Toxisches Arbeitsumfeld: Das können Unternehmen dagegen tun

Unnötiger Druck, unangemessene Sprache, Mobbing: Toxisches Verhalten ist vielschichtig. Arbeitgeber sollten auch auf Ursachenforschung gehen. 


11.06.2024 - Matthias Haft -6 MinutenRichtig führen

Toxisches Verhalten am Arbeitsplatz schädigt nicht nur Menschen, die davon betroffen sind, sondern letztlich auch das Unternehmen selbst. Für Arbeitgeber gilt es daher, solches Verhalten konsequent zu unterbinden. Faktor A zeigt, wie es gehen kann.

Wenn sich Arbeitnehmende in einem toxischen Arbeitsumfeld befinden, stecken sie in einem Dilemma. In der Regel wird ihnen dann geraten, feste Grenzen zu ziehen oder sich Unterstützung im Unternehmen zu holen, etwa bei Kolleg*innen, bei der Personalabteilung oder beim Betriebsrat. Und im Extremfall müsse eben die Reißleine gezogen, sprich gekündigt werden. Die Handlungsmacht der oder des Einzelnen liegt damit irgendwo zwischen Quiet Quitting und echtem Quitting.

Kurioserweise richten sich Ratgeber zum Thema in den meisten Fällen trotzdem an Arbeitnehmende. Die Frage, was Arbeitgeber tun können, damit in ihrem Betrieb keine toxischen Arbeitsumfelder entstehen, bleibt oft unbeantwortet. Dabei liegen hier die Potentiale, vielleicht auch auf größere ursächliche Probleme im Unternehmen stoßen zu können. Arbeitnehmende können toxische Arbeitsverhältnisse allenfalls im eigenen Team oder bei der eigenen Führungskraft feststellen. Toxizität herrscht aber womöglich auch in angrenzenden Teams, bei der Führungskraft der Führungskraft oder gar im gesamten Unternehmen. Ist dem so, wird jede teaminterne Maßnahme früher oder später scheitern, wenn andere Abteilungen und Führungskräfte weder Teil der Problemanalyse noch der -behebung sind.

Schaden durch toxische Arbeitsumgebungen

Wie wichtig es ist, das Problem toxischer Arbeitsumfelder zu beheben, wird deutlich, wenn man sich die Konsequenzen vor Augen führt.

  • Hohe Krankenstände bei den Betroffenen
  • Niedrige Motivation und Leistungsfähigkeit bei den Betroffenen
  • Hohe Kündigungsraten

Laut Randstad Workmonitor von 2023 haben 21 Prozent der befragten Arbeitnehmenden in Deutschland bereits mindestens einmal ihren Job aufgrund eines toxischen Arbeitsumfelds gekündigt.

Das hat selbstverständlich auch betriebswirtschaftliche Konsequenzen. Teams können ihre Aufgaben nicht in der notwendigen Qualität oder Geschwindigkeit erledigen. Wenn häufig gekündigt wird, herrschen hohe Aufwände bei der Personalabteilung, die ja gleichzeitig Stellen auch wieder nachbesetzen muss. Gerade in Zeiten, in denen Personal immer schwerer zu finden ist, ist das eine aufwändige und zeitraubende Angelegenheit. Die Leistungsfähigkeit von Teams, die mit jedem Weggang Kenntnisse und Fähigkeiten verlieren und ständig neue Kolleg*innen einarbeiten müssen, sinkt derweil weiter.

In solchen Situationen verfestigen sich toxische Zustände: Eine Abwärtsspirale. Und die kann kaum aufgehalten werden, wenn mit Mühe und Not immer nur das neueste Symptom der Vergiftung behandelt wird. Ohne das Bild überstrapazieren zu wollen, aber Gift breitet sich in Organismen aus. Und so ist es auch mit toxischen Arbeitsverhältnissen in Organisationen. Dann sinkt die Leistung flächendeckend im Unternehmen und eigentlich vermeidbare Personalkosten steigen immer weiter.

Maßnahmen gegen unbewusst toxisches Arbeitsverhalten

Menschen sind sich ihres eigenen toxischen Verhaltens nicht immer bewusst. Um die geeigneten Maßnahmen ergreifen zu können, sind daher neben einem allgemeinen Problembewusstsein Offenheit und Selbstreflexion gefordert. Das ist nötig, damit alle in der Belegschaft den eigenen Anteil, den sie womöglich an einer toxischen Umgebung haben, realisieren können. Es bringt nichts, wenn der ungesunden Zusammenarbeit zwar betriebsweit der Kampf angesagt wird, im entscheidenden Moment aber Abwehrhaltungen eine Lösung verhindern.

Offenheit erleichtert es zudem, Ursachen zu identifizieren. Das unbewusste destruktive Verhalten eines Teammitglieds hat seine Ursache vielleicht im Druck, den die Führungskraft auf ihn ausübt. Und diese weiß womöglich auch nicht anders mit dem Druck umzugehen, den sie ihrerseits von oben oder von internen Stakeholdern erhält. Die Analyse solcher toxischen Dynamiken ist unerlässlich, um sie dauerhaft auflösen zu können. Dabei reicht die bloße Feststellung, wer aus welchen Gründen toxisch handelt, nicht aus. Es muss tiefer gebohrt werden. Womöglich stößt man dann auf strukturelle Probleme: Prozesse sind zu kompliziert und zeitraubend oder Arbeitsstände und -ergebnisse nicht transparent, Zielvereinbarungen im Team oder im gesamten Unternehmen unrealistisch, Personal ist zu knapp. Werden solche problematischen Grundlagen im Unternehmen aufgedeckt und nicht behandelt, werden Arbeitsbeziehungen immer wieder dazu tendieren, toxisch zu sein.

So können Sie toxische Arbeitsumfelder auflösen

Natürlich muss man nicht immer so tief schürfen, um an die Gründe für toxische Arbeitsbeziehungen zu kommen. Manchmal bleiben diese auch sehr lokal auf einzelne Teams beschränkt. Sollte das der Fall sein, gibt es eine Reihe von Instrumenten, die Arbeitgebern zur Verfügung stehen, um das schädliche Verhalten abzubauen:

  • Schulungen für Führungskräfte und Teams: Schulungen mit dem Ziel, für toxische Verhaltensweisen zu sensibilisieren, bieten sich vor allem prophylaktisch an. Doch auch für die Aufarbeitung bereits geschehener Situationen können Schulungen taugen. Hier ist jedoch Umsicht geboten, da niemand vorgeführt werden soll. An der Schulung nehmen ja auch Unbeteiligte innerhalb des Teams teil. Im Zweifelsfall sollten Themen allgemeiner und weniger am konkret erlebten Beispiel behandelt werden.
  • Mediationen für die Beteiligten: Im Gegensatz zur Schulung sollten die schwelenden Konflikte im Rahmen einer Mediation offen besprochen werden. Die Mediation sollte sich auf die Beteiligten des Konflikts beschränken.  
  • Transparente Zusammenarbeit: Auch eher vorbeugend. Transparente Arbeitsweisen dienen dazu, dass Wissen über Anforderungen, Zielsetzung, Arbeitsstände und Arbeitsergebnisse für alle Beteiligten einsehbar ist. Das hilft nicht nur in Vertretungssituationen und bei Absprachen, sondern beugt auch Geheimniskrämerei und dem besonders toxischen Gaslighting vor.
  • Klare und verbindliche Verhaltensrichtlinien: Manchmal erwachsen Unstimmigkeiten bereits aus sehr kleinen Dingen: Das kann die Alphatier-Attitüde Einzelner in Meetings sein oder die fehlende Einbindung in wichtige Prozesse. Auf Dauer kann sich so etwas toxisch anfühlen. Deswegen ist es wichtig, mit nachvollziehbaren und allgemein akzeptierten Verhaltensregeln dafür zu sorgen, dass kritische Situationen von vornherein vermieden werden können.

Was tun bei bewusstem toxischem Verhalten?

Die bisherigen Tipps können Abhilfe schaffen, wenn toxische Arbeitsumgebungen unbewusst, gewissermaßen aus den Umständen heraus entstanden sind. Es kann aber auch vorkommen, dass sich einzelne Teammitglieder und Führungskräfte absichtlich toxisch verhalten, etwa aus Eigennutz oder um dem Team absichtlich zu schaden. In solchen Fällen kommt es oft zu besonders schädlichem Verhalten. Das können zum Beispiel Mobbing, Bossing und Gaslighting sein. Wenn Personalabteilungen solche Situationen auflösen möchten, wird es deutlich schwieriger, einvernehmlich vorzugehen. Denn wer mit Vorsatz handelt, hat vermutlich kein Problembewusstsein oder ignoriert es einfach.

Arbeitgeber haben jedoch eine Fürsorgepflicht für ihre Belegschaft. Sie sind zum Schutz von Leben und Gesundheit verpflichtet. Besonders krasse Formen toxischen Verhaltens wie etwa sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz äußern sich bei Betroffenen oft durch häufige und lange Krankmeldungen. Hier ist die Gesundheit also bereits beeinträchtigt. Arbeitgeber sollten in solchen Situationen nicht zögern, auch disziplinarisch gegen diejenigen vorzugehen, die mit ihrem bewussten Fehlverhalten die Gesundheit anderer gefährden. Im Extremfall kann das eben auch bedeuten, dass letztlich eine Kündigung ausgesprochen werden muss. 


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