13.06.2016 - Philipp Hedemann -5 MinutenArbeitswelt gestalten
Navigation für Autos? Ein alter Hut. Den vielen Millionen Radlern in den Städten der Welt hilft Andreas Stückl mit seiner App "Bike Citizens" schnellstmöglich ans Ziel. Der Ex-Radkurier führt jetzt ein Team von Individualisten – mit einem besonderen Arbeitszeitmodell.
Andreas Stückl kommt auf die Minute pünktlich zum Interview in Berlin-Kreuzberg. Unmittelbar zuvor hatte er einen Termin im Stadtteil Wedding. 25 Minuten hatte der 33-Jährige auf dem Rad für die 8,5 Kilometer lange Strecke quer durch die Stadt gebraucht. Bike Citizens, eine Navigations-App für urbane Fahrradfahrer, hat ihm diese zuvor genau berechnet. Stückl weiß, dass er sich auf die Angaben verlassen kann. Schließlich hat der ehemalige Fahrradkurier die mehrfach ausgezeichnete Applikation selbst mitentwickelt. Vor fünf Jahren gründete er in Graz mit zwei Freunden und einem Startkapital von 1500 Euro das Start-up BikeCityGuide, das heute Bike Citizens heißt. Mittlerweile arbeiten 25 Menschen in Österreich und Deutschland für das junge Unternehmen. In diesem Jahr peilen die „Fahrradbürger“ einen Umsatz von 1,6 Millionen Euro an und wollen weitere Mitarbeiter einstellen.
„In 130 Meter rechts auf Fahrradweg abbiegen.“ „Straße überqueren.“ „In 100 Meter weiter auf Fahrradstreifen.“ Mit präzisen Angaben leitet die blechern klingende Bike-Citizens-Stimme mittlerweile rund 300.000 Fahrradfahrer in über 35 Ländern sicher durch den Großstadtverkehr. Egal ob man schnell oder gemütlich, mit dem Rennrad oder dem Mountainbike, auf verkehrsberuhigten Nebenstraßen oder auf der schnellsten Verbindung unterwegs sein möchte – Bike Citizens findet die optimale Route. Und damit man beide Hände frei hat, liefert das Start-up die Hardware in Form der weichen Silikonschlinge „Finn“ gleich mit. So wird jedes Smartphone in Sekundenschnelle an jedem Fahrradlenker befestigt. Die App für iPhones und Android-Geräte ist kostenlos. Ein Städtepaket kostet 4,99 Euro, eine Flatrate für alle verfügbaren Städte 19,96 Euro.
Die Lücke bei Navis für Radler schließen
Vor fünf Jahren nahm Andreas Stückl an einer Fahrradkurier-Meisterschaft in Budapest teil. Dabei merkte er, dass er zwar in seiner Stadt jeden Schleichweg kennt, in fremden Städten jedoch ziemlich aufgeschmissen ist. Navigationssysteme für Autos waren damals schon weit verbreitet, ein Navi, das speziell auf die Bedürfnisse von Fahrradfahrern eingeht, war hingegen noch Mangelware.
Zusammen mit dem Mitbewohner einer Freundin programmierte er die erste Version ihrer Navigations-App für Fahrradfahrer. Mittlerweile ist der Informatikstudent aus der WG einer von fünf Gesellschaftern von Bike Citizens, die von ihm programmierte App wurde weltweit 350.000-mal heruntergeladen. „Wir wollten von Anfang an keine Eier legende Wollmilchsau programmieren. Wir wollten keine App, die auch von Fußgängern und Autofahrern genutzt wird. Wir wollten einfach das beste Produkt für unsere Zielgruppe, die urbanen Radfahrer, schaffen“, sagt Andreas Stückl.
Zitat:„Wir wollten einfach das beste Produkt für unsere Zielgruppe, die urbanen Radfahrer, schaffen." (Andreas Stückl, Erfinder der Bike-Citizens-App)
Das ist ihnen nach Ansicht vieler begeisterter User gelungen. Zunächst wandte die App sich vor allem an Fahrradkuriere. 2015 wurde das Unternehmen in Bike Citizens umbenannt. Mit dem neuen Namen kam auch eine neue Unternehmenskultur. „Früher waren wir härter. Da haben wir vor allem testosterongesteuerte Männer aus der Radkurier-Szene angesprochen. Jetzt sind wir mainstreamiger und für den Hardcore Kurier genauso wie für die Mama, die mit ihrem Kind im Fahrradsitz unterwegs ist“, sagt Stückl. Die Erweiterung der Zielgruppe hat sich ausgezahlt. Seit dem Rebranding wächst die Firma noch einmal deutlich schneller.