Was macht ein gutes Meeting aus?

Karin Lausch kennt sich aus mit Meetings. Als Agile Coach und Organisationsberaterin, Autorin und Speakerin begleiten sie ihren Arbeitsalltag. Damit diese nicht zur Zeitverschwendung werden, befolgt sie wertvolle Tipps für effizientere Meetings.


07.12.2022 - Sebastian Keil -1 MinutenArbeitswelt gestalten

Karin Lausch kennt sich aus mit Meetings. Sie hat über 15 Jahre Erfahrung in den Bereichen Personal- und Organisationsentwicklung, ist Executive Coach und Organisationsberaterin, Autorin und Speakerin. Sie beschäftigt sich mit Themen wie Zukunft der Arbeit, New Leadership und New Work, Agilität, Kommunikation und lebenslangem Lernen. Im Faktor-A-Podcast erzählt sie von ihren Erfahrungen mit zeitfressenden Scheinmeetings und was es braucht, um Meetings effizienter zu gestalten.

 

Karin Lausch kennt sich aus mit Meetings. Sie hat über 15 Jahre Erfahrung in den Bereichen Personal- und Organisationsentwicklung, war davon zehn Jahre im Finance-Bereich, unter anderem bei comdirect und der Commerzbank.

Seit 2015 ist sie Executive Coach und Organisationsberaterin und begleitet Unternehmen in Transformationsprozessen. Außerdem arbeitet sie als Autorin und Speakerin. Das klingt nach einer Menge Meetings, im kleinen und größeren Kreis. 

Seit 2019 ist Karin Lausch bei der Techniker Krankenkasse, zunächst als Agile Coach, derzeit als Führungskräfteberaterin – also auch viele One-on-Ones.

Karin beschäftigt sich mit Themen wie Zukunft der Arbeit, New Leadership und New Work, Agilität, Kommunikation und lebenslangem Lernen.

Heute wollen wir mit ihr etwas genauer über Meetings sprechen. Herzlich willkommen, Karin Lausch!

Sebastian Keil: Herzlich willkommen, Karin.

Karin Lausch: Hi, Sebastian.

Sebastian Keil: Schön, dass du da bist.

Karin Lausch: Ja, finde ich auch. Vielen Dank.

Sebastian Keil: Das Thema Meetings heute, über das wir sprechen wollen. Wie kommt es eigentlich, dass wir Meetings haben? Das ist ja nicht immer so gewesen und vielleicht heute auch deutlich anders als vor 20, 30 Jahren.

Karin Lausch: Das ist eine total interessante Frage. Da muss ich unbedingt mal nachlesen, wie es eigentlich dazu gekommen ist. Aber ich hätte eine These, oder ich habe zwei Hypothesen, vielleicht. Das eine ist, Meetings sind ja nicht grundlegend etwas Schlechtes und auch nichts grundlegend Gutes. Man muss immer genau hingucken. Und ich glaube schon, dass sie aus einem guten Gedanken ins Leben gerufen worden sind. Und da fallen mir zwei Dinge ein: Das eine ist, es braucht ja irgendwie ein Gremium, um Entscheidungen zu treffen. Also dieses Zusammenkommen und Entscheidungen treffen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass Meetings daraus historisch entstanden sind und Kollaboration, sich zu treffen und gemeinsam an etwas zu arbeiten, gemeinsam auf etwas rumzudenken. Auch der Workshop an sich ist ja eigentlich auch ein Meeting, wo das passiert. Das könnte ich mir auf jeden Fall vorstellen, dass es sich dadurch etabliert hat. Aber wie bei allem ist natürlich eine Übertreibung, oder wenn etwas inflationär genutzt wird, dann irgendwann nicht mehr sinnvoll. Und das könnte der Werdegang des Meetings sein.

Sebastian Keil: Das ist total spannend, glaube ich. Weil, wenn man vorher weiß, was das für ein Meeting wird, dann ist vielleicht die Dauer viel kürzer oder der Prozess dahin ganz anders. Früher war das ja so, die Entscheidungen werden ganz oben gefällt. Und dann? Muss man damit leben. Und ich glaube heutzutage in der agilen Welt, wo Arbeitnehmer vielleicht auch mehr Mitspracherecht haben, ist das dann anders. Ein guter Einwand.

Karin Lausch: Und du hast weniger Kontrolle. Fällt mir so ein, wenn ich dir zuhöre. Du hast natürlich auch weniger Kontrolle darüber, was passiert, weil eben in einem Meeting durch diese Kollaboration auch Dinge entstehen. Und viele vergessen darüber hinaus auch in agilen Prozessen, wie wichtig es ist, das trotzdem zu steuern.

Sebastian Keil: Ja, guter Punkt, wenn du das so sagst. Die erste Reaktion ist natürlich, das auch zulassen zu können. Und es ist ja auch wichtig, dass die Arbeitnehmer zu ihrem, dass das Team zu einem Ergebnis kommt. Aber die Agenda und auch die Moderation ist da, glaube ich, ein wichtiger Punkt. Was ist denn für dich ein, ich sage mal, ein gutes Meeting?

Karin Lausch: Ein gutes Meeting ist, wenn ich vor dem Meeting weiß, warum ich dabei bin. Wenn ich vor dem Meeting weiß, wer ist der oder die Owner des Meetings? Also wer hat Verantwortung und übernimmt eben auch diese Steuerung, damit wir, und das ist der dritte Punkt, zum Ziel des Meetings kommen? Also was ist eigentlich das Ziel des Meetings? Und wenn dann diese drei Faktoren im Meeting greifen, das ist ein gutes Meeting. Wenn es also eine oder einen Owner gibt, die dafür sorgen, dass dieses Ziel, das definiert ist, erreicht wird, also der Fokus da ist. Und wenn die Anwesenden auch was beizutragen haben.

Sebastian Keil: Ich tu jetzt mal so und male eine Rolle. Und sage, das klingt wahnsinnig kompliziert. Das klingt so, als würden ungefähr 5 % der Meetings gute Meetings sein.

Karin Lausch: Ja, ich unterstelle, dass das auch so ist. Ganz genau. Und es ist gar nicht so kompliziert. Ich glaube, ehrlich gesagt, was wir tun, ist viel komplizierter oder komplexer. Ich würde sagen, es ist komplexer, undurchsichtiger, fast schon Chaos. Also, wenn ich mir so angucke, wie Meetings ablaufen, dann sitzen ganz oft unwissende Kollegen und Kolleginnen miteinander in einem Meeting. Es ist so ein bisschen wie ins Boot steigen und erst mal losfahren, aber noch nicht wissen, wohin. Und die Strömung, die wird sich dann schon ergeben. Und das hat ganz viel mit Orientierungslosigkeit zu tun. Und der Gedanke „Ich sitze gerade in einem sinnlosen Meeting und ich könnte die Zeit doch so gut nutzen.“, den denken wahrscheinlich 90 % von Mitarbeiterinnen in Deutschland jeden Tag, wenn sie im Meeting sitzen. Aber sie sagen es nicht, weil man das eben nicht macht. Das ist so eine ungeschriebene Regel. Das hat sich so etabliert, also wird es ausgesessen. Als würde ich ins Theater gehen und nach fünf Minuten feststellen, dass es eine richtig schlechte Vorstellung ist. Aber ich habe ja schon bezahlt, also bleibe ich einfach drin.

Sebastian Keil: Von den drei Dingen, die du gesagt hast, die das Meeting braucht, also einen Owner, ein Ziel und eine Agenda. Würdest du sagen, ein Meeting muss immer ein Ziel haben? Wahrscheinlich schon. Selbst wenn das Ziel nicht eine Entscheidung ist. Aber braucht man von den drei Dingen eins mehr als das andere?

Karin Lausch: Ich glaube, man braucht immer alle drei und eins mehr als das andere. Finde ich ganz schwierig zu sagen. Das ist, glaube ich, individuell. Also ich nehme mal jetzt ein Beispiel – kennen wahrscheinlich auch viele – ein Daily. Das Daily kommt ja eher aus der agilen Arbeitswelt und das hat sich inflationär über alle Teams in deutschen Unternehmen drübergelegt. Das heißt, es gibt Teams, die machen Dailys, aber der eigentliche Sinn und Zweck eines Daily wird ganz oft gar nicht mehr erfüllt. Nämlich die Arbeit hängt zusammen und ist voneinander abhängig – der verschiedenen Teammitglieder – und wird dabei synchronisiert, sondern ein Daily wird zum Kaffee-Austausch. „Oh, was hast du heut so vor?“, „Was machst du heute so?“ – und ich finde das kann man tun. Also bitte nicht falsch verstehen, auch da wieder netzwerken. Gerade in Zeiten von Remote Work oder Distributed Work ist natürlich das Socializing total wichtig. Aber dann sollte es bitte auch als solches gekennzeichnet sein. Dann muss es auf freiwilliger Basis stattfinden, dann ist es kein Daily, sondern dann treffen wir uns, um einen virtuellen Kaffee zu trinken und das ist schon das Ziel. Dann habe ich schon ein Ziel formuliert. Und wenn es dann noch jemanden gibt, der dafür sorgt, dass das Meeting stattfindet und dass dieses Ziel auch klar ist, dann habe ich den Owner oder die Ownerin auch gleich. Und natürlich gibt es dann in so einem Fall keine wirkliche Agenda, außer dass wir uns austauschen. Aber das ist dann ja auch eine Agenda.

Sebastian Keil: Danke, dass du das mal so aufgedröselt hast.

Karin Lausch: Ja, weil gerade da denkt dann keiner dran. Und das ist aber ein super Zeitfresser. Also wenn ich jeden Tag eine halbe Stunde damit verbringe, mit dem Team zu sein, aber unfreiwillig und es ist nicht als solches gekennzeichnet, dann wird das ja irgendwie zum Scheinmeeting.

Sebastian Keil: Ja, tägliches Kaffeetrinken zusammen ist natürlich auch vielleicht ein bisschen too much. Also nicht wegen des Kaffees, sondern weil es einfach natürlich eine Menge Zeit frisst, wie du gerade gesagt hast. Wer dich kennt, der weiß, dass du dich mit Meetings mehr beschäftigt hast. Und deswegen haben wir dich ja auch eingeladen. Du hast schon einen Punkt gesagt, nämlich, dass man in Meetings, die einem vielleicht nicht sinnvoll vorkommen, das auch sagen soll. „Warum bin ich eigentlich hier?“ „Was machen wir eigentlich?“ Was sind dann noch so andere Punkte, wo du sagst, da können wir aktiv werden und andere Dinge anmerken oder verbessern?

Karin Lausch: Genau, eine zweite Sache ist eben wirklich dieses Owner:in, Ziel, Agenda. Das ist immer so ein Leitspruch von mir, dass ich sage, diese drei Punkte, die muss es irgendwie geben. Und ich sage immer, was jetzt so das Ziel angeht, wirklich erst denken, dann meeten. Also erst mal überlegen, wofür wäre jetzt ein Meeting gut? Und dann, wenn ich dazu komme, dass Sinn und Funktion des Meetings gegeben sind, dann kann ich das Meeting terminieren. Und was auch ein riesen Punkt ist – und der führt, glaube ich, auch dazu, dass eben viele im Meeting sitzen und sich fragen „Was mache ich jetzt eigentlich?“ – ist der Teilnehmenden-Kreis. Meetings werden teilweise auch aufgepumpt, also es finden einfach Meetings statt mit extrem vielen Teilnehmenden. Und wenn man sich da mal so die Zeit nimmt, im Meeting mal zu gucken, wie viel kosten die Teilnehmenden jetzt eigentlich diese Stunde, die wir hier zusammensetzen?  Da kommen wirklich horrende Summen zusammen und das kostet ein Unternehmen einfach wirklich Geld. Also ist mein Tipp an der Stelle wirklich noch einmal zu überlegen, wer muss jetzt zwingend dabei sein?

Sebastian Keil: Da habe ich jetzt zwei Gedanken mitgenommen. Der eine schließt sich da direkt an, denn einer der beliebtesten Sprüche im Internet ist ja: This meeting could have been an e-mail. Und jetzt sagst du ja, lieber weniger Leute in das Meeting einladen. Ich würde mal sagen, der Grund, warum die meisten Meetings mehr Leute drin haben, als eigentlich für die Entscheidungen oder für das Tun nötig sind, ist ja, damit diese Person nachher auch informiert ist und sagen kann, ja, genau. Also entweder kann der Owner sagen „Ja, du warst auch dabei, hast du doch gesehen.“ Oder sogar „Du warst an der Entscheidung am Ende beteiligt.“, obwohl die Person vielleicht einfach nur dabei gesessen hat. Wie kann man das denn üben, dass man sagt, okay, wir haben hier ein Meeting, ich lade dich nicht ein, aber du kriegst hinterher eine E-Mail. Wie kommt man da hin?

Karin Lausch: Ich glaube, es hilft an der Stelle natürlich auch, da noch mal Funktion und Sinn deutlich zu machen. Also Kommunikation hilft ja an allen Stellen, auch schon vor dem Meeting, nicht nur danach. Und indem man es einfach macht. Also es ist ja kein Statussymbol, zu einem Meeting eingeladen zu werden, aber teilweise ist es das vielleicht ja doch. Also wichtige Entscheider müssen irgendwie dabei sein. Und da würde ich immer sagen nee. Wer ist jetzt eigentlich wirklich daran beteiligt, dass eine Entscheidung getroffen werden kann? Wer ist wirklich daran beteiligt, in einem gewissen Thema weiterzukommen? Und alle anderen, die nicht maßgeblich daran beteiligt sind, aber vielleicht Bescheid wissen müssen, nämlich Schnittstellen, beispielsweise Stakeholder:innen, die müssen dann im Nachgang informiert werden. Und dann komme ich natürlich schnell zu dem Gedanken, genau wie du sagst, kann nicht eigentlich das ganze Meeting eine E-Mail sein? Also braucht es da überhaupt eine Entscheidung oder braucht es wirklich nur Information? Und das gehört für mich zur Vorbereitung des Meetings. Treffen wir Entscheidungen, wollen wir, dass nach dem Meeting was anders ist als vorher? Oder geht es nur darum, Informationen zu senden?

Sebastian Keil: Ich hoffe, das ist jetzt nicht als leading question rüber gekommen, aber wo du das sagst – Vorbereitung des Meetings – das kennst du vielleicht auch aus deinem Berufsalltag. Oftmals ist es ja so, jemand beschließt, es müsste ein Meeting dazu geben und dann wird dieses Ding eingetragen und dann kommen die Menschen dahin. Aber wenn es keine Agenda gibt, dann kann man sich auch nicht vorbereiten.

Karin Lausch: Ganz genau.

Sebastian Keil: Und wenn man den ganzen Tag nur Meetings hat, dann kann man Meetings nicht vorbereiten und dann kann man sie auch nicht nachbereiten. Und diese E-Mail, die Information sein könnte, die kann man gar nicht schreiben, weil man sofort schon im nächsten Meeting hängt.

Karin Lausch: Genau. Und das bringt mich ein bisschen zu dem letzten Punkt, der auch sehr, sehr wichtig ist, nämlich asynchron arbeiten. Das müssen wir erst mal lernen, habe ich das Gefühl. Also, wir haben das Gefühl, dass wir immer synchron zusammenkommen müssen, um uns über Themen auszutauschen. Und das ist auch etwas, das kann man mit digitalen Tools ja wirklich wunderbar asynchron tun. Und zu unterscheiden, wo braucht es jetzt eigentlich ein synchrones Meeting, wo müssen wir zusammenkommen und wo können wir aber auch asynchron an etwas arbeiten und uns Kommentare hinterlassen und so miteinander in den Austausch gehen? Beispielsweise, weil wir gemeinsam eine Präsentation oder irgendeinen Inhalt erarbeiten, den wir dann iterativ, asynchron, je nachdem, wann jemand auch Zeit hat, bearbeiten. Und es braucht kein Meeting. Ich kann mir diese Zeit selber einteilen. Ich kann selber gucken, wann das jetzt passt, und auch, wie viel ich beitragen kann. Das müssen wir erst mal lernen und da hilft tatsächlich ausprobieren und machen. Und der Kalender, genau wie du sagst, ist voll mit Meetings, weil einfach immer neue Meetings dazukommen und die Einladungen für Meetings auch einfach kommen, ohne jegliche Erklärung. Also da hat man ja dann einfach Einladungen und Besprechungsanfragen in der Mailbox, die überhaupt nicht weiter erläutert sind. Und spätestens da empfehle ich jedem, wenn ich so eine Einladung bekomme, zu hinterfragen, was ist denn das? Und nicht einfach zuzusagen. So nach dem Motto „Ach ja, ich bin irgendwo eingeladen, da gehe ich mal hin“. Tatsächlich Informationen zu holen, die es vorher braucht, um zu entscheiden, ob ich da wirklich notwendig bin.

Sebastian Keil: Ja, da war ich selber auch schon schuldig. Ich habe selber schon eingeladen und dann habe ich E-Mails bekommen „Kannst du mir kurz sagen, worum es in diesem Termin geht?“ Also gerade wenn es so kryptische, verkürzte Sachen sind, wo vielleicht auch neue Kolleg:innen das noch nicht wissen können, was das so für Termine sind.

Karin Lausch: Das ist super. Neue Kolleg:innen hinterfragen ja auch alles. Eigentlich ein großer Schatz, um mal darüber nachzudenken, ob das noch so sinnvoll ist. Aber genau, es ist eben auch wenig Zeit im Alltag und dann haut man mal eben so eine Besprechungsanfrage raus. Aber dann ist natürlich für alle Teilnehmenden erstmal nicht transparent, ist das überhaupt sinnvoll? Und was sich aber eingeschlichen hat als ungeschriebene Regel ist eben, dass man dann einfach zusagt, sagt, das ist so, das sind so die informellen Regeln, die nirgendwo stehen, aber man macht es einfach, weil man das eben so macht. Und dann ist der Kalender natürlich schnell extrem überfüllt.

Sebastian Keil: Finde ich total gut. Du hast gerade Besprechungsanfrage gesagt. Das ist ja was anderes als eine Meeting-Einladung. So eine Einladung ist ja „Oh, wow. Ich bin eingeladen. Da muss ich ja dann hin, wenn mir schon jemand eine Einladung schickt.“ Die Besprechungsanfrage ist eher „Ich habe da ein Bedürfnis und vielleicht kannst du dich auch darauf einlassen, dieses Bedürfnis mit mir zu teilen.“ Das andere, was ich vorhin fragen wollte, bei mir ist es so in der Firma, wir sind jetzt im Moment wieder mehr, aber wir waren ja quasi zwei Jahre in Remote Office. Wir haben es sehr lange durchgezogen und da sollte man ja eigentlich meinen, dass man Zeit hatte, das Thema Meeting zu üben. Würdest zu sagen, das ist passiert und genutzt, oder würdest du sagen, nein, im Gegenteil. Dadurch, dass man sich nur noch gemeetet hat, quasi, telefonieren heute kennt man ja eigentlich gar nicht mehr. Ist es noch viel schlimmer geworden?

Karin Lausch: Also, was ich auf jeden Fall wahrnehme, ist schon so eine teilweise Verrohung in den Verhaltensweisen, die man so miteinander hatte im Meeting. Das liegt einfach an der Remote Work, wie du schon sagst. Da gibt es so ein paar Dinge, die würden wir, glaube ich, niemals tun, wenn wir in einem Raum in Präsenz zusammen wären. Beispielsweise nebenbei sich mit anderen Dingen beschäftigen, ist in den Remote Meetings natürlich viel einfacher. Wir würden auch nicht in dem Meeting, wenn wir in einem Raum zusammensitzen, würde ja niemand sein Handy rausholen und nebenbei chatten. Das ist aber etwas, wenn wir mal ehrlich sind, was natürlich in Remote Meetings, also diese Schattenkommunikation, sich echt etabliert hat und auch wirklich ein Problem ist. Wir würden auch im echten Leben niemals von Meeting zu Meeting hetzen. Also so, ich gehe raus aus dem Meeting, ich spring rein in das Meeting, sondern es hätte immer eine natürliche Pause. Und wenn es nur der Weg ist von einem Büro zum nächsten. Also von daher haben sich ganz natürlicherweise Dinge eingeschlichen, die wir niemals getan hätten, wenn wir alle in einem Raum zusammensitzen würden. Parallel haben sich aber auch Dinge etabliert und entwickelt, die niemals gegangen wären, wenn wir alle immer nur zusammen in einem Raum sitzen würden. Und das ist nämlich, dass deutlich mehr Fokus da ist in Meetings, in Remote Meetings, deutlich mehr als in Meetings, die im Präsenz stattfinden. Das ist was Gutes, heißt aber gleichzeitig auch – das habe ich vorhin gesagt – dass Socializing super wichtig wird und das eben auch irgendwie Raum haben muss. Und das aber nicht im Meeting, sondern in anderen Formaten, die ich mir als Team setze, weil das in den Meetings, das, was wir früher so in Präsenz in einem Raum auch an Socializing hatten, die netten kleinen Gespräche, bilateral an der Seite stehend, am Tisch, bevor das Meeting losgeht oder so, das findet jetzt ja nicht mehr statt. Und das ist natürlich total wichtig für so ein Team und dafür braucht es jetzt andere Räume. Aber das Gute ist, dass Meetings viel fokussierter laufen, würde ich mal sagen. Und von daher gibt es, wie bei fast allem, ja so ein paar Marotten, die sich eingespielt haben, aber auch Dinge, die sich wirklich gut entwickelt haben und von denen wir uns etwas abgucken sollten, wenn wir dann wieder mal Meetings haben, die in Präsenz stattfinden.

Sebastian Keil: Letzte Frage zu den Meetings. Viele Meetings sind im Moment remote und per Video. Gibt es da dieselben Rollen, die Menschen einnehmen wie in den Präsenz Meetings oder nehmen Menschen da noch andere Rollen ein?

Karin Lausch: Ja, ich habe mir ja über Rollen in Meetings viele Gedanken gemacht. Ich nenne das Spiele, die wir auch in Meetings spielen. Und das wird auch jeder und jede kennen, der jetzt zuhört, dass in Meetings verschiedene Personen in verschiedene Rollen schlüpfen. Und da haben wir auch so ein paar Rollen definiert, wie beispielsweise, alles wird von jedem gesagt, also alles ist schon mal gesagt worden, aber noch nicht von jedem. So könnte ich es auch formulieren, also dieses Spiel des Repeatings, das jede und jeder noch mal wiederholt, was schon gesagt wurde, aber mit anderen Worten. Das ist so ein Spiel, das ist so ein in-die-Länge-ziehen des Meetings. Dann gibt es aber auch, wir nennen das die Hummel, die Hummel, die im Meeting sitzt, Stift-klickend, Bein-dribbelnd, immer auf die Uhr guckt und es einfach total eilig hat und der das alles nicht schnell genug geht. Innere Unruhe und schnell machen ist jetzt irgendwie auch wichtiger als inhaltlich weiterkommen. Das ist auch beispielsweise eine sehr etablierte Rolle. Und vielleicht, um jetzt einfach noch mal ein Beispiel zu nennen, so das Alphatier, das sich Raum nimmt, sowohl räumlich als auch zeitlich und viel spricht, viel Redezeit beansprucht, ohne wirklich Inhalte anzubieten, um einfach selber sich den Raum zu nehmen, damit das vielleicht unangenehme Thema des Meetings gar nicht so viel Raum hat. Und das sind alles so Konstellationen und kommunikative Spiele, die wir ganz unbewusst miteinander spielen. Man kann auch nicht nicht mitspielen, das funktioniert nicht. Man ist ja sofort irgendwie in der Interaktion. Und ein Spiel, das eben, das habe ich gerade schon erwähnt, dadurch auf jeden Fall stärker zugenommen hat, so gesehen eine Rolle, ist diese Schattenkommunikation. Also, dass einige Teilnehmende im Meeting sich sozusagen gedanklich aus dem Meeting rausziehen und das Meeting kommentieren. Also eine Parallelwelt, die sich aufmacht, aber nur für einige, die Informationen austauschen, die die anderen nicht haben. Und das klingt erst mal nach einer nervigen Situation, hat es aber wirklich in sich, weil das so ein bisschen auch ein Kultur-Killer sein kann, weil eben nicht mehr alle die Informationen oder den Sachverhalt, um den es gerade geht, transparent vor Augen haben. Und wenn du jetzt dir vorstellst, du versuchst gerade irgendwie mit einem Team zu arbeiten, in einer Remote Situation oder in einer Hybrid Situation, und einige machen ihren vielleicht Ärger nicht öffentlich, sondern teilen ihn nur mit ausgewählten nebenbei, dann hat das Team gar keine Chance, diese Störung zu bearbeiten. Die bleibt da. Und das ist etwas, das hat stark zugenommen.

Sebastian Keil: Okay, ich hatte schon Umgebungen, wo es eine kein-Handy-Policy gab, in Präsenz Seminaren. So, das ist, glaube ich, muss ich mich ein bisschen zurückerinnern an die Zeit, wo es das nicht gab diese Schattenkommunikation. Wobei vielleicht früher die Schattenkommunikation eher war, du musst noch Reis mitbringen, oder so was.

Karin Lausch: Ja, ich glaube die Zeit, das kenne ich natürlich auch noch, dass in Präsenz Meetings dann natürlich viele Handys rumlagen. Da haben aber die Teilnehmenden, was natürlich auch nicht gut ist, die Zeit genutzt, weil wahrscheinlich das Meeting nicht sinnvoll war, um E-Mails zu schreiben nebenbei. Die haben aber einfach wirklich andere Kontexte bearbeitet. Was ich meine mit dieser Schattenkommunikation, ist wirklich das Teilnehmende eines Meetings, den Kontext des Meetings miteinander bearbeiten und andere davon nichts wissen. Das ist eher so was. Da muss man einfach drauf achten. Wofür mache ich jetzt ein Remote Meeting und wofür ist es sinnvoll, vielleicht aber auch in Präsenz zusammenzukommen?

Sebastian Keil: Super, wow, wir haben ganz viel gesprochen. Die Zeit ist verflogen. Vielen Dank bis hierhin. Ich habe dir vorher nicht gesagt, dass ich noch ein paar Rapid-Fire-Fragen am Ende habe.

Karin Lausch: Oha.

Sebastian Keil: Das schieße ich jetzt schnell mal mit los. Okay. An meinem Job Mag ich am meisten, dass?

Karin Lausch: Er jeden Tag anders ist und ich noch nicht weiß, was auf mich zukommt.

Sebastian Keil: Im Berufsleben hätte ich gern von Anfang an gewusst, dass?

Karin Lausch: Meetings nicht immer sinnvoll sind.

Sebastian Keil: Und meine beste Freundin oder mein bester Freund sagt über mich, dass?

Karin Lausch: Ich nicht immer so selbstkritisch sein soll.

Sebastian Keil: Vielen Dank, Karin. Das hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht. Die Zeit ist wirklich vergangen wie im Flug und das war ein richtig gutes Gespräch über Meetings, glaube ich.

Karin Lausch: Vielen Dank, hat mir auch sehr viel Spaß gemacht. Danke für die tollen Fragen. Ich muss noch mal recherchieren, wo Meetings herkommen.

Sebastian Keil: Alles klar. Danke dir. Haben noch einen schönen Tag.

Karin Lausch: Du auch. Danke. Tschüss.

Sebastian Keil: Tschüss.


Titelfoto: ©iStock/nensuria