In Mönchengladbach ist die Nachfrage nach Kita-Plätzen ungebrochen. Weil Stadt und freie Träger den Bau neuer Kindergärten vorantreiben, werden in den nächsten Jahren zahlreiche Fachkräfte benötigt. Allein bis zum Jahr 2024 sollen mehr als 700 Erzieher*innen neu eingestellt werden, hatte die Stadtverwaltung im Frühjahr 2021 erklärt und ein gemeinsames Modellprojekt mit der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter Mönchengladbach sowie dem Maria-Lenssen-Berufskolleg gestartet: Beworben wurde eine Umschulung zum Erzieher oder zur Erzieherin in Form einer Praxisintegrierten Ausbildung (PiA). Da die Umschüler*innen von Beginn an in einer Kita angestellt sind, erhalten sie, anders als bei der schulischen Erzieherausbildung, ein Ausbildungsentgelt. Und sie werden darüber hinaus von der Agentur für Arbeit in den ersten zwei Jahren zusätzlich gefördert.
Das gemeinsame Werben hat sich gelohnt. Am Maria-Lenssen-Berufskolleg konnten Umschüler*innen in zwei PiA-Klassen aufgenommen werden. Inzwischen liegen die ersten Monate hinter ihnen. "Durch Zufall war ich auf einen Zeitungsartikel gestoßen, der das Pilotprojekt ankündigte. Ich habe ihn gelesen, weggelegt, gelesen, weggelegt – ein paar Tage ging das so. Dann habe ich zum Telefon gegriffen, mich bei der Arbeitsagentur beraten lassen und mir danach spontan ein sechswöchiges Praktikum in einer Kindertagesstätte gesucht", erzählt Stefan Päßler. Schon zuvor hatte der 50-Jährige für sich den Entschluss gefasst, beruflich noch einmal etwas Neues zu starten: "Ich hatte mein Leben lang, zuletzt als Leiter einer Personalabteilung, mit Menschen zu tun. Allerdings habe ich immer stärker gespürt, dass ich das noch einmal in einer ganz anderen Form tun möchte."
Stefan Päßler besucht wie die anderen Umschüler*innen mittwochs und donnerstags das Berufskolleg an der Werner-Gilles-Straße in Rheydt. Freitags bietet ihnen die Stadt Mönchengladbach zusätzlich ein oder zwei Mal im Monat Seminare an, in denen zum Beispiel die kollegiale Beratung oder der Kinder- und Jugendschutz thematisiert werden. Montags, dienstags und freitags arbeiten die Umschüler*innen in unterschiedlichen Kindertagesstätten mit, die sie vor Umschulungsbeginn bereits über Praktika kennengelernt hatten. "Praktika sind im Vorfeld verpflichtend, damit sich die Interessenten einen konkreten Eindruck von der Tätigkeit als Erzieher oder Erzieherin machen können und die Umschulung für sie zu einem Erfolg werden kann", erklärt Eva Krause, zuständige Teamleiterin der Agentur für Arbeit Mönchengladbach. "Stellen beide Seiten durch das Praktikum fest, dass sich das Interesse verfestigt hat, erfolgen die Anmeldung am Berufskolleg und kann mit der Arbeitsagentur oder dem Jobcenter eine Vereinbarung getroffen werden, so dass die dreijährige Umschulung starten kann." Das war in diesem Jahr im August so – und das wird 2022 wieder so sein.
Die Partner des Projektes haben sich darauf verständigt, auch nächstes Jahr wieder gemeinsam für diese Umschulung zu werben. Dazu erklärt Silke Venten, PiA-Klassenlehrerin am Maria-Lenssen-Berufskolleg: "Für uns ist 2022 denkbar, wieder bis zu 15 Umschüler in die Klassen der Praxisintegrierten Ausbildung für Erzieherinnen und Erzieher aufzunehmen."
Finanziell ist die Umschulung nicht uninteressant, berichtet Jessica Kitschke. Der Kosmetikerin ging während der Corona-Pandemie die Arbeit verloren. Sie wurde zunächst in Kurzarbeit geschickt, erkannt dann aber ihre "Chance, über die Umschulung in einen Beruf zu wechseln, den ich mir früher schon für mich hatte vorstellen können". Sie nennt den Lohn, der ihr nach der PiA-Ausbildung winkt, attraktiv: "Und auch jetzt kommt man durch die Ausbildungsvergütung gut über die Runden, die noch über den Arbeitslosengeld-Freibetrag aufgestockt wird." Darüber hinaus können über die Arbeitsagentur zusätzlich Kinderbetreuungs- und Fahrtkosten gefördert werden.
Übereinstimmend ist die Zustimmung, dass der Schritt richtig gewesen ist, die Umschulung in Mönchengladbach zu beginnen. "Morgens fahre ich total gerne in die Kita", sagt Stefan Päßler. "Man hat uns sofort in die Arbeit eingebunden. Für Menschen, die aus dem Arbeitsprozess kommen, ist das aktive ,Mitwirken können‘ besonders wichtig. Die Arbeit ist zwar anstrengend, das darf man nicht unterschätzen. Sie gibt jedenfalls meinem Leben einen tiefen Sinn – denn es geht um das Wohl der Kinder!"