziel es ist, die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt zu beschleunigen. Geflüchtete Menschen sollen schneller Arbeitserfahrung sammeln, während der Beschäftigung ihre Sprachkenntnisse im praktischen Alltag ausbauen und anschließend sinnvoll weiter qualifiziert werden.

Einige Fragen an:
Andreas Fleischer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Zwickauer Arbeitsagentur
Petra Schlüter, Geschäftsführerin des Jobcenter Zwickau

Weshalb gibt es den Job-Turbo und was beinhaltet er?
Andreas Fleischer: „Die Integration von Geflüchteten in den deutschen Arbeitsmarkt soll mit dem Job-Turbo beschleunigt werden. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist generell ein essentieller Bestandteil für eine erfolgreiche Integration in Deutschland. Einerseits bietet er die Möglichkeit, die deutsche Sprache aktiv zu erlernen und Aspekte der deutschen Kultur zu erfahren. Andererseits liefert er auch eine finanzielle Grundlage. Zusätzlich hilft er dabei, soziale Kontakte zu knüpfen und die fachlichen Kompetenzen im beruflichen Kontext beizubehalten und auszubauen. Unseren Unternehmen bietet er die Chance, dem Arbeits- und Fachkräftemangel zu begegnen. Die Weichen in unserer operativen Arbeit sowie in der Zusammenarbeit mit den Netzwerkpartnern wurden gestellt. Mit diesem Integrationsprojekt gehen wir neue Wege und befinden uns nun mitten in der Umsetzung des Job-Turbos. Diese Arbeit wird sich in den kommenden Monaten auch in konkreten Zahlen widerspiegeln.“

Wer ist beim Job-Turbo im Fokus und über welches Potenzial reden wir?
Petra Schlüter: „Wir konzentrieren uns auf die Menschen aus den acht Herkunftsländern (HKL), also Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia, Syrien und die Ge-flüchteten aus der Ukraine. Insgesamt begleiten wir aktuell rund 3.500 erwerbsfähige Leistungsberechtigte, davon ca. 2.300 aus der Ukraine und ca. 1.180 aus den acht Herkunftsländern. Die größte Kundengruppe sind die Geflüchteten zwischen 25 und 55 Jahren.“

Gelingt die Integration von Geflüchteten durch den Turbo schneller? Wenn ja, warum?
Petra Schlüter: „Bei der Integration von geflüchteten Menschen sind wir geübt. Durch die Erfahrungen aus den Jahren 2015/16 haben wir die Netzwerke, die Erfahrungen und erfolgversprechende Ansätze, die uns jetzt helfen. Wir wissen aber: Sprache und Qualifikation waren und sind die entscheidenden Herausforderungen. Im Unterschied zu der ersten Welle jetzt einen anderen Schwerpunkt. Die Vertiefung der deutschen Sprache kombiniert mit ersten Arbeitserfahrungen und Qualifizierungen müssen stärker Hand in Hand gehen. Deshalb geht es jetzt um eine schnelle Vermittlung in Arbeit und parallel zur Arbeit auf den Ausbau sprachlicher und beruflicher Kompetenzen. Der Vorteil: Wer schnell eine Arbeit hat, lernt schneller deutsch und sammelt und erweitert praktische Kenntnisse und Fertigkeiten. Darauf kann man aufbauen und durch sich diese Verbesserung der Qualifikation im Job schneller zur Fachkraft entwickeln. Dafür organisieren wir zum Beispiel Bewerbertage mit Firmen im Jobcenter, in der Agentur für Arbeit oder vor Ort bei den Arbeitgebern. So kommen die Menschen direkt mit den Unternehmen ins Gespräch. Um sich besser kennen zu lernen, ist ein betriebliches Praktikum möglich und im besten Fall folgt der Arbeitsvertrag.
Regelmäßig finden Unterweisungen zur Nutzung der digitalen Angebote über das Portal jobcenter.digital statt. Gemeinsam mit sogenannten Sprachmittlern, die die Inhalte in die jeweilige Sprache der Teilnehmenden übersetzen, wollen wir die Menschen u.a. in die Lage versetzen, selbstständig nach passenden Arbeitsstellen zu suchen."

Was sind die Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Integration?
Petra Schlüter: „Sprache ist und bleibt der Schlüssel zur Integration in den Arbeitsmarkt. Das ist aber nur möglich, wenn beispielsweise auch die Kinderbetreuung organisiert ist. Denn erst wenn die Kinder in einer Kita, Schule etc. betreut werden, können die Mütter oder Eltern am Integrationskurs teilnehmen. Nach dem Spracherwerb streben wir eine schnelle ausbildungsadäquate Vermittlung an. Hier ist aber durchaus denkbar, dass eine erste Beschäftigung als Helfer eine Alternative darstellt, sich die Menschen während der Beschäftigung weiterentwickeln – in Sprache und Fachkenntnissen – und sich so zur Fachkraft qualifizieren.“

Unternehmen sind aufgerufen, verstärkt auch Menschen ohne gute Deutschkenntnisse ein-zustellen? Was kann man darunter verstehen?
Andreas Fleischer: „Uns signalisieren immer mehr Unternehmen, dass gute Deutschkenntnisse nicht unbedingt das entscheidende Kriterium für eine Arbeitsaufnahme sind. Diese können im Berufsalltag schneller und spezifischer verbessert werden. Entscheidendere Faktoren für die Unternehmen sind die Motivation der geflüchteten Menschen, eine gesicherte Rechtslage, Bleibeabsichten der Geflüchteten, Anerkennung der Qualifikationen sowie Weiterqualifizierung. Alle Faktoren und Beteiligte müssen ausgewogen miteinander interagieren, um die Voraussetzungen für die Beschäftigung von Geflüchteten weitestmöglich zu optimieren. Es ist eine ermutigende Erkenntnis, dass Unternehmen zunehmend Erfahrungen in der Integration von Geflüchteten mit begrenzten Deutschkenntnissen sammeln und zudem beabsichtigen, künftig mehr Geflüchtete einzustellen. Die damit verbun-denen Herausforderungen, wie der Umgang mit Behörden und die Bewältigung von Sprach- und Qualifikationsdefiziten, sind den Unternehmen und Arbeitsmarktpartnern bekannt und insofern nicht unerwartet. Unternehmen bewerten diese Hürden jedoch als überwindbar.“

Wie sieht es denn derzeit mit der Beschäftigung von ausländischen Menschen in unserem Landkreis aus?
Andreas Fleischer: „Der Beschäftigungsanteil ausländischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an allen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Landkreis Zwickau steigt seit acht Jahren stetig an. Im Jahr 2015 lag er bei 1,7 Prozent und im vergangenen Jahr bereits bei 6,9 Prozent. In konkreten Zahlen bedeutet das, 2015 befanden sich im Jahresdurchschnitt 2.160 ausländische Menschen in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung und 2023 bereits 8.738. Diese Entwicklung zeigt, dass es in die richtige Richtung geht. Zum aktuellen Zeitpunkt ist eine seriöse datenbasierte Zwischenbilanz zur Beschäftigung von Geflüchteten aus der Ukraine und den 8 Herkunftsländern noch zu früh.“

Wie sind in Anbetracht der aktuellen Arbeitsmarktlage überhaupt die Chancen, einen Arbeitsplatz zu finden?
Andreas Fleischer: „Die Unternehmen melden weiterhin viele freie Stellen, allein im März 2024 waren es 563. Im Bestand haben wir derzeit fast 2.500 offene Stellen. Der Bedarf an Arbeits- und Fachkräften ist also nach wie vor vorhanden und auch der demografische Faktor spielt hierbei eine Rolle. Oft helfen den geflüchteten Menschen Sprachvertiefung, Weiterbildung und berufliche Anerkennung dabei, die im Heimatland erworbene Qualifikation auch hier einzusetzen. Für Unternehmen, Beschäftigte und unsere Region ist das eine Win-Win-Situation.“

Welche potenziellen Herausforderungen sehen Sie weiterhin?
Andreas Fleischer: „Die Zusammenarbeit mit unseren Netzwerkpartnern, die uns bereits seit 2015 bei diesem Thema begleiten, weiter zu intensivieren und immer wieder dafür zu werben, dass geflüchtete Menschen hier in unserer Region eine Chance erhalten und nach-haltig beruflich wie sozial integriert werden. Dafür ist es unter anderem notwendig, Barrieren abzubauen, ein ausreichendes Angebot an Integrations- und Sprachkursen vorzuhalten o-der die komplexe und zeitintensive Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen zu begleiten. Wir müssen weiterhin alle gemeinsam an einem Strang ziehen.“

Petra Schlüter: „Die Struktur und auch die Ressourcen der verschiedenen Institutionen waren zu Beginn des Krieges in 2022 nicht auf den Zuzug von so vielen Flüchtlingen in einem so kleinen Zeitfenster ausgerichtet. Die Rahmenbedingen und die Anzahl der Integrations- und Sprachkurse mussten angepasst und erweitert werden, dafür benötigt man Geld und qualifizierte Fachkräfte (Dolmetscher, Sozialpädagogen, Lehrer). Inzwischen wurde das Integrationskurssystem schon deutlich ausgeweitet und immer mehr Menschen schließen Integrationskurse ab. Jetzt müssen wir helfen, dass die Absolventen so schnell wie möglich Arbeitserfahrung sammeln, während der Beschäftigung im praktischen Alltag ihre Sprachkenntnisse ausbauen und gleichzeitig weiter qualifiziert werden. Dafür werden in erster Li-nie neben den zahlreichen Netzwerkpartnern Arbeitgeber gebraucht, die bereit sind, geflüchteten Menschen die Chance zum Arbeiten und Fortbilden zu geben. Nur wenn alle Partner am Arbeitsmarkt gemeinsam agieren und handeln, wird die berufliche und gesellschaftliche Integration gelingen.“