Mentoring für Frauen in Führungspositionen

Mentoring-Programme für Frauen in Führungspositionen helfen Arbeitgebern, Mitarbeiterinnen zu Führungskräften zu entwickeln. Warum es sich lohnt, die interne Frauenpower besser auszuschöpfen, zeigt das Beispiel Cheplapharm aus Greifswald.


04.03.2020 - Kirstin von Elm -5 MinutenArbeitswelt gestalten

Interne Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten sind für Unternehmen ein wichtiges Plus im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte. Zudem sind sie oft der günstigste Weg, offene Führungspositionen zu besetzen. Spezielle Mentoring-Programme für weibliche Führungskräfte unterstützen Arbeitgeber, die interne Frauenpower besser auszuschöpfen.

Von null auf 67 – seit ihrem Einstieg bei Cheplapharm Arzneimittel GmbH ist Katrin Bäsells Team rasant gewachsen. Vor etwas mehr als zwei Jahren wechselte die promovierte Mikro- und Molekularbiologin von einem norddeutschen Wettbewerber zu dem mittelständischen Pharmaunternehmen in Greifswald: „Ich wollte mich weiterentwickeln und war fasziniert von der enormen Entwicklung des Unternehmens im Familienbesitz und dessen Wachstumsstrategie“, sagt sie. Die gebürtige Kielerin hat in Greifswald studiert und promoviert und fühlt sich hier zu Hause. Im November 2017 fing sie im Bereich Drug Regulatory Affairs (Arzneimittelzulassung) an. Nach einer kurzen Einarbeitungszeit übernahm sie bereits ein Team von sechs Mitarbeitern. „Ich hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine Führungserfahrung, freute mich aber auf die neue Herausforderung“, erzählt die 42-Jährige. Deshalb schlug ihr das Unternehmen die Teilnahme an einem Mentoring-Programm vor.

Aufstieg mit Mentor

Das Mentoring-Programm „Aufstieg in Unternehmen“ (siehe Infobox) half der frisch gebackenen Teamleiterin dabei, sich schnell in ihre neue Rolle einzufinden. In ganz Mecklenburg-Vorpommern unterstützt das landesweite Programm motivierte und qualifizierte Frauen, die sich innerhalb ihres Unternehmens weiterentwickeln möchten. Begleitet von einem führungserfahrenen externen Mentor, durch intensiven persönlichen Austausch untereinander sowie durch Workshops werden die Teilnehmerinnen auf ihre neue Rolle als Führungskraft vorbereitet. Frauen seien oft zurückhaltender und bescheidener als Männer, so Peggy Hildebrand, eine der beiden Landeskoordinatorinnen des Programms. Durch das Programm würden die Mentees lernen, ihre Ziele klar zu formulieren und selbstbewusst umzusetzen.

Weibliche Vorbilder machen Mut

© Cheplapharm<br />Katrin Bäsell wurde von einem Mentor bei der Übernahme ihrer Führungsrolle begleitet.

Wie gut das funktioniert, weiß Ex-Mentee Katrin Bäsell heute aus eigener Erfahrung: Drei Monate nach ihrer Aufnahme in das Aufstiegsprogramm machte ihr die Geschäftsleitung das Angebot, anstelle eines kleinen Teams gleich die ganze Abteilung zu übernehmen. Eine große Chance, aber auch eine große Herausforderung! „Die meisten Männer würden bei so einem Angebot wohl sofort zugreifen“, sagt sie rückblickend. Als Frau klopfe man vor so einer weitreichenden Entscheidung dagegen erst einmal alle Eventualitäten gründlich ab. Mit ihrem externen Mentor, dem kaufmännischen Leiter eines großen öffentlichen Unternehmens, konnte sie ihre Situation offen besprechen und zudem die Perspektive einer erfahrenen männlichen Führungskraft in ihre Entscheidung einbeziehen. Auch der enge persönliche Austausch mit Frauen in vergleichbarer Situation und die vielen positiven Vorbilder – Mentorinnen und Absolventinnen des Programms – zeigten Wirkung. Seit Oktober 2018 leitet die Naturwissenschaftlerin als Director Regulatory Affairs den kompletten Zulassungsbereich mit nunmehr fast 70 Mitarbeitern und genießt ihre Verantwortung und den Gestaltungsspielraum: „Frauen sollten mutiger auf ihre eigenen Stärken und Fähigkeiten vertrauen“, sagt sie heute. Das Mentoring-Programm habe sie und viele andere Frauen erfolgreich zum nächsten Karriereschritt ermutigt.

 Vorteile für Unternehmen

© PR<br />Peggy Hildebrand ist eine der Koordinatorinnen des Mentoring-Programms „Aufstieg in Unternehmen“.

Nicht nur die Mentees selbst, sondern auch die Unternehmen, in denen sie beschäftigt sind, profitieren von der Aufstiegshilfe. Mit 69 Einwohnern pro Quadratkilometer ist Mecklenburg-Vorpommern das am dünnsten besiedelte Bundesland, der Fachkräftemangel ist hier ein zentrales Thema. Eng damit verbunden ist das Thema Führung: Zum einen stehen Unternehmen vor der Herausforderung hoch qualifizierte Kandidaten für offene Führungspositionen zu finden und langfristig in der Region zu halten. Zum anderen gilt es, durch gute Führungskräfte Mitarbeiter auf allen Ebenen zu motivieren und an das Unternehmen zu binden. Mentoring-Programme – speziell für Frauen – helfen dabei, den Pool an potenziellen Führungskräften zu erweitern, offene Positionen intern zu besetzen und gute Führungsarbeit zu gewährleisten: „Immer mehr Unternehmen erkennen die positiven Effekte des Mentoring-Programms und nutzen es gezielt als Personalentwicklungsinstrument, um weibliche Führungskräfte zu fördern und an das Unternehmen zu binden“, sagt Peggy Hildebrand. Das belegen die stetig steigenden Teilnehmerzahlen: 2014 startete das Programm mit 50 Mentees, mittlerweile sind es fast doppelt so viele. Im aktuellen Jahrgang 2020 erhalten 98 Frauen aus 70 Unternehmen zwölf Monate lang Schützenhilfe für neue Führungsaufgaben.

50 Prozent Frauen in Führungspositionen

© Cheplapharm<br />Personalleiter Jens Schmidt setzt auf die interne Weiterentwicklung qualifizierter Kräfte.

Jens Schmidt, Personalleiter bei Cheplapharm, schätzt das Projekt sehr hoch ein. Aktuell nehmen neun Mitarbeiterinnen als Mentees daran teil. Das 2003 gegründete Familienunternehmen beschäftigt mittlerweile mehr als 350 Mitarbeiter, ein Großteil davon sind Akademiker. Allein in den letzten drei Jahren ist die Belegschaft im Schnitt jährlich um 45 Prozent gewachsen. Ohne interne Personalentwicklung wäre das kaum möglich: „Als schnell wachsendes Unternehmen haben wir einen sehr hohen Bedarf an qualifizierten Fach- und Führungskräften. Wir legen deshalb großen Wert auf die aktive und zielgerichtete Weiterentwicklung aller Mitarbeiter“, sagt Schmidt. Mit knapp 50 Prozent liegt der Anteil von Frauen in Führungspositionen bei dem Unternehmen nicht nur weit über dem Bundesdurchschnitt von 25 Prozent, sondern auch höher als in Mecklenburg-Vorpommern, wo immerhin jeder dritte Führungsposten mit einer Frau besetzt ist. Auch Berufseinsteiger sind bei dem mittelständischen Pharmaspezialisten willkommen: „Viele unserer Mitarbeiter wollen nach ihrem naturwissenschaftlichen Studium gerne in Greifswald bleiben. Wir geben ganz bewusst auch Absolventen oder Quereinsteigern aus der Wissenschaft eine Chance“, so der Personalchef.

Leistung statt Quote

Alle Nachwuchsführungskräfte – nicht nur Frauen – werden bei Cheplapharm durch geeignete Programme bedarfsgerecht in ihrer beruflichen Entwicklung gefördert und für neue Aufgaben qualifiziert. Von einer verbindlichen Frauenquote im Topmanagement oder gar Geldstrafen, wie sie aktuell Bundesfrauenministerin Franziska Giffey für börsennotierte oder mitbestimmungspflichtige Firmen fordert, hält Katrin Bäsell wenig. „Ich selbst beziehe bei Personalentscheidungen das Geschlecht überhaupt nicht ein“, sagt sie. Entscheidend dafür, ob bei ihr jemand die Chance zum Aufstieg erhalte, sei allein das jeweilige Potenzial, die Leistung und die Motivation. Allerdings habe sie nicht zuletzt durch das Mentoring-Programm gelernt, genauer hinzuschauen, um auch sehr gute, aber bescheiden auftretende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu ermutigen und auf den Weg nach oben zu führen. Ihr Fazit nach zwei Jahren als Frau in Führungsposition: „Chancengleichheit, Potenzialerkennung und -förderung sind die Eckpfeiler für die Entwicklung von qualifizierten Führungskräften, egal ob weiblich oder männlich.“

STECKBRIEF

Mentoring-Programm „Aufstieg in Unternehmen“

  • positiv:Mentoring-Programm: Am zwölfmonatigen Mentoring-Programm „Aufstieg in Unternehmen“ können neue und zukünftige weibliche Führungskräfte aus Unternehmen und wirtschaftsnahen Institutionen in Mecklenburg-Vorpommern teilnehmen. Ziel ist es, den Anteil von Frauen in Führungsposition landesweit zu sichern und weiter zu erhöhen. Ergänzt wird das vom Ministerium für Soziales, Integration und Gleichstellung Mecklenburg-Vorpommern geförderte Projekt durch ein landesweites Seminarprogramm zu Führungsthemen sowie regionale Mentee-Stammtische und überregionale Netzwerk-Treffen.
  • positiv:Mentees: Um die entscheidenden Punkte für ihre persönliche Weiterentwicklung im Mentoring-Prozess zu kennen, sollten die Teilnehmerinnen über mindestens zwei Jahre Berufserfahrung verfügen und ein Jahr im Unternehmen sein.
  • positiv:Mentoren: Ein Jahr lang wird jede Mentee ehrenamtlich von einer erfahrenen männlichen oder weiblichen Führungskraft begleitet. Der Mentor oder die Mentorin kommt dabei stets aus einem anderen Unternehmen und einer anderen Branche. Dieser sogenannte Cross-Mentoring-Ansatz soll beim Querdenken helfen. Beide Seiten erleben so neue Impulse und Blickwinkel. Da kein Vorgesetztenverhältnis besteht, können die Mentees mit ihrem externen Mentor offen über ihre Karriereziele oder Probleme und Hürden im eigenen Unternehmen sprechen.
  • positiv:Weitere Infos unter: aufstieg-in-unternehmen.de

 

Ähnliche Programme in anderen Regionen

Vorteile für Arbeitgeber

Das bringt Mentoring für Frauen den teilnehmenden Unternehmen

1. Berufliche Förderung und Motivation von ambitionierten Mitarbeiterinnen

2. Nachhaltige Personalgewinnung und Nachwuchsförderung aus den eigenen Reihen

3. Effiziente und kostengünstige Maßnahme gegen Fach- und Führungskräftemangel durch das gezielte und bedarfsgerechte Entwickeln von qualifizierten Mitarbeiterinnen

4. Auf- und Ausbau von Know-how im eigenen Unternehmen

5. Positionierung als attraktiver Arbeitgeber durch innovative Personalentwicklung

6. Förderung von gleichstellungsorientierter Personalpolitik

7. Neue Impulse und Eindrücke aus anderen Unternehmen, kritischer Blick auf Strukturen und Abläufe im eigenen Unternehmen


Titelfoto: ©iStock/Nattakorn Maneerat