Von perfekter Stellenanzeige bis Mitarbeitermotivation

Von der perfekten Stellenanzeige über Mitarbeitermotivation bis zu Ideen gegen den Fachkräftemangel: Vordenker der HR-Branche beantworten Fragen, die Personalern unter den Nägeln brennen.


06.10.2018 - Philipp Hedemann -5 MinutenArbeitswelt gestalten

„Europas Hot-Spot für HR-Entscheider“ – diesen Titel geben sich die Veranstalter der Fachmesse „Zukunft Personal“, die gerade in Köln über die Bühne ging. Für alle, die nicht unter den 18.000 Besuchern sein konnten, aber dennoch an Recruiting und Personalthemen interessiert sind, haben wir dort innovative Vortragende getroffen und zu Themen befragt, die Unternehmern wie Personalern unter den Nägeln brennen.

Die perfekte Stellenanzeige

Niels Brabandt
© Marina Weigl - Tipps für die perfekte Stellenanzeige von Niels Brabandt: präzise formulieren, nur versprechen, was man halten kann, und schnell zur Sache kommen.

Niels Brabandt, Geschäftsführer NB Networks Group

„Personaler freuen sich oft, wenn sich auf eine Stellenanzeige möglichst viele Bewerber melden. Aber die beste Stellenanzeige ist nicht die, auf die es am meisten Bewerber gibt, sondern die, mit der Sie genau den Mitarbeiter finden, den Sie suchen. Darum sollte die Anzeige möglichst präzise formuliert sein. Versprechen Sie nichts, was Sie nicht halten können. Verzichten Sie darauf, im ersten Absatz eine Ego-Show für das eigene Unternehmen abzuziehen. Kommen Sie gleich zur Sache. Welche Stelle haben Sie anzubieten? Denn immer mehr Stellenanzeigen werden auf mobilen Endgeräten gelesen. Dabei geben die User Ihnen oft nur drei bis fünf Sekunden Zeit, um ihr Interesse zu wecken. Langweilen Sie die Bewerber zu Beginn mit einer zähen Selbstdarstellung Ihres Unternehmens, werden sie nicht weiterlesen. Bilder und Videos von echten Mitarbeitern am Arbeitsplatz in der Stellenanzeige hingegen können Bewerber überzeugen. Jobsuchende, die wissen, wie ihr potenzieller Arbeitsplatz aussieht, bewerben sich vier Mal häufiger. Bei den Bildern und Videos kommt es nicht darauf an, dass alle Szenen und Räume perfekt ausgeleuchtet sind. Was zählt, ist die Authentizität. Vermitteln Sie einen perfekten Eindruck, der nicht der Realität entspricht, kann das zu Enttäuschung führen. Dann besteht die Gefahr, dass Ihr Wunschkandidat sich schon bald nach einem Job umsieht.“

Engagierte und motivierte Mitarbeiter

Niels Brabandt
© Marina Weigl - „Angemessene Bezahlung ist für Arbeitnehmer heute bei Weitem nicht mehr Motivation genug“, sagt Sandra Thiel.

Sandra Thiel, Marketing Director bei SAP SE

„Paychecks can’t buy passion“, das wissen wir mittlerweile. Damit Arbeitnehmer sich an ihrem Arbeitsplatz engagieren, müssen sie nicht nur angemessen bezahlt werden, sondern ihre Arbeit auch als sinnstiftend empfinden. Denn dann sind sie glücklicher und zufriedener. Und glückliche und zufriedene Mitarbeiter sind kreativer und produktiver und werden seltener krank. Die Untersuchung des amerikanischen Meinungsforschungsinstituts Gallup kam jedoch zu dem erschreckenden Ergebnis, dass weltweit nur 15 Prozent aller Arbeitnehmer wirklich motiviert sind. Für die meisten Unternehmen gibt es bei der Mitarbeitermotivation also noch viel Luft nach oben. Beim „Future of Work“-Team der SAP steht der Mitarbeiter deshalb im Mittelpunkt. Wir schaffen eine neue Arbeitskultur, in der Transparenz und Autonomie herrschen und mehr Verantwortung übertragen wird. Diese Transformationsprozesse werden derzeit stark durch die Digitalisierung beschleunigt. Es ist viel in Bewegung. Deshalb reicht es auch nicht aus, die Mitarbeiter einmal im Jahr beim Mitarbeitergespräch zu Wort kommen zu lassen. Darum haben wir das Programm SAP SuccessFactors Work-Life entwickelt, das es unseren Mitarbeitern erlaubt, permanent Feedback zu geben. Das trägt sehr dazu bei, die Zufriedenheit zu erhöhen. Davon profitiert das ganze Unternehmen.“

Generation Z: Azubis, Nachwuchskräfte und junge Arbeitnehmer

Alfred Lackner
© Marina Weigl - „Die Generation Z will nicht auf Mitbestimmung warten“, erklärt Alfred Lackner.

Alfred Lackner, Gesellschafter und Geschäftsführer von Lackner und Kabas, Beratung für Personal- und Management-Diagnostik, Online-Recruiting und Teamentwicklung

Aus den Kindern und Jugendlichen der Generation Z, also der ab dem Jahr 1995 Geborenen, werden jetzt Arbeitnehmer. Was sind ihre Erwartungen an ihren ersten Job?

Die Ausbildungsmöglichkeiten haben sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten stark diversifiziert, und damit auch die Wahlmöglichkeiten. So ist eine anspruchsvolle Generation herangewachsen. Wenn sie anfangen zu arbeiten, sagen sie oft: „Ich kann zwar noch nicht so viel, aber ich will schon mitbestimmen.“ Sie möchten auf Augenhöhe angesprochen werden und wünschen sich einen kooperativen Umgang, einen anspruchsvollen, modernen Arbeitsplatz und ortsunabhängige Arbeitsmöglichkeiten. Sie sind oft leistungsorientiert, kreativ und innovativ, aber auch nicht selten radikal und wenig kompromissbereit. Vorherige Generationen haben oft brav abgewartet, bis sie selbst irgendwann mitbestimmen konnten. Die Generation Z will nicht warten.

Ist die Generation Z für Arbeitgeber eher Chance oder Herausforderung?

Sowohl als auch. Mitglieder der Generation X, also die zwischen 1960 und 1980 Geborenen, sind heute oft in Führungspositionen und haben Personalverantwortung. Das kann durchaus zu Konflikten mit Mitarbeitern der Generation Z führen. Aber den Älteren bleibt keine Wahl. Sie müssen sich auf die Jüngeren einlassen. Eine gute Führungskraft setzt diese jungen Menschen genau da ein, wo sie ihre Stärken ausleben können.

Oft wird den Angehörigen der Generation Z nachgesagt, sie seien weniger verbindlich. Wie kann man sie als Mitarbeiter halten?

Stimmt, die jungen Menschen wollen sich nicht früh festlegen. Und das ist auch gut so. Zwischen 20 und 30 Jahren ist der ideale Zeitpunkt, um viel auszuprobieren und möglichst unterschiedliche Erfahrungen zu machen.  Spätestens mit 30 Jahren sollte man dann wissen, wo man hinwill beziehungsweise welcher Beruf eingeschlagen wird. Je mehr Erfahrungen man zuvor gemacht hat, desto wahrscheinlicher ist es, dass man die richtige Wahl trifft. Will man junge Mitarbeiter dauerhaft binden, muss man sie selbstbestimmt arbeiten lassen und ihnen Aufgaben geben, die sie als sinnstiftend empfinden. Mitarbeitern der Generation Z ist die intrinsische Motivation oft wichtiger als Gehalt oder Status.

Zeitgemäße Bewerbungen und typische Fehler beim Recruiting

Hendrik Zaborowski
© Marina Weigl - „Der erste Eindruck ist kein guter Helfer für Personaler“, meint Recruiting-Experte Henrik Zaborowski.

Henrik Zaborowski, selbstständiger Recruiting-Experte

Ist ein Anschreiben bei einer Bewerbung heute noch notwendig und zeitgemäß? 

Ein ausführliches Anschreiben ist mittlerweile meist völlig überflüssig. Es kostet den Bewerber viel Zeit und Mühe und wird in der Regel noch nicht mal gelesen. Früher wollten Arbeitgeber anhand des Anschreibens sehen, dass der Bewerber sich Mühe gegeben hat. Aber in Zeiten von vielen unbesetzten Stellen müssen die auf dem Arbeitsmarkt begehrten Fachkräfte nicht mehr beweisen, dass sie sich Mühe gegeben haben. Als Anschreiben reichen drei Sätze: Ich bewerbe mich auf folgende Stelle, stehe ab dann zur Verfügung, und das sind meine Gehaltsvorstellungen. Alles andere muss man im persönlichen Gespräch klären. Es stimmt zwar, dass ein Anschreiben gewisse Rückschlüsse über schriftliches Ausdrucksvermögen, Rechtschreibung und Grammatik zulässt. Wenn man sich als Sekretärin bewirbt, macht das Anschreiben also durchaus Sinn. Es ist dann quasi eine Arbeitsprobe. Aber wozu sollte ein Fitnesstrainer ein ausführliches Anschreiben verfassen? Er sollte sich lieber mit einem Workout-Video bewerben. Darin kann der potenzielle Arbeitgeber gleich sehen: Wie geht der Bewerber auf Menschen zu, wie bewegt er sich, wie ist er gebaut?

Und der Lebenslauf? 

Auch der Lebenslauf hat nur eine sehr bedingte Aussagekraft: Wenn ich einen Programmierer suche, dann lasse ich ihn etwas coden. Kann er das, dann ist es irrelevant, was er vorher gemacht hat und welche Ausbildung er hat. Gerade in der IT sind viele Quereinsteiger. Aber das ist egal, denn Hauptsache, er kann, was er können soll.

Welche Fehler werden beim Recruiting am häufigsten gemacht?

Erstens: sich nach dem Lesen der Bewerbung auf den ersten Eindruck zu verlassen und die Kandidatin oder den Kandidaten abzuschreiben. Denn oft findet man erst im persönlichen Gespräch heraus, was der Bewerber alles kann, obwohl es nicht in der Bewerbung steht. Zweitens: Überverkaufen! Viele Arbeitgeber stellen sich zu positiv dar. Knackpunkte sollte man gleich offen ansprechen. Wer etwas verspricht, was er nicht halten kann, kann schon bald wieder mit der Personalsuche beginnen. Drittens: zu lange Reaktionszeiten. Ein Bewerber ist kein Bittsteller. Wenn es erst nach vier Wochen eine Reaktion auf eine Bewerbung gibt, sind die besten Kandidaten schon längst weg. Man kann sich doch direkt am nächsten oder übernächsten Tag beim Bewerber melden, auch wenn man erst in zwei Wochen einen Termin zum persönlichen Kennenlernen anbieten kann.


Titelfoto: © Marina Weigl