Was tun bei schlechten Online-Bewertungen?

Negative Bewertungen im Internet sind nicht nur ärgerlich, sie können dem Geschäft erheblich schaden. Dabei müssen Unternehmer heute längst nicht mehr jede Kritik hinnehmen.


13.06.2018 - Nadine Osterhues -6 MinutenArbeitswelt gestalten

Negative Bewertungen im Internet sind nicht nur ärgerlich, sie können dem Geschäft erheblich schaden. Dabei müssen Unternehmer heute längst nicht mehr jede Kritik hinnehmen.

Der Fall löste ein kleines Erdbeben aus: Ein unzufriedener Patient hatte seinen Zahnarzt auf dem Online-Ärztebewertungsportal Jameda kritisiert. „Nicht zu empfehlen“, fasste er die Leistungen zusammen und gab ihm die Note 5 in den Kategorien „Behandlung“ und „Vertrauensverhältnis“.

Vergeblich suchte der niedersächsische Arzt den Patienten in seiner Kartei. Doch wie es aussah, hatte der Mann sich nie von ihm behandeln lassen. Also forderte der Arzt Jameda zur Löschung der Bewertung auf – was das Portal prompt ablehnte. Der Fall ereignete sich schon 2014, doch er steht für viele negative Online-Bewertungen, Kritiken und Verleumdungen, denen Unternehmerinnen und Unternehmer heute ausgesetzt sind.

Das vernichtende Urteil eines frustrierten Mitarbeiters auf kununu kann potenzielle Bewerber abschrecken, die Falschbehauptung eines Verbrauchers Kunden verunsichern, der Aufruf im Freundeskreis, einem verhassten Restaurant nur einen Stern zu geben, eine Existenz gefährden. Zwar hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass sich Unternehmer Bewertungen im Internet grundsätzlich gefallen lassen müssen, aber sie stehen längst nicht mehr jeder Behauptung machtlos gegenüber.

Urteil stärkt Unternehmer

Die Affäre um den Zahnarzt hat einen Stein ins Rollen gebracht. Der Arzt klagte vor dem Landgericht München und bekam Recht. Die Plattform Jameda musste nachweisen, dass der Behandlungskontakt zwischen Arzt und Patienten stattgefunden hatte und dass es sich bei der Bewertung um eine wahre Tatsache handelt. Strittige Schilderungen können nicht zugunsten einer Bewertungsplattform als wahr unterstellt werden, hieß es. Zudem reiche eine Bestätigung des Bewertenden nicht aus, um schlechte Bewertungen als wahr zu unterstellen. Auch eine anonymisierte E-Mail ist kein Beweis. Das Urteil stärkt die Rechte der Unternehmer aus allen Branchen.

„Bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen sind generell unzulässig und rechtswidrig, und der Betroffene kann aufgrund der Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte gegen sie vorgehen“, sagt der Berliner Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht David Geßner. Er hat sich unter anderem auf das Vorgehen gegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen und negative Bewertungen spezialisiert und kennt viele Fälle wie die des niedersächsischen Arztes.

Es gelte zwischen Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung zu unterscheiden. „Wenn der Patient den Kontakt mit dem Arzt bestätigen kann und schreibt: ,Ich persönlich gebe ihm die Note 6‘, dann ist das freie Meinungsäußerung“, sagt der Rechtsanwalt. „Dagegen ist schwer etwas zu machen.“ Die Wahrheit einer Tatsachenbehauptung hingegen müsse immer vom Bewertenden nachgewiesen werden. „Wenn behauptet wird, dass der Arzt mehr in Rechnung gestellt hat als versprochen, dann ist das eine Tatsachenbehauptung, die belegt werden muss, damit sie zulässig ist.“

Meinung versus Fakten

Geßner skizziert ein weiteres Beispiel: „Wenn in einer Hotelbewertung steht, die Zimmer sind nachweislich kleiner als in der Beschreibung steht, kann der Wahrheitsgehalt der Aussage überprüft werden“, erklärt Geßner. „Ist die Behauptung wahr, muss der Bewertete sie hinnehmen.“
Bevor jedoch ein großer Rechtsstreit ausbricht, sei es in manchen Fällen besser, wenn die Bewerteten selbst versuchen, die Kritik zu entschärfen. In der Kommentarfunktion könnten sie ihre eigene Sicht darstellen. „Dabei ist es unwichtig, ob die Tatsachenbehauptung schon bewiesen wurde oder nicht.“

Weniger zielführend sei es hingegen, schmähende Äußerungen zu kommentieren. Hier böten sich radikalere Schritte an: „Wer online zum ,widerlichen Betrügerschwein‘ gemacht wird, kann die Löschung und Unterlassung gegen den Provider und gegen den Bewertenden selbst beanspruchen.“ Zwar sei Letzterer aufgrund der Anonymität oft nicht greifbar, aber so würde der Bewertete ein stärkeres Zeichen setzen.

Bewertungen als Chance sehen

Die heutige Rechtsprechung stärkt die Unternehmer viel mehr als noch vor ein paar Jahren. Das ist zwar grundsätzlich gut für die Bewerteten, doch Rechtsprechung allein hilft ihnen nicht gegen die Gesamtheit der Beurteilungen, denen sie täglich ausgesetzt sind. Das soll sie auch gar nicht. Verbraucher haben ein Recht darauf, zu erfahren, wie andere eine Dienstleistung oder ein Produkt bewertet haben. Dabei ist längst nicht jede Kritik auch unberechtigt.

Wer sich als Unternehmer fragt, wie er seine Leistungen ständig verbessern kann, damit es gar nicht erst zu Frust beim Verbraucher kommt, hat viel gewonnen. Bewertungsportale machen ein Unternehmen angreifbar, sie können aber auch eine große Chance sein: Denn wenn sich Kundenzufriedenheit in der Anzahl der Sterne widerspiegelt, spricht das mehr für ein Geschäft als jede Form von Werbung.

Umgang mit negativen Bewertungen

Damit es gar nicht erst zum Rechtsstreit kommt

1. Zu Feedback animieren
Bitten Sie zufriedene Kunden, ihre Erfahrungen im Internet zu teilen. Die können meistens nachvollziehen, dass es Ihnen dabei hilft, Neukunden zu gewinnen. Positive Kritiken sind die stärkste Waffe gegen negative Urteile.

2. Fehler zugeben und den richtigen Ton treffen
Der Ton macht die Musik. Auch wenn es schwerfällt, immer sachlich und höflich zu reagieren: Es lohnt sich. Ein guter Ton wirkt deeskalierend. Signalisieren Sie dem Kritiker, dass seine Meinung wichtig ist, um das Angebot zu verbessern. Geben Sie Fehler offen zu. Selbst erboste Kunden löschen ihre Kritik nach einer aufrichtigen Entschuldigung. Wichtig: Selbst wenn es sich nachweislich um keinen Fehler handelt, muss der Ton freundlich bleiben.

3. Schnell reagieren
Es ist unprofessionell und unhöflich, sich auf uralte Kritik zu melden. Lassen Sie einen Mitarbeiter die Bewertungsportale und Kommentare auf der Website und den Social-Media-Kanälen regelmäßig – am besten täglich – überprüfen. Meldedienste wie Google Alerts halten Sie auf dem neuesten Stand. Sobald eine Online-Erwähnung Ihres Unternehmens oder Ihres Produktes erscheint, bekommen Sie eine E-Mail.

4. Von Kritik profitieren
Lernen Sie aus jeder schlechten Bewertung. Verbessern Sie Ihre Dienstleistung oder Ihr Produkt. Vereinzelt können Sie auch mal einem erbosten Kunden eine private Nachricht schreiben: Was konkret gefiel nicht, wo lief es schief, was wurde erwartet? Auf diese Weise erfahren Sie gratis, an welchen Stellen es im Unternehmen hapert – und der Kunde fühlt sich wertgeschätzt.

5. Auf einen Shitstorm zügig reagieren
Ein Kunde fühlt sich vom Personal eines Hotels schlecht behandelt. Das macht ihn so wütend, dass er seinen gesamten Freundeskreis darum bittet, das Hotel schlecht zu bewerten. Der Shitstorm, der dann folgt, bedroht die Existenz des Unternehmens. Jetzt heißt es: schnell reagieren, präzise auf die Vorwürfe eingehen. So dämmen Sie den Shitstorm ein.

6. Nicht alles kommentieren
Unternehmer wirken nicht gerade selbstbewusst, wenn sie jede schlechte Bewertung kommentieren. Negative Kritiken sind ja nicht nur schlecht! Treten sie vereinzelt auf, erzeugen sie sogar mehr Glaubwürdigkeit als endlose Lobkaskaden. Außerdem generieren sie Reichweite: Wird so ein Kommentar stark diskutiert, erscheint er weit oben in den Suchmaschinen.

7. Auf Kritik einzeln reagieren
Beantworten Sie vereinzelte Kritiken direkt im Bewertungsportal. Das zeigt Kunden, dass ihre Meinung wichtig ist – und den Lesern, dass das Unternehmen Kritik ernst nimmt. Gehen Sie auf jede einzelne Beschwerde ein. Nichts erbost Kritiker mehr als eine standardisierte Entschuldigung.

8. Nicht löschen
Solange sie keine Verleumdungen oder Rechtsverstöße enthalten, sollten Sie Kommentare auf der Website oder Facebook stehen lassen. Gelöschte Beiträge echauffieren Kritiker umso mehr.

 


Titelfoto: © Thomas Trutschel/Photothek/Getty Images