§ 34: Ersatzansprüche bei sozialwidrigem Verhalten
Ein potentieller Bürgergeld-Berechtigter hat erhebliches Vermögen aus einer Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von 50.000.- EUR. Er möchte für seine Altersvorsorge den Rückkaufswert in eine Rürup-Rente einzahlen. Greift hier die Regelung des § 34 SGB II? Wie ist mit der Regelung des Satzes 3 umzugehen?
Die Lebensversicherung ist nach den Fachlichen Weisungen zu § 12 nicht verwertbar, wenn sie der Altersvorsorge dient. Vorausgesetzt, es besteht kein weiteres Einkommen/Vermögen, wäre der Betroffene von Leistungen nach dem SGB II abhängig.
Wenn der Antragsteller das Vermögen aus seiner Lebensversicherung in eine Rürup-Rente eingezahlt hat, kann es von ihm nicht mehr zur Deckung seines Bedarfs verwendet werden. Die Rürup-Rente ist nach § 12 SGB II nicht verwertbar. Dem Antragsteller sind zunächst Leistungen nach dem SGB II dem Grunde nach zu gewähren.
Sofern durch das Verhalten erstmalig die Hilfebedürftigkeit eingetreten ist oder erhöht wurde, muss geprüft werden, ob ein Ersatzanspruch nach § 34 SGB II geltend zu machen ist. Voraussetzung ist u. a., dass das Verhalten des Antragstellers objektiv sozialwidrig gewesen ist (ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal).
Ein sozialwidriges Verhalten liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vor, wenn ein Tun oder Unterlassen zwar nicht rechtswidrig im Sinne der unerlaubten Handlung (§ 823 BGB) oder des Strafrechts ist, aus der Sicht der Solidargemeinschaft (der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler) aber zu missbilligen ist und den Lebenssachverhalt so verändert, dass eine Leistungspflicht nach dem SGB II eintritt. Weiterhin muss sich der Betreffende der Sozialwidrigkeit seines Verhaltens bewusst oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bewusst sein. Ob und inwieweit ein Verhalten als sozialwidrig anzusehen ist, richtet sich nach den Gesamtumständen des Einzelfalles, vgl. Fachliche Weisungen zu § 34.
Besitzt der Antragsteller bisweilen keine ausreichende Alterssicherung, wäre die Sozialwidrigkeit seines Handelns i. d. R. zu verneinen. Ebenso, wenn die Geldanlage - wie hier - durch andere Gesetze ausdrücklich gefördert wird.
Stand: 12.01.2023
WDB-Beitrag Nr.: 340001
Liegt sozialwidriges Verhalten i. S. d. § 34 SGB II vor, wenn ein Arbeitsvertrag gekündigt wurde, um eine Zweitausbildung zu beginnen?
Das BVerwG hat in seiner Rechtsprechung zu dem im Wesentlichen deckungsgleichen § 92a BSHG die folgenden Gesichtspunkte entwickelt:
Die Aufgabe der hauptberuflichen Tätigkeit und die Aufnahme eines Studiums durch einen Unterhaltsberechtigten stellen nicht aus sich heraus ein sozialwidriges Verhalten dar. Der Umstand, dass die Gemeinschaft Mittel für Ausbildungen der verschiedensten Art zur Verfügung stellt, und der weitere Umstand, dass seit Jahren gerade die Ausbildung auf dem „Zweiten Bildungsweg“ herausgestellt und gefördert wird, schließen die Annahme aus, ein Ausbildungsbeflissener, der diese Möglichkeiten nutzt, verhalte sich als Ehemann und besonders als Vater eines auf Unterhalt angewiesenen Kindes grundsätzlich sozialwidrig. Ebenso wenig lässt sich aber umgekehrt sagen, dass ein Bemühen um eine höhere berufliche Qualifikation, die seitens des Staates vielfältig gefördert und zu der durch die Förderung angeregt wird, allein aus diesem Grunde die Annahme sozialwidrigen Verhaltens ausschließt.
Durch die Einbeziehung der Sozialhilfe in das SGB ist die Einheit des Sozialleistungsrechts besonders unterstrichen worden. Auch wenn die Sozialhilfe andere Funktionen als die Ausbildungsförderung hat, wird dadurch besonders die Ausgangsfeststellung des BVerwG unterstrichen, dass nicht jede Zweitausbildung von vornherein als sozialwidrig anzusehen ist, weil dadurch die Förderungsmöglichkeiten des BAföG und des SGB III für Personen mit Unterhaltsverpflichtungen, die über kein zusätzliches Einkommen oder Vermögen verfügen, weitgehend unterlaufen würden; ein Zustand, der auch im Hinblick auf Art. 3 Grundgesetz nicht unbedenklich wäre.
Nur die Umstände des Einzelfalles können die Grundlage für die Beurteilung abgeben, ob ein Verhalten sozialwidrig ist.
Beispiel 1: Keine Sozialwidrigkeit
Das Hochschulstudium war von vornherein als Teil einer Ausbildung beabsichtigt, welche sich nur stufenweise und unterbrochen erlangen lässt. Die Familie des Studierenden hat positive Stellung zu den Ausbildungsplänen bezogen.
Beispiel 2: Sozialwidrigkeit:
Die weitere Ausbildung dient insbesondere der Anhebung des persönlichen Sozialprestiges des Studierenden. Sie ist zudem nicht einmal geeignet, für den Auszubildenden und seine Familie eine deutliche Besserstellung in materieller Hinsicht zu gewährleisten.
Stand: 13.02.2017
WDB-Beitrag Nr.: 340002