Wieviel „Ich“ braucht meine Marke?

Zu einem guten Employer Branding gehört auch immer die Marke Ich. Ein guter Social-Media-Auftritt ist für den Unternehmer Stefan Lemcke fast so wichtig geworden wie das Produkt an sich.


16.01.2019 - Esther Werderinghaus -3 MinutenArbeitswelt gestalten

Zu einem guten Employer Branding gehört auch immer die Marke Ich. Wer im Social-Media-Bereich präsent ist, schärft das Profil seines Unternehmens. So war es auch für Stefan Lemcke vom Gewürzhandel Ankerkraut. Storytelling und Contentpflege ist für den Unternehmer fast so wichtig geworden wie das Produkt an sich.

„Ich bin eigentlich nicht der Typ, der sich gern in den Vordergrund stellt. Früher dachte ich immer, es liegt mir nicht, vor laufenden Kameras zu sprechen, Vorträge zu halten oder mich auf einer Preisverleihung filmen zu lassen. Hätte man mir damals gesagt, dass meine Frau und ich einmal so bekannt werden, hätte ich gedacht: Wieso denn, es geht doch ums Produkt! Heute weiß ich, wie sehr es uns geholfen hat, bei unserer Marketingstrategie weit über den Tellerrand hinauszuschauen.

Den User auf eine Reise mitnehmen

Mit unserem Webshop Ankerkraut vertreiben wir Gewürze und Mischungen ohne Zusatzstoffe: Madagaskar-Vanille, fermentierter Pfeffer, Steak-Finisher, Grillmarinaden … Wir greifen einen Markt an, der bisher wie ein Monopol funktionierte. Für uns ist es daher umso wichtiger, Aufmerksamkeit zu erregen, sonst geht das Produkt unter. Bis wir uns vor Kurzem eine PR-Agentur ins Boot holten, waren meine Frau und ich Geschäftsführer, Manager und Marketing-Social-Media-Logistik-Team in einem. Über Facebook, Instagram, Youtube und Twitter gaben wir den Leuten Geschichten zum Anfassen, Erleben, Lesen, Sehen und Hören. Wir nahmen sie mit auf Reisen: zum Beispiel nach Namibia, wo wir uns mit einem Kamerateam beim Kennenlernen der Landesküche filmen ließen. Oder wir ließen uns beim Pfeffereinkauf auf einer Farm in Kambodscha begleiten. All das ist Transparenz, verquickt mit einer sehr persönlichen Note.

Transparenz zeigen

Wir erzählen auch von uns. Etwa, dass ich als Sohn eines Entwicklungshelfers einen großen Teil meiner Kindheit in Tansania verbracht habe und wie das für mich war. So wird Stück für Stück deutlicher, welchen Bezug wir zu unserem Produkt haben.

Ankerkraut Stefan Lemcke Storytelling
© Ankerkraut - „Früher hatte ich keine Lust, mich zur Schau zu stellen. Mittlerweile ist es für mich ganz normal“, sagt Stefan Lemcke von Ankerkraut.

Auf Initiative meiner Frau, die von Anfang an offensiver mit dem Thema Selbstvermarktung umgegangen ist, haben wir uns irgendwann bei der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ beworben. Die Sendung hat eine hohe Einschaltquote, und kaum waren wir zu sehen, stiegen unsere Online-Verkäufe. Mehr als 30.000 Menschen waren gleichzeitig auf unserem Online-Shop. Meine Frau postete einen Screenshot der Zahl auf Facebook. In nur wenigen Sendeminuten hatten wir über 100.000 Euro verdient. Mittlerweile werden wir auch am Flughafen erkannt, und manche Leute wollen Selfies mit uns machen. Vielleicht kamen wir einfach nett und authentisch rüber.

Das richtige Maß finden

Nicht jeder muss im Fernsehen auftreten, überall im Netz präsent sein und Autogramme geben, um gut im Selbstmarketing zu sein. Das ist Unsinn. Aber als Führungskraft muss man einfach ein bisschen Selbstbewusstsein zeigen und zumindest ein wenig von sich preisgeben. Sonst erkennen einen die Leute nicht – und damit bleibt das Produkt im Verborgenen.

Zitat:

"Ein wenig Extroverthierheit hilft schon"

Mittlerweile wurde die Pflege unserer Kanäle zeitlich so anspruchsvoll, dass wir eine PR-Agentur beauftragt haben, die unser Profil schärft und fragt: Welche Zielgruppe haben wir? Als was sehen wir uns? Für was stehen wir? Wie gehen wir vor, damit TV-Shows und Presse auf uns aufmerksam werden?

Ein wenig Extrovertiertheit hilft bei all dem natürlich schon. Ich wollte das mit dem Fernsehen damals nicht. Ich hatte keine Lust, mich zur Schau zu stellen, aber wir haben es gemacht – und ich habe mich daran gewöhnt.
Früher hätte ich eine Nacht davor geschwitzt, heute ist es normal geworden. Es macht mir sogar Spaß. Meine wichtigste Erkenntnis: Ich hätte nie gedacht, dass unsere Geschichten Menschen so mitreißen können.“


Titelfoto: © businessmanleaderconcept/Getty