21.08.2019 - Christian Grollmann -28 MinutenZukunft der Arbeit
Ein maßangefertigter Tisch aus einem selbst ausgewählten Baumstamm – ohne einen einzigen Besuch beim Tischler: Das war die Idee von Julia Kasper, die die Tischlerei ihres Vaters um einen digitalen Vertriebsweg erweitert hat und im Faktor-A-Podcast über ihre Erfahrungen mit der Digitalisierung im Handwerk spricht.
Der Tisch ist ein – wenn nicht das – zentrale Möbelstück in den meisten Wohnungen. Dort wird gefrühstückt, gearbeitet, gespielt, zu Abend gegessen, ein Glas Wein mit Freunden getrunken. „Der Tisch ist ein emotionaler Wohngegenstand“, sagt Julia Kasper. Die Tochter eines Tischlermeisters hat aus diesem Verständnis heraus Holzgespür gegründet, eine Onlineplattform, bei der Kunden sich einen individualisierten Tisch konfigurieren und bestellen können und bei der Herstellung über digitale Kanäle ganz nah dran sind.
Die Designs bei Holzgespür tragen keine typischen Produkttitel oder gar nur Modellnummern, sondern Namen, bei denen es nur so menschelt: Marliese, Martha und Maren. Nur das neueste Design „Meseta“, spanisch für Hochebene, fällt aus der Reihe. Die Kunden sollen einen Bezug zu ihrem Tisch haben. Das gelingt nicht nur durch die Benennung, sondern durch die Kommunikation zwischen Käufer und Tischlerei. Über Videobotschaften aus der Werkstatt werden die Kunden in den Herstellungsprozess eingebunden, können sich „ihren“ Baumstamm auswählen und wissen mit Foto-Updates immer Bescheid, wie es um den Tisch gerade steht. Darüber hinaus läuft der reguläre Betrieb, bei dem Kunden aus der Region direkt in der Tischlerei vorbeikommen.
Onlineshop und intensive Onlinekommunikation bedingen aber auch digitalisierte Prozesse in der Herstellung selbst, wie Julia Kasper erklärt: „Ich kann nicht einen Onlineshop mit digitaler Kommunikation zum Kunden aufbauen, wenn in der Werkstatt die digitalen Prozesse nicht definiert sind.“ Zeitlich und finanziell hätten diese Umstellungen starkes Investment erfordert, „aber wir wollen unseren Betrieb ja zukunftssicher aufstellen“, rechtfertigt Kasper den Ressourceneinsatz.
Neben ihrer Arbeit bei Holzgespür sitzt Julia Kasper in diversen Gremien, die sich mit der Digitalisierung des Handwerks auseinandersetzen. Wie viel Digitalisierung mittelständische Betriebe brauchen, wie weit fortgeschritten diese Entwicklung bereits ist und warum Digitalisierung kein in sich abgeschlossener Prozess ist, erklärt Julia Kasper in der ersten Ausgabe des Faktor-A-Podcasts im Interview mit Christian Grollmann.