03.06.2020 - Nadine Osterhues -6 MinutenArbeitswelt gestalten
Die Corona-Pandemie zeigt: Frauen stemmen die Krise. Sie arbeiten zum Großteil in den systemrelevanten Berufen. Nur schaffen sie es nicht, ihre Systemrelevanz zu Geld zu machen. Viele Frauen fühlen sich machtlos, wenn sie um Gehalt verhandeln – auch weibliche Führungskräfte. Wie es besser geht, erklärt Führungskräftecoach Claudia Irsfeld.
Faktor A: Ohne Frauen würde der Arbeitsmarkt zusammenbrechen. Dennoch verdienen sie im Schnitt 21 Prozent weniger als Männer, bekommen durchschnittlich 40 Prozent weniger Rente. Bei weiblichen Führungskräften liegt der Gap sogar noch weitaus höher. Was ist da los?
Claudia Irsfeld: Ja, Sie sprechen vom Gender Pay Gap und Gender Pension Gap, dem geschlechtsspezifischen Lohngefälle und der daraus resultierenden geringeren Rente. Frauen arbeiten mehr in Teilzeit, haben mehr Erwerbsunterbrechungen, sind weniger in Führungspositionen zu finden und wählen oft schlechter bezahlte Berufe bzw. Branchen. Gleichzeitig haben Ungleichbehandlung, Genderstereotypen und Verhandlungsverhalten Einfluss auf den Gender Pay Gap – der Gender Pension Gap ist das Resultat daraus. Mit diesem Hintergrund sagen einige, damit sei es die alleinige Verantwortung der Frauen, dass es diese Lücke gibt. Allerdings frage ich mich: Wer sagt, dass Frauen in Teilzeit arbeiten sollten und den Hauptteil der unbezahlten Care-Arbeit übernehmen? Warum bleiben vornehmlich Frauen zu Hause und gehen in Elternzeit? Warum sind Führungspositionen in Teilzeit nicht genauso normal wie in Vollzeit? Warum wird in Branchen, die eine hohe Fürsorge-komponente sowie einen hohen Frauenanteil haben, so gering bezahlt? Die aktuelle Diskussion ist genau richtig: Systemrelevante Berufe müssen anders – besser – bezahlt werden, und die Rollenbilder, die wir in den Köpfen haben, gilt es zu überprüfen.
Aber es gibt doch trotzdem Frauen, die angesichts dieser Tatsache noch sagen: „Finanzen sind nicht so mein Ding“?
In der Tat. Geld ist eines der letzten Tabuthemen und oft negativ belegt, und Gehaltsverhandlungen sind generell ein sensibles Thema. Nicht nur viele Frauen wurden in dem Glauben erzogen, „Geld stinkt“. „Wer über viel Geld verfügt, hat es geerbt oder auch unseriöse Geschäfte gemacht“ oder Ähnliches – dass es ein Resultat einer guten Leistung ist und Unabhängigkeit, Entscheidungsfreiheit und Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet, wird oft nicht gesehen. Das Tabu verändert sich zwar gerade, aber bei der Frage nach Einkommen und Vermögen nehmen die meisten – speziell in Deutschland – ein Blatt vor den Mund. Diese Haltung ist natürlich auch für Frauen nicht von Vorteil, wenn es um Gehaltsverhandlungen geht. In vielen Ländern gibt es schon jetzt mehr Transparenz, etwa in Schweden, wo alle steuerpflichtigen Einkünfte der Bürger abgefragt werden können.
Mit welcher Haltung gelingen Gehaltsverhandlungen denn? Reicht es, zu sagen: Laut Gehaltstabelle wäre es fair, mir so viel zu zahlen wie dem Kollegen X?
Es ist immer gut, bestens informiert zu sein. Das ist hilfreich, um zu wissen, wo man steht. Ich rate allerdings davon ab, die eigene Leistung mit der von Kollegen zu vergleichen. Vielmehr geht es darum, in einer Verhandlung über die eigene individuelle Leistung zu sprechen, die in der eigenen Position erbracht wird. Sofern jemand mit einem ähnlichen Hintergrund wie ich die gleiche Position mit den gleichen Verantwortlichkeiten innehat und mehr verdient, gilt es zu erfragen, was zu dieser Differenz führt. Wenn es keinen Unterschied gibt, besteht auch kein Grund für eine unterschiedliche Bezahlung.
Wie konkret sollte man im Gespräch werden?
Es ist wichtig, seine Erwartung zu benennen. Wenn es um Euros geht, dann sollte ich auch meine Forderung in Euros benennen. Wenn es um Weiterbildungen geht, dann sollte dies nicht nur vage, sondern konkret formuliert werden. Das Gleiche gilt für die Argumente, warum ich glaube, diese Gehaltserhöhung oder diese Zusatzleistung ist gerechtfertigt. Auch hier hilft es, sehr konkret und detailliert die eigene Leistung und Erfolge zu erläutern: dass man ein Projekt erfolgreich gelauncht hat zum Beispiel, dass man Weiterbildungskurse besucht und mehr Verantwortung übernommen hat. Aber, Achtung, hier stehen Frauen vor einem Dilemma: Wenn Männer dabei fordernd und selbstbewusst auftreten, wirkt das zielorientiert. Frauen wird oft Sympathie abgesprochen, wenn sie so auftreten. Hier hilft es Frauen, neben dem fordernden Verhalten zum Beispiel auch fürsorgliche Komponenten miteinzubringen. Ausschließlich männliches Verhalten eins zu eins zu übernehmen ist meist nicht zielführend.