02.05.2012 - Agnes Fazekas -6 MinutenArbeitswelt gestalten
Die Münchener Jungunternehmerin Susann Schleif fand ihre Lebensaufgabe im Gespräch mit Kolleginnen. Ihre Kindertagesstätten "Elly und Stoffl" treffen den Nerv der Zeit.
Die internationale Kundschaft ist anspruchsvoll, sie hat Geld, nimmt gerne mal die hauseigene Sauna in Anspruch und manchmal bekommt sie einen Heulkrampf. Die jüngsten Gäste von Elly & Stoffl sind gerade einmal drei Monate alt. Ihre Eltern haben ihnen einen Platz in einer von sieben Nobel-Tagesstätten in München gebucht. Zum Beispiel in einem alleinstehenden Haus im Süden der Stadt mit der Anmutung einer Puppen-Villa: viel Pastell und gezimmerte Balustraden. Im eigenen Restaurant wartet ein Koch in schwarz-roter Livree, er kredenzt Nudeln mit Pilzsoße an geriebenen Karotten. Alles bio – müßig zu fragen.
Ein solcher Krippenplatz kann im Monat zehn Kindergelder kosten: für 40 Wochenstunden Rundumversorgung, Abholservice, Kneipp-Kuren und ein von der Unesco empfohlenes Frühförderungsprogramm. Nebenbei lernt das Kind Englisch oder Französisch, führt naturwissenschaftliche Experimente durch oder entspannt sich bei der Farbtherapie im kuschligen „Snoezelenraum“. Wer sich so ein Konzept ausdenkt, könnte man denken, hat selbst mit vergoldeten Lego-Steinen gespielt. Denn Klavierunterricht, Schauspielschule und Schwimmkurs – das braucht doch kein Kind. Oder?
Auf Vorurteile wie die von den vergoldeten Lego-Steinen reagiert Susann Schleif empfindlich. „Intensive Betreuung hat nichts mit Luxus zu tun, darauf sollte jedes Kind ein Anrecht haben.“ Natürlich: Dass bei Elly & Stoffl drei Erzieherinnen pro Gruppe arbeiten und nicht nur zwei, kostet Geld. Und auch Klavierunterricht, Schauspielschule und Schwimmkurs gibt es nicht umsonst. Doch zumindest von teurem Edel-Spielzeug und falschem Leistungsdruck hält die 32 Jahre alte Betriebswirtin und überzeugte Pädagogin gar nichts: „Es geht darum, jedes Angebot auf das Bedürfnis des einzelnen Kindes abzustimmen, und nicht darum, irgendeinem Ideal hinterherzujagen. Kinder müssen sich geborgen fühlen, das ist unser wichtigstes Ziel. Und ich bin froh, wenn wir dafür mehr tun können als andere.“ Bis es aber so weit war und sie ihren Traum von der Unabhängigkeit verwirklichen konnte, musste Susann Schleif hart kämpfen. Eineinhalb Jahre hat sie sich durchgebissen, „sich in verstaubte Behördenpapiere eingelesen“, Banken abgelaufen, nach geeigneten Häusern gesucht, bis die beste Freundin sagte: „Tu dir das doch nicht an, mach lieber was Leichtes, eröffne ein Restaurant oder so.“