SGB I - Allgemeiner Teil
Ist es möglich, dass Leistungen nach dem SGB II an Einrichtungen nach §§ 67 ff. SGB XII im wohlverstandenen Interesse nach § 53 Abs. 2 Nr. 2 SGB I abgetreten werden? Wenn ja, in welchem Umfang ist eine Abtretung möglich?
Die Vorschrift des § 42 SGB II hat durch das 9. SGB II- Änderungsgesetz eine umfassende Erweiterung erfahren.
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes waren bisher gemäß § 54 Absatz 4 SGB I wie Arbeitseinkommen pfändbar. Nach Absatz 2 Satz 2 ist die Übertragung und Verpfändung weiterhin ist in den Fallgestaltungen des § 53 Absatz 2 SGB I zugelassen:
- zur Erfüllung/Sicherung von Ansprüchen auf Rückzahlung von Darlehen;
- zur Erfüllung/Sicherung von Ansprüchen auf Erstattung von Aufwendungen, die im Vorgriff auf fällig gewordene Sozialleistungen zu einer angemessenen Lebensführung gegeben oder gemacht worden sind;
- wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, dass die Übertragung im wohlverstandenen Interesse des Berechtigten liegt.
Eine Übertragung im wohlverstandenen Interesse nach § 53 Absatz 2 Nr. 2 SGB I ist folglich auch weiterhin möglich.
Das wohlverstandene Interesse (§ 53 Absatz 2 Nr. 2 SGB I) muss durch die Grundsicherungsstelle durch Verwaltungsakt (VA) festgestellt werden. Erst mit der Feststellung wird die Übertragung wirksam. Die Bejahung des wohlverstandenen Interesses setzt voraus, dass der Leistungsberechtigte dafür eine Gegenleistung erhält, durch die er zumindest einen gleichwertigen Vermögensvorteil erwirbt und die Übertragung mit dem Zweck der Sozialleistung im Einklang steht. Grundsätzlich können die Leistungen im Rahmen der Unterbringung in einer Einrichtung nach den §§ 67 ff. SGB XII einen adäquaten Vorteil für die Abtretung darstellen.
Durch die Übertragung darf jedoch kein Missverhältnis (Übersicherung) zwischen dem Umfang der Abtretung und den Leistungen durch die Einrichtung entstehen. Sollte eine solche Übersicherung vorliegen, ist die Übertragung unwirksam.
Die Übertragungserklärung darf demnach nur diejenigen Teilansprüche nach dem SGB II enthalten, die durch die Leistungen der Einrichtung abgedeckt werden. Anderenfalls liegt die Übertragung nicht im wohlverstandenen Interesse und ist unwirksam.
Welche Leistungsansprüche dies im Einzelnen sind, ist abhängig von der jeweiligen Einrichtung und den Leistungen, die erbracht werden.
Hinweise: BSG vom 07.09.1988, AZ: 10 RKg 18/87; BSG vom 14.08.1984, AZ: 10 RKg 19/83 BSG, Urteil vom 06. April 2000 – B 11 AL 47/99 R –, SozR 3-1200 § 53 Nr 9, SozR 3-1500 § 131 Nr 8
Veröffentlicht: 24.08.2017
WDB-Beitrag Nr.: 941014
Ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde, nachdem der Sachbearbeiter festgestellt hatte, dass sich kein pfändbarer Betrag ergibt, abgeheftet, ohne eine Drittschuldnererklärung zu erteilen. Erst nachdem sich der Rechtsanwalt des Gläubigers einschaltet, wird die entsprechende Drittschuldnererklärung erteilt. Der Gläubiger beantragt nun die Erstattung der nachgewiesenen Rechtsanwaltskosten. Sind diese Kosten zu erstatten?
Sofern der Träger aufgefordert wurde, eine Drittschuldnererklärung abzugeben (die Zustellungsurkunde enthält üblicherweise eine solche Aufforderung), ist der Drittschuldner verpflichtet, eine Erklärung innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses abzugeben (§ 840 Abs. 1 S. 1 ZPO).
Wird die Drittschuldnererklärung nicht fristgerecht abgegeben und entsteht dem Gläubiger hierdurch, wie in dem beschriebenen Fall, ein Schaden, besteht ein Schadenersatzanspruch (§ 840 Abs. 2 S. 2 ZPO).
Stand: 17.01.2017
WDB-Beitrag Nr.: 941010
Sind Geldleistungen, die auf Grund eingetretener Verzögerungen in der Bearbeitung verspätet gezahlt werden, zu verzinsen?
Nach § 44 SGB I sind Ansprüche auf einmalige und laufende Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 v. H. von Amts wegen zu verzinsen, sofern alle Voraussetzungen hierfür vorliegen.
§ 44 SGB I findet keine Anwendung auf:
- Dienst- und Sachleistungen,
- Erstattungsleistungen der Leistungsträger untereinander (beachte aber § 108 SGB X),
- Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge (s. jedoch § 27 SGB IV),
- Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung für Bezieher von Leistungen (§§ 5, 186, 190 SGB V, 3 SGB VI und 20 SGB XI)
- Zinseszinsen (§ 289 S. 1 BGB).
Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Antrages beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrages nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.
Vollständig ist der Leistungsantrag, wenn darin alle Tatsachen angegeben sind, die der Antragsteller nach § 60 Abs. 1, § 65 Abs. 1 SGB I machen kann und muss, damit eine Bearbeitung erfolgen kann, und wenn der Antragsteller die erforderlichen Beweismittel benannt oder vorgelegt hat. Ist der Antrag unvollständig, beginnt die Sechsmonatsfrist erst mit Ablauf des Monats zu laufen, in dem alle Tatsachen angegeben sind, die zur Bearbeitung erforderlich sind.
Ist für eine Geldleistung ein Leistungsantrag nicht erforderlich (z. B. weil eine Geldleistung durch Gesetzesänderung erhöht wird), so beginnt die Verzinsung nach Ablauf des Monats, der dem Monat folgt, in dem der Bescheid bekanntgegeben wurde (§ 37 SGB X).
Der zu verzinsende Betrag ist auf volle Euro zu runden und der Kalendermonat mit 30 Tagen zugrunde zu legen.
Soweit Leistungsberechtigte einen Vorschuss nach § 42 SGB I, eine vorläufige Leistungen nach § 43 SGB I, Leistungen aufgrund einer vorläufigen Entscheidung nach §41a SGB II, Leistungen eines anderen Leistungsträgers, die diesem nach den §§ 102 ff SGB X zu erstatten sind, erhalten haben, erfolgt in Höhe dieser Leistungen keine Verzinsung. Der Zinsanspruch kann sich nur noch auf den geschuldeten Restbetrag erstrecken.
Die Zinsformel lautet:
[Geldleistung * 4 (%) * 30 (Tage)] / [100 x 360 (Tage)]
Hieraus folgt:
Zinsen pro Monat = Geldleistung / 300
Zinsaufwände sind zur Hauptforderung zu buchen.
Stand: 11.01.17
WDB-Beitrag Nr.: 941015