25.02.2011 - Petra Schäfer -8 MinutenArbeitswelt gestalten
Heinrich Deichmann, Chef des größten Schuhhändlers Europas, spricht im Interview über Ameisen als biblisches Vorbild, soziale Verantwortung und den Ehrgeiz ethnischer Minderheiten.
Faktor A: Herr Deichmann, Ihre Familie ist sehr gläubig. Auch im Unternehmen sind die christlichen Werte wichtig. Warum?
Heinrich Deichmann: Unser Unternehmensleitbild basiert auf Werten, die dem christlichen Glauben entspringen. Aber es verpflichtet Mitarbeiter nicht, diesen Glauben zu teilen. Wir haben Mitarbeiter aus allen Religionen und wir respektieren ihre religiösen Entscheidungen. Aber wir erwarten, dass sie sich mit den unternehmerischen Zielen identifizieren können.
Wie kommt der Werte-Kanon intern an?
Gut. Die Tatsache, dass wir von unserem sozial-karitativen Engagement berichten und Mitarbeitern ermöglichen, unsere Hilfswerk-Projekte in Indien, Tansania und Moldawien zu besuchen, führt dazu, dass sich viele noch stärker mit der Firma identifizieren.
Ist das gute Herz der Deichmanns nebenbei Ihre Art, Talente anzuwerben?
Damit Mitarbeiter anzuwerben, war nie die Absicht. Ich erlebe aber häufig, dass Bewerber gerne zu uns kommen wollen, weil sie wissen, ein Teil des Gewinns wird für gute Arbeit in der Dritten Welt ausgegeben.
Kommt Ihnen als Chef die christliche Prägung manchmal in die Quere? Ihr Leitbild „Das Unternehmen muss dem Menschen dienen“ könnte als Einladung zum Leben in der Hängematte verstanden werden.
Natürlich müssen Sie manchmal Entscheidungen treffen, die für das Ganze gesehen zwar richtig, für Einzelne aber unbequem sind. Wir sind Teil der sozialen Marktwirtschaft, dazu gehört auch Wettbewerb. Wenn man Preisführer sein will, muss man auch Kostenführer sein. Allerdings: Die christliche Botschaft ist keine Botschaft zum Faulenzen, ganz im Gegenteil: ’Gehe zur Ameise, Du Fauler, und lerne von ihr’, steht sinngemäß im Alten Testament.
Deichmann hat eine bunt gemischte Belegschaft. Setzen Sie bewusst auf Kräfte ausländischer Herkunft in Ihren Filialen?
Wir beschäftigen in Deutschland rund 600 türkischstämmige Mitarbeiter. Dazu kommen etwa 800 Mitarbeiter aus 79 Nationen. Damit gehören zehn Prozent unserer Belegschaft zu ethnischen Minderheiten. Alleine 100 Mitarbeiter mit ausländischem Pass sind Filialleiter.
Integration wurde nach der Buch-Veröffentlichung von Thilo Sarrazin sehr kontrovers diskutiert. Ist das Thema für Deichmann also gar nicht brisant?
Ich habe noch nie gehört, dass wir in dieser Hinsicht Probleme haben. Unsere Mitarbeiter ausländischer Herkunft haben sich exzellent integriert. Wir erleben bei ihnen häufig sogar eine besondere Motivation und großen Ehrgeiz. Sie wollen nach vorne kommen.
Wie sieht es auf der anderen Seite des Verkaufstresens aus?
Uns sind alle Kunden gleich lieb – wir haben in Deutschland mehr als 24 Millionen Kunden. Wir beobachten, dass viele türkischstämmige Menschen bei uns einkaufen.
Werben Sie für diese Kundschaft gezielt „passende“ Verkäufer an?
Die Gebietsleiter achten darauf, dass dort, wo es einen hohen Kundenanteil ethnischer Minderheiten gibt, entsprechende Mitarbeiter eingesetzt werden. Damit fällt es leichter, sich auf die Kundenbedürfnisse einzustellen. In unserer Filiale Kuhstraße in Duisburg arbeiten fast nur türkischstämmige Kollegen. In einer unserer Filialen in Gelsenkirchen stammt das Verkaufspersonal aus sechs verschiedenen Nationen.