Ausbildungsabbruch verhindern: Es geht nur gemeinsam

Die Firma Glas Henrich konnte ihren Azubi halten, selbst als die Probleme zunahmen. Wie das auf kreative Weise gelang, lesen Sie hier.


28.03.2024 - Matthias Haft -6 MinutenArbeitswelt gestalten

Eine Ausbildung kann auch mit einem Abbruch enden, muss aber nicht. Wie Arbeitgeber gemeinsam mit Eltern und der Agentur für Arbeit das Ruder noch herumreißen können, zeigt das Beispiel der Glaserei Henrich.

Ein Ausbildungsabbruch ist nie schön – weder für den Betrieb noch für den oder die Auszubildende. Im Zweifelsfall haben beide Seiten viel Energie und Zeit investiert, um die Situation noch zu retten und stehen am Ende doch mit leeren Händen da. Tatsächlich ist das gar keine Seltenheit, die Lage am Ausbildungsmarkt geradezu dramatisch: Laut Berufsbildungsbericht 2023 des Bundesinstituts für Berufsbildung (BiBB) lösten mehr als ein Viertel der Auszubildenden im Jahr 2021 den Ausbildungsvertrag vorzeitig. Damit lag die Abbruchquote zwar nur leicht über dem langjährigen Mittel von rund 25 Prozent, doch die Tendenz der letzten Jahre ist steigend.

Gründe für einen Abbruch gibt es viele. Sie können sowohl beim Auszubildenden als auch beim Arbeitgeber liegen. Von gesundheitlichen Problemen bis hin zu mangelnder Ausbildungsqualität ist alles dabei. Für Arbeitgeber ist es wichtig, bestmöglich zu gestalten, was man selbst in der Hand hat. Damit schafft man eine moderne Ausbildung mit klarer Zukunftsperspektive. Denn laut BiBB lassen sich hohe Abbruchquoten auch auf den für Auszubildende günstigen Arbeitsmarkt mit seiner hohen Nachfrage nach Azubis zurückführen. Passt also etwas im aktuellen Betrieb nicht, ist die Hürde für Azubis ungleich niedriger, die aktuelle Ausbildung abzubrechen und anderswo fortzusetzen.

Ausbildungsabbruch und Vertragslösung sind zwei verschiedene Dinge. Darauf weisen auch die Autor*innen der BiBB-Studie hin: Azubis, die ihren aktuellen Ausbildungsvertrag lösen, haben vielleicht das Ziel, die Ausbildung in einem anderen Betrieb fortzuführen oder einen anderen Ausbildungsberuf zu ergreifen. Damit brechen sie die Ausbildung nicht ab. Ein Abbruch liegt erst vor, wenn gar keine Ausbildung mehr verfolgt wird.

Arbeitgeber sollten also darauf achten, die Qualität ihrer Ausbildung beständig hochzuhalten. Sonst sind Azubis schneller wieder weg, als ihnen lieb sein kann. Bedenklich: Jede dritte Vertragslösung findet bereits in der Probezeit statt. Eine qualitativ hochwertige Ausbildung ist überdies wichtig, um besser auf individuelle Schwächen und Probleme von Auszubildenden reagieren zu können. Ausbildungspersonal, das Fachwissen wie Inhalte freundlich und didaktisch gut vermittelt, ist für alle Azubis ein Gewinn. Für diejenigen, die es persönlich etwas schwerer haben, ist gutes Ausbildungspersonal sogar unverzichtbar.

Ausbilden zur eigenen Fachkräftesicherung

Das Unternehmen Glas Henrich aus Hofheim bei Frankfurt am Main bildet seit vielen Jahren im Glaserhandwerk aus. In Zeiten des zunehmenden Azubimangels hat sich der Betrieb das Thema Ausbildung als Schwerpunkt gesetzt, um auch in Zukunft handlungsfähig zu sein. Wenn Fachkräfte rar werden, muss man sie selbst ausbilden, so das Credo. Das Problem verlagert sich damit jedoch oft nur: Denn auch am Ausbildungsmarkt herrscht für viele kleinere Betriebe abseits der Städte seit Jahren Flaute. Auch Ausbildungsplätze können oft nicht besetzt werden, schlicht deshalb, weil es zu wenige Bewerbende gibt.

Ein Betrieb, der für seine künftige Personalausstattung darauf angewiesen ist, dass die eigenen Azubis auch übernommen werden können, kann sich keinen Ausbildungsabbruch leisten. Das weiß auch Johannes Henrich, der Glas Henrich in vierter Generation führt: „Wir hatten in der Vergangenheit zwar hin und wieder auch mal Ausbildungsabbrüche, aber wir konnten auch den einen oder anderen Abbruch verhindern. In drei Jahren Ausbildung durchleben die jungen Menschen viele Hochs und Tiefs. Wenn man da an ihrer Seite ist, kann man ihnen beistehen, wenn es drauf ankommt.“

Eine Ausbildung mit Hürden

Erst im vergangenen Herbst hatte er wieder so einen Fall. „Da haben alle an einem Strang gezogen“, sagt Henrich. „Und nur so haben wir es geschafft, dass unser Azubi Max* nicht abbrechen musste.“ Dass das geklappt hat, war nicht selbstverständlich. Mit Start des Ausbildungsjahres 2022/23 hatte Max, der zuvor seinen Abschluss an einer Förderschule gemacht hat, bei Glas Henrich seine Ausbildung zum Glaser begonnen. Die Defizite, die Max mitbrachte, waren Johannes Henrich und seinem Ausbildungspersonal bekannt: „Max hätte Anspruch auf eine geförderte Ausbildung gehabt. Doch nach Gesprächen mit ihm und seinen Eltern sind wir dann doch den Weg der regulären Ausbildung gegangen.“ 

Rückblickend zeigt sich, dass dieser Weg ein Fehler war. Max war zwar gut in die Ausbildung gestartet, doch seine Leistungen ließen schnell stark nach. „Und damit wuchs natürlich seine Unsicherheit immer mehr“, sagt Henrich. „Ein Teufelskreis, der dann auch zunehmend das Ausbildungspersonal verunsichert hat. Da standen eigentlich schon alle Zeichen auf Abbruch.“ 

Lösung statt Abbruch

In dieser Situation suchte der Betrieb Hilfe bei der Agentur für Arbeit Hofheim. Der dortige Arbeitgeberservice brachte schnell die Möglichkeit eines Kooperationsmodells ins Spiel. Ein Modell, das der Geschäftsführer gern verfolgen wollte: „Die anschließende Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur verlief sehr unkompliziert. Wir haben denen alle nötigen Infos zur Situation gegeben bis hin, dass Max keinen Führerschein hat. Erschwerend kam hinzu, dass wir uns ja mitten in der Ausbildung befanden. Mit all diesen Infos sind sie dann auf die Suche nach einem passenden Bildungsträger gegangen und konnten uns kurze Zeit später auch einen präsentieren, die Starthilfe e.V.“

Seit Oktober 2023 läuft die Ausbildung von Max nun außerbetrieblich über den Bildungsträger. Die Firma Glas Henrich fungiert als Kooperationspartner. Hier werden die Praxisanteile der Ausbildung abgedeckt. Ein Tag in der Woche besucht Max die Starthilfe, die ihn gezielt bei den Dingen unterstützt, die ihm schwerfallen. Glas Henrich kann mit diesem Ausbildungsmodell zugleich Kosten einsparen. Johannes Henrich dazu: „Damit haben wir finanzielle Mittel, die wir nun in die gezielte praktische Förderung von Max stecken können.“

Zitat:

Manchmal ist es so: Wer eine Lehrstelle abbricht, läuft vielleicht auch einfach davon.

Ausbildungsabbrüche vermeiden: Eltern an Bord holen

Auch wenn der Betrieb von Johannes Henrich gemeinsam mit Azubi Max und der örtlichen Agentur für Arbeit eine Lösung finden konnte, stellt sich die Frage, wie eine so schwierige Situation in der Ausbildung von vornherein vermieden werden kann. Denn sicher ist ein positiver Ausgang wie in diesem Fall ja nicht. Eine wichtige Rolle übernehmen hier die Eltern der Auszubildenden. Johannes Henrichs Erfahrung nach können sie auch den Ausschlag dafür geben, ob eine Ausbildung abgebrochen oder doch weiterverfolgt wird. „Oft liegen die Gründe für einen Ausbildungsabbruch bei dem oder der Auszubildenden ja viel tiefer. Irgendwelche ungelösten Probleme sorgen dafür, dass es nicht so richtig klappt. Und wenn diese nicht erkannt und gelöst werden, hilft der Abbruch gar nichts. Dann wird vermutlich auch der nächste Ausbildungsversuch scheitern. Die Probleme zu erkennen, dabei können Eltern sehr gut helfen.“

Damit Eltern in der Not helfen können, sollten sie von Anfang an in die Ausbildung ihres Kindes einbezogen werden. Davon ist Johannes Henrich überzeugt. Seine Firma hatte auch mal einen Abbruch, bei dem die Eltern von Anfang an nicht vom gewählten Ausbildungsberuf begeistert waren. Im entscheidenden Moment fehlte dann die Unterstützung durch das Elternhaus. „Wichtig ist natürlich, dass Eltern die Wahl ihres Kindes respektieren und nicht anders herum das Kind eine Ausbildung wählt, nur weil diese den Eltern passt“, sagt Henrich. Deshalb versucht er Eltern immer so früh wie möglich einzubeziehen. Sie sind nicht nur bei der Vertragsunterzeichnung dabei, sondern können den Betrieb auch bei einer Führung kennen lernen. Wichtig sei es dann, den Kontakt zu den Eltern während der Ausbildung zu halten.

* Name von der Redaktion geändert


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