14.11.2018 - Jochen Brenner -4 MinutenArbeitswelt gestalten
Nimmt ein Firmenchef interne Betriebsinformationen mit ins Grab, kann das sein Unternehmen erheblich gefährden. Als Spezialistin für digitalen Nachlass weiß Birgit Aurelia Janetzky, wie wichtig eine gute Vorsorge für Unternehmer ist.
Faktor A: Ein Unternehmer verschlüsselt sämtliche digitale Informationen auf seinen Endgeräten. Unerwartet verstirbt er und nimmt alle Zugänge mit ins Grab – ein gängiges Szenario?
Birgit Aurelia Janetzky: Ja, das passiert häufiger, als man denkt! Wenn der Unternehmer keine Vorsorge getroffen hat, bekommt die Firma ein ernsthaftes Problem.
Sind eher große oder mittelständische Unternehmen betroffen?
Vorwiegend kleinere Unternehmen, denn sie verfügen nicht über große IT-Abteilungen oder Zuständige für den digitalen Nachlass. Große Firmen haben oft sogar Compliance-Regeln, in denen steht, wer Zugriff auf welche Informationen hat, welche Personen als Administratoren für den Social-Media-Bereich eingesetzt werden, welche Passwörter existieren …
Der verstorbene Chef hat seinen E-Mail-Account privat und beruflich genutzt – wie schlimm ist das?
Eine Vermischung von beruflicher und privater Nutzung eines E-Mail-Kontos zieht immer Probleme nach sich. Am besten fährt man damit, konsequent berufliche Mails über die Unternehmensadresse und private Mails über eine private E-Mail-Adresse zu verschicken. Ist eine gemischte Nutzung vom Unternehmen her erlaubt, sollte das schriftlich vereinbart sein.
Angenommen, die Erben verweigern dem Unternehmen den Zugang zu E-Mails, die von einem privaten Gerät aus versendet wurden. Wie erhält die Firma Einblicke in die Korrespondenzen des ehemaligen Chefs?
Das ist trickreich, denn eigentlich hat das Unternehmen dann keine Rechte auf einen Zugang. Man kann es nur mantramäßig wiederholen: Berufliche und private Kommunikation sind zu trennen. Im Unternehmen sollte geregelt sein, wer im Notfall welche Zugriffsrechte hat. Vor dem Tod.
Darf der Erbe einen Laptop oder eine Software, die mit einem Passwort geschützt ist, denn einfach so knacken lassen?
Wenn der Laptop Teil des Erbes ist, geht er in das Eigentum des Erben über. Er hat ein Recht darauf, den Passwortschutz zu umgehen. Komplizierter wird es, wenn die Informationen auf den Servern diverser Onlineplattformen gespeichert sind, zum Beispiel bei den unterschiedlichen Webmaildiensten.
Welche Regelungen gibt es da?
Hier wird rechtlich unterschieden, ob die Mails bereits heruntergeladen wurden. Dann kann der Erbe oder das Unternehmen sie lesen. Schwieriger wird es, wenn der Verstorbene etwa die Weboberfläche von GMX oder T-Online oder Web.de benutzt und keine Zugangsdaten hinterlassen hat. Hier haben die Webmaildienste jeweils unterschiedliche Regelungen – manche fordern zum Beispiel einen Erbschein als Nachweis, andere nicht. In der Regel werden aber in der Unternehmenskommunikation eigene E-Mail-Adressen verwendet. Hier hat das Unternehmen Zugriff auf den Server.
Erbt man auch mögliche Urheberrechtsverletzungen, die der Erblasser begangen hat?
Wenn der Chef auf der Facebook-Seite der Firma Fotos eingesetzt hat, ohne die Copyright-Fragen zu regeln, übernimmt sein Nachfolger die Verantwortung für diese Urheberrechtsverletzung. Er ist ja der neue Ansprechpartner. Innerhalb von sechs Wochen nach dem Tod muss auf der Website und in den Social-Media-Kanälen das Impressum aktualisiert werden. Sonst besteht die Gefahr, abgemahnt zu werden.
Wie lautet Ihr Rat?
Um den digitalen Nachlass vernünftig zu regeln, muss man Zeit und Ressourcen einplanen. Neue Accounts kommen hinzu, Bestimmungen ändern sich, neue Ansprechpartner oder Administratoren müssen gefunden werden. Eine jährliche Prüfung all dieser Dinge wäre empfehlenswert. Normalerweise ist den Unternehmern das bewusst. Aber mein Gefühl ist, dass es noch lange nicht in der Alltagsroutine angekommen ist.