Von Entspannungstechniken bis zu Ernährungsfragen
Viele Mittelständler haben bereits darauf reagiert und bieten ihren Mitarbeitern Fitnesskurse, Massagen oder Vorträge über gesunde Ernährung an. Manche gehen ganzheitlicher vor und entwickeln ein richtiges Betriebliches Gesundheitsmanagement. Der Marzipan-Spezialist Niederegger in Lübeck etwa hat herausgefunden, dass die meisten Ursachen für Krankmeldungen im Hause auf Herz-Kreislauf- und Atemwegsprobleme zurückzuführen sind, oft auch auf Bewegungsmangel. Das Unternehmen reagierte und beriet die Mitarbeiter über Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bot Schnupperkurse für Entspannungstechniken und Sport, schulte in Ernährungsfragen. Mit Erfolg. Die Mitarbeiter sind zufriedener, selbst die Atemwegserkrankungen haben durch ein spezielles Nichtraucherprogramm abgenommen. Was die Zufriedenheit aber vor allem ausmacht, ist die Tatsache, dass das Unternehmen sich um sie kümmert. Das motiviert und trägt enorm zur Identifikation mit dem Arbeitgeber bei.
Leider bleibt es oft bei Einzelmaßnahmen, wenn Unternehmer etwas für die Belegschaft tun wollen. Jörn Lauk, Mitglied der Geschäftsleitung bei Walter Lauk, stellte vor ein paar Jahren Fitnessgeräte in einen Nebenraum der Firma. Irgendwann bildeten sich erste Staubschichten auf Hanteln und Crosstrainern. „Es reicht nicht, einfach nur etwas hinzustellen und zu denken: Macht mal!“, erkannte der 57-Jährige. Die Mitarbeiter mieden den Raum wie Schüler ihre Hausaufgaben. Lauk musste mehr über sie erfahren.
Zitat:„Es reicht nicht, einfach Fitnessgeräte hinzustellen und zu denken: macht mal!" (Jörn Lauk, Geschäftsleitung)
Den Anstoß dazu gab ihm seine Tochter Melina. Sie arbeitet als Controllerin im Betrieb ihres Vaters und hat Ökotrophologie studiert. Schon immer interessierte sie sich dafür, wie man Arbeit und Gesundheit besser miteinander vereinbaren kann. Also ließ sie Fragebögen von der Belegschaft ausfüllen: Was braucht ihr, wie fühlt ihr euch, was können wir verbessern? „Da kamen wichtige und unerwartete Antworten“, sagt die 26-Jährige. Manche brauchten eine Ernährungsberatung, andere einen separaten Raum zum Mittagessen, wieder andere ein gezieltes Rückentraining. Das spornte die sportliche Unternehmerstochter zu einem ganz neuen Konzept an, das sie schließlich ihrem Vater vorschlug: Sport- und Beratungskurse sowie gemeinsames Kochen mit der Belegschaft sollten eingeführt – und das gesamte Souterrain der Firma in einen Erholungsbereich für Mitarbeiter verwandelt werden.
Ganzheitliches Gesundheitsmanagement bei Walter Lauk
Wer die Räume heute betritt, fühlt sich wie bei Freunden zu Hause. Deckenstrahler tauchen die Zimmer in warmes Licht. Eine große Lounge mit Sofanischen und Essecken lädt zum Ausruhen ein. Bilder vom Hafen zieren die Wände, Pflanzenkübel verschönern den Raum. Im Zentrum sorgen Tischkicker und Billardtisch für Stressabbau. Alles wirkt gemütlich, privat. Genau wie die moderne Küche mit den Kirschholzflächen und dem Küchenblock in der Mitte. Einmal im Monat finden hier Kochkurse statt. Geht man den Flur hinunter, gelangt man in eine Umkleidekabine mit Dusche. Hier macht sich die Laufgruppe mittags bereit für das halbstündige Intervalltraining.
Es weht ein neuer Wind im Unternehmen. „Man muss nicht massig viel investieren, um Mitarbeitern etwa Gutes zu tun“, sagt Melina Lauk, „Es reicht, wenn man Räume schafft, die nur ihrem Wohl dienen, eine einfache Küche reicht, eine gebrauchte Couch, hübsche Kissen, ein paar Bilder – aber mit Liebe zusammengestellt.“ All das sei nur ein Teil der Maßnahmen. Lauks Tochter geht es um mehr: Durch die Informationen der Mitarbeiter wurde viel klarer, was sie brauchen. Die Kochschulung, das Ernährungscoaching, das Rückentraining, gemeinsame regelmäßige Mittagessen, die nebenbei das Teamgefühl stärken – und eine Laufgruppe. Mittlerweile nimmt sie unter dem Firmennamen Lauk am Staffeltriathlon teil.
Burn-out in der Geschäftsleitung
Wäre seine Tochter nicht die treibende Kraft gewesen, würde Jörn Lauk das Souterrain heute wohl immer noch als Firmenarchiv nutzen. Schon sein Vater, der das Unternehmen gegründet hat, saß bis zum Ruhestand „an einem Schreibtisch mit Telefon, Schreibmaschine und starkem Kaffee“. Mittags aß er nebenbei. Und die Tradition setzte sich fort. Obwohl Jörn Lauk immer sportlich war, verschlang er am Schreibtisch Pasta aus der Mikrowelle, Burger oder Pizza. 17-Stunden-Tage waren keine Seltenheit. Lauk erinnert sich an Phasen, in denen man sich auch mal gegenseitig anbrüllte. „Dann dachte ich, der Sturm zieht vorbei, sobald das Projekt beendet ist.“ Aushalten. Weitermachen. Auf Dauer tat das nicht gut. Irgendwann war der Erfolgsdruck für den leidenschaftlichen Marathonläufer so hoch, dass er selbst an Burn-out zu erkranken drohte.
Noch rechtzeitig zog Lauk die Reißleine. Er nahm sich Ruhepausen und stellte seine Ernährung um. Er sprach vor seinen Mitarbeitern und forderte sie persönlich auf, beim Gesundheitsprogramm mitzumachen. Das spornte viele an. „Es wird noch nicht so angenommen, wie ich es mir vorgestellt habe“, sagt der ehrgeizige Leistungssportler.
Wie Gesundheitsmaßnahmen Fachkräfte anziehen
Dass selbst eine kleine Laufgruppe für mehr sorgt als nur ein Freizeitvergnügen, hat seine Tochter längst erkannt. „Beim Staffeltriathlon fiebert die Belegschaft regelrecht auf das Ergebnis ,ihrer‘ Mannschaft hin“, sagt sie, „das trägt unheimlich zum Teamgeist bei.“ Es hat etwas Zeit gebraucht, bis ihr Vater das verstanden hat. Mittlerweile ist er überzeugt davon, dass die Maßnahmen für die Mitarbeiter wichtig sind und dass sie auch Nachwuchskräfte überzeugen, sich für seine Firma zu entscheiden. Der neue Geist in seinem Hause gibt ihm recht. Viele Mitarbeiter bei Lauk sind unter 30 Jahren. Sitzen sie in der Lounge zusammen, könnte man den Raum mit einem Start-up verwechseln.
Zitat:„Beim Staffeltriathlon fiebert die Belegschaft auf das Ergebnis ,ihrer' Mannschaft hin." (Melina Lauk)
Es ist zwölf Uhr, der Server im Großraumbüro funktioniert wieder. Die geladene Stimmung hat sich in ein gelöstes Miteinander verwandelt. Es wird gelacht, jemand ruft einen Witz durch den Raum. Auch heute hat sich ein Team für den Küchendienst bereit erklärt. Es gibt Salat, Nudeln mit selbst gemachter Tomatensauce und zum Dessert einen Fruchtmix. Marcel Grupe muss nach dem Schock noch etwas runterkommen und spielt mit Kollegen eine Runde Tischkicker. „Heute war keine Zeit für die Laufgruppe, aber morgen holen wir das nach“, sagt er. Man glaubt es ihm sofort.