31.08.2022 - Nicole Benke -9 MinutenArbeitswelt gestalten
Laut Gesetz ist sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verboten. Trotzdem hat jede:r elfte Beschäftigte sie in den letzten Jahren erlebt. Wie Betroffene sich wehren können und was Arbeitgeber:innen tun sollten – und müssen.
Ein sexistischer Witz, eine ungewollte Umarmung, anzügliche Blicke: Eine aktuelle Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zeigt, dass jede elfte erwerbstätige Person in den letzten drei Jahren von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz betroffen war. Am häufigsten durch verbale Belästigungen, wie sexualisierte Kommentare, durch Blicke oder Gesten. Mehr als ein Viertel der Betroffenen berichten auch von unerwünschten Berührungen oder Annäherungen. „Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz gibt es in allen Branchen, und jede Person kann ein Opfer sein. In den meisten Fällen belästigen aber Männer Frauen“, sagt Ferda Ataman, Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes. Täter:innen sind Vorgesetzte, Kolleg:innen, aber auch Kund:innen, Klient:innen oder Patient:innen.
Sexuelle Belästigung wird oft verharmlost
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist erniedrigend, belastend und für Betroffene häufig auch bedrohlich. Die Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit sind fatal: Angst, Scham, Ekel, Motivationsverlust und Konzentrationsschwierigkeiten, aber auch Schlafstörungen und Depressionen können die Folge sein. Vor allem dann, wenn Opfer sich nicht trauen, die Belästigung zu melden, oder wenn ihre Beschwerde nicht ernst genommen wird. Das kann bis zur Arbeitsunfähigkeit führen. „Nicht zuletzt leiden auch das Betriebsklima und das Image eines Unternehmens, in dem es sexuelle Belästigung gibt“, sagt Ataman.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet jede Form der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz. Das Problem: Sexuelle Belästigung wird oft heruntergespielt. Vor allem verbale und nonverbale Belästigungen werden immer wieder verharmlost. „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“, heißt es dann. Doch wer im beruflichen Kontext was tun oder sagen darf, ist klar geregelt. Und ob ein Verhalten einen sexuellen Charakter hat, darüber entscheidet laut Gesetz die Wahrnehmung der Betroffenen – nicht die Absicht der Täter:innen.
„Viele denken, sexuelle Belästigung fängt erst bei körperlichen Übergriffen an. Sie beginnt aber schon viel früher“, sagt Ataman. Grundsätzlich ist sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz jegliches sexualisierte Verhalten, das von der betroffenen Person nicht erwünscht ist und das ihre Würde verletzt. Und das sind eben nicht nur verbale und physische Belästigungen, wie zweideutige Kommentare und sexistische Witze oder unerwünschte und unangemessene Berührungen. Auch anzügliche Blicke, Hinterherpfeifen oder das ungefragte Zeigen oder Verschicken pornografischer Bilder gehören dazu.