Der Sitz des Unternehmens im hohenlohischen Forchtenberg.
Straffe Prozesse steigern den Ertrag
Von da an stand alles auf dem Prüfstand: Bereiche, Strukturen, Prozesse, Produkte, Kunden – nur die Mitarbeitenden nicht. Die Firmenchefin staunt noch immer: „Wie viel Geld durch Nichtbeachtung bestimmter Prozesse zum Fenster hinausgeworfen wird!“ Konkret heißt das bei Henkel: Jeder Arbeitsschritt, jede Investition, jede Innovation unterliegt seither dem strengen Blick der Geschäftsführung, nicht nur, um Kosten einzusparen. Susanne Henkel fragt immer auch: „Lohnt sich der Aufwand?“ Beispielsweise waren für ein Produkt sieben Einzelrüstvorgänge mit sieben Vorrichtungen notwendig. Die Chefin ersetzte diese durch einen Rüstroboter, der nicht nur alle Arbeitsschritte erledigt, sondern auch noch Platz einspart.
Zitat:„Eine Schicht reicht. Man hat nur ein Leben!“
Susanne Henkel
Hinzu kommt ein ausgetüfteltes Energie- und Umweltmanagement, das unter anderem dafür sorgte, dass die Firma fast ausschließlich in geschlossenen Kreisläufen arbeitet. „Am Schluss bleibt nichts übrig zum Wegwerfen“, sagt die Managerin und ergänzt: „Die Umwelt lächelt.“ Nicht nur die Abfall-, sondern auch die Energiekosten sanken. „Wir sind mittlerweile fast Co2-frei, ganz ohne Fotovoltaikanlage auf dem Dach. Es muss nur noch eine Heizung umgebaut werden, dann sind wir Co2-neutral.“ Der Ertrag steigt stetig ohne Umsatzwachstum – die Gewinne fließen ins Unternehmen und an die Mitarbeitenden. Ihr eigenes Gehalt ist seit 2001 eingefroren.
Reparaturen in Krisenzeiten
Schweißer, Metalltechniker, Näherinnen, Oberflächentechniker, Umwelt- und Qualitätsmanager arbeiten seither in nur noch einer Schicht. „Das reicht“, sagt Susanne Henkel. „Meine Mitarbeitenden haben Zeit für sich und die Familie. Man hat nur ein Leben!“ Das gilt für alle auch unter Corona. Der Oberflächenbereich, vor allem in der Luftfahrtbranche, brach ein. Dafür explodierte die Nachfrage nach Ersatzteilen für Liegen. „Bäder, Kliniken und Privatleute nutzten die Zeit, um aufzuräumen und zu renovieren“, sagt Susanne Henkel. In Krisenzeiten werde weniger gekauft, dafür mehr repariert. Überarbeiten statt neu kaufen – für Susanne Henkel ein Alleinstellungsmerkmal gerade in Krisenzeiten.
Stabilität und Veränderung sind für die Geschäftsführerin kein Widerspruch, sondern die Basis ihres Geschäftsprinzips. So wurde an der Form der Ruheliegen mit Schnurbespannung über die Jahrzehnte nichts verändert. Der Großvater entwickelte sie, nachdem er nach drei Herzinfarkten viel Zeit sitzend in Sanatorien verbringen musste. „Die Form, also gutes Sitzen und Liegen, geht nicht besser“, ist Susanne Henkel überzeugt. Die Optik hingegen unterliegt dem Trend. Als kürzlich ein junges Paar anrief, um die Armlehnen ihrer Erbstücke von 1950 austauschen zu lassen, gerieten die beiden aus dem Häuschen, als sie sich eine moderne Farbe aussuchen konnten. Sie wählten Rot. „Kann es eine stärkere Kundenbindung an ein Unternehmen geben als das Versprechen, jederzeit das passende Ersatzteil auf Lager zu haben?“, fragt die Geschäftsführerin.
Innovation statt Kurzarbeit
Der Verkauf neuer Ware und das Facelifting alter Liegen sowie firmenfremder Möbel halten sich bei Henkel derzeit die Waage. Doch der Trend geht mehr und mehr zum Auffrischen. Hier schlägt das Herz der Chefin. Sie beruft sich auf die Tradition des Unternehmens, das ursprünglich aus der Juteindustrie stammt. Schon damals lautete der Aufdruck auf den Säcken: Neu kaufen oder reparieren? Ob kleine Schraube oder tonnenschwere ausgediente Stanze: Susanne Henkel überlegt bei jedem Teil stets seinen Wert und den Nutzen, bevor es in Rente geht. Unter dem Titel „Lifecycle-Management“ gibt sie nicht nur ihr Wissen an Studierende umliegender Universitäten weiter, sondern auch eine Haltung: „Lifecycle-Management heißt, ein Produkt verantwortungsvoll bis zu seinem Ende zu betrachten. Es darf nicht zu Sondermüll werden.“ Auch privat verteufelt die 69-Jährige die Wegwerfmentalität: Sie sammelt Türen – viele davon 400 Jahre alt. Die zieren die Wände der Firma und des eigenen Wohnzimmers.
Kurzarbeit während Corona kam nicht infrage, stattdessen entwickelt sie ihre Mitarbeitenden zu „eierlegenden Wollmilchsäuen“: Wer gerade weniger zu tun hat, hilft in anderen Abteilungen aus. Oder Susanne Henkel spannt ihr Team für Innovationen ein. Stets ist sie auf der Hut: Wo geht etwas effizienter? Wo können wir noch ökologischer wirken? Um das zu erreichen, prüft sie ihre Kunden im Bereich Pulverbeschichtung auf Herz und Nieren. Gemeinsam mit ihnen stimmt sie im Vorfeld ab: Wo können wir chemische Verfahren und Verpackungsmüll vermeiden? Welche neuen Materialien können wir ausprobieren, die leichtgewichtiger sind, Transportkosten und Energie einsparen? Ohne Absprache und Transparenz kein Vertragsabschluss. An Zielen mangelt es Susanne Henkel nicht: Als nächstes steht die Co2-Freiheit an erster Stelle.