21.10.2020 - Nicole Benke -6 MinutenZukunft der Arbeit
Die Corona-Krise zeigt, dass kein Unternehmen das Thema Digitalisierung mehr ignorieren kann. Die eCom Logistik GmbH aus Falkensee bei Berlin hat den digitalen Wandel bereits erfolgreich gestartet – und ganz bewusst die Mitarbeitenden in den Prozess involviert. Geschäftsführer Karsten Tews berichtet über die Unternehmenskultur als Erfolgsfaktor für eine nachhaltige Digitalisierung.
„Bis vor fünf Jahren war die eCom Logistik GmbH ein klassisches Logistikunternehmen im B2B-Bereich. Doch Markt und Nachfrage verändern sich heute kontinuierlich. Unternehmen müssen offen und flexibel sein, sich den neuen Anforderungen anpassen, um zukunftsträchtig und nachhaltig erfolgreich zu bleiben. Deshalb entschieden wir uns 2015 dazu, uns auch dem Thema B2C zu öffnen und ins E-Commerce-Geschäft einzusteigen. Wir begannen, mit ersten kleinen Kunden zusammenzuarbeiten. Schnell wurde klar, dass wir neue Strukturen und Prozesse brauchen, um in diesem Bereich wachsen zu können. Schnittstellen zu den verschiedenen Online-Shop-Betreibern und Paketdienstleistern etwa. Auch unsere Kommissionierungsstrategie passte für den B2C-Bereich nicht mehr. Um die Effizienz der Prozesse zu erhöhen und Kosten- und Leistungsvorteile zu generieren, mussten wir digitaler werden.
Unternehmenskultur als Schlüsselfaktor bei der Transformation
Dabei war es mir und meinem Führungskreis wichtig, die Mitarbeitenden von vornherein in den Prozess einzubinden. Die Unternehmenskultur ist für mich ein Schlüsselfaktor bei einer erfolgreichen Transformation. Ohne die Akzeptanz und Unterstützung der Belegschaft geht es einfach nicht. Wenn Strukturen und Abläufe, die lange gelernt sind und sich bewährt haben, plötzlich auf den Prüfstand gestellt werden, sorgt das für Unruhe. Was passiert hier? Bin ich den neuen Anforderungen überhaupt gewachsen? Verliere ich jetzt meinen Job? Damit erst gar keine Ängste entstehen, habe ich von Beginn an so transparent wie möglich agiert. Ich wollte, dass unsere Mitarbeitenden zum Treiber des Wandels werden und wir gemeinsam neue Lösungsansätze entwickeln. Man muss Betroffene zu Beteiligten machen. Innovation, die aus dem eigenen Unternehmen wächst, ist erfolgreicher. Unterstützung bekamen wir vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Cottbus. Zwei Fragen standen für uns bei der Zusammenarbeit im Mittelpunkt: Wie können neben dem Tagesgeschäft neue, nachhaltige Strukturen entstehen, die sich selbst immer wieder veränderten Situationen dynamisch anpassen? Und wie sieht eine innovationsfreundliche, agile und zukunftsorientierte Unternehmenskultur aus?
Vorhandenes Fachwissen gezielt für Unternehmensentwicklung nutzen
Zunächst bildeten wir eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe aus verschiedenen Abteilungsleitern und planten einen Workshop, bei dem offen über mögliche Zukunftsszenarien gesprochen werden sollte. Was könnte passieren? Wie könnten wir den Wandel gestalten? Und was brauchen wir dafür? Das Fachwissen, das es in den einzelnen Abteilungen gibt, ist so wertvoll – wir wollten es gezielt für die Gestaltung unserer Unternehmensentwicklung nutzen. Auch den Betriebsrat haben wir von Beginn an miteinbezogen. Selbst wenn es manchmal holpert, habe ich diesen Schritt bis heute nicht bereut. Denn er war ein wichtiges Signal für die gesamte Belegschaft: Wir machen hier nichts, was euch schadet. In der Arbeitsgruppe waren zunächst trotzdem alle etwas skeptisch. Viele hatten noch nie an so einem Workshop teilgenommen. Aber er wurde ein voller Erfolg. Als ich abends dazukam, erlebte ich einen Raum voller Kreativität. Alle waren mächtig beschäftigt! In der abschließenden Diskussion kristallisierte sich schnell heraus, welche Dinge wir als Erstes anpacken wollen und dass wir dabei weiter mit dem Kompetenzzentrum Cottbus kooperieren möchten. Und mehr noch: Die Mitarbeitenden äußerten den Wunsch, ein spezielles Team für Zukunftsfragen zu bilden.
Ein eigenes Team für Zukunftsfragen
Das war gar nicht geplant gewesen – aber ich fand die Idee sofort gut. Wir stellten also das „Team Zukunft“ zusammen. Es besteht aus Mitarbeitenden verschiedener Abteilungen und Hierarchiestufen. Jeder im Unternehmen soll sich dort wiederfinden und abgebildet fühlen. Wir suchten einen Raum, den das Team komplett selbst gestaltete. Wände streichen, Möbel bauen – alles geschah in Eigenleistung. Ich hielt mich raus. Als Geschäftsführer muss man loslassen können, Freiraum geben. Das bringt ein Unternehmen immer nach vorn. Ihr seid die Firma – das ist schon immer meine Botschaft gewesen. Und es wirkt: Wir haben jetzt ein Innovationsteam, das nie angedacht war, und einen Raum, der die Möglichkeit bietet, sich gedanklich vom Tagesgeschäft zu lösen und frische Ideen zu entwickeln – das ist doch toll. Hier entwickelt und testet das Zukunftsteam digitale Transformationsansätze, arbeitet etwa an Themen wie der neuen Kommissionierungsstrategie, an der Verbesserung unserer digitalen Kommunikation oder auch an der Digitalisierung des Personalmanagements.
Zitat:„Die Umsetzung des Digitalen Wandels für das eigene Unternehmen ist die wohl wichtigste Managementaufgabe unserer Zeit.“
Alle anderen Mitarbeitenden konnten sich den Raum anschauen, das Zukunftsteam hat bei einer Mitarbeiterversammlung außerdem die aktuellen Projekte vorgestellt und sich auch selbst präsentiert. Offen und transparent – so entstanden erst gar keine Unsicherheiten, was da hinter verschlossenen Türen vielleicht passieren könnte. Und somit auch wenig Widerstände unter der Belegschaft bezüglich der neuen Impulse. Ich denke, dass das Einbeziehen wirklich aller Mitarbeitenden entscheidend ist. Die Umsetzung des digitalen Wandels für das eigene Unternehmen ist die wohl wichtigste Managementaufgabe unserer Zeit. Und da alle Bereiche eines Unternehmens von einer Digitalisierung betroffen sind, sollten auch alle Mitarbeitenden beteiligt sein. Als Geschäftsführer gilt es zu vermitteln, dass es nicht um eine Restrukturierung geht, sondern um eine Weiterentwicklung des Geschäftsmodells. Eine Investition in die Zukunft quasi – die Digitalisierung schafft ja auch neue Arbeitsplätze und ermöglicht Prozessinnovationen, von denen am Ende alle profitieren.
Mit wenig Ressourcen den Innovationsgeist wecken
Kein Unternehmen kann es sich in meinen Augen leisten, das Thema Digitalisierung jetzt noch zu ignorieren. Durch Corona gab es diesbezüglich noch mal eine enorme Beschleunigung. Das Leben verändert sich rasant, dafür muss man eine Kultur im Unternehmen schaffen – sonst wird man überholt. Unser Zukunftsraum zeigt, dass es wenig Ressourcen braucht, um Innovationsgeist im Team zu entfachen. Man muss nicht viel Geld ausgeben, um die Mitarbeitenden zu motivieren, den Wandel voranzutreiben. In unserem Unternehmen ist ein ganz neuer Spirit entstanden. Unsere Unternehmenskultur hat sich verändert, ist jetzt weniger hierarchisch. Das Mitreden und Miteinbringen waren früher längst nicht so ausgeprägt wie heute. Das empfinde ich als nachhaltig bereichernd. Wir werden den Zukunftsraum jetzt auch für Kundentermine nutzen. Denn er zeigt besser als alles andere, dass unser Unternehmen immer in Bewegung ist.“