20.07.2022 - Maria Zeitler -7 MinutenArbeitswelt gestalten
Ausschließlich im Homeoffice zu arbeiten oder jeden Tag ins Büro zu fahren ist nach der Pandemie nur noch für wenige vorstellbar. Neue Ideen müssen her: Um die kümmert sich beim Softwareanbieter DATEV Rainer Schubert: Er ist „Leiter Entwicklung neuer Arbeitswelten“ und erklärt, welche Rolle ein „dritter Ort“ spielt – und wie man sich mit New Work die Fachkräfte sichert.
Faktor A: Wie sieht die Arbeitswelt momentan beim Unternehmen DATEV aus?
Rainer Schubert: Die gerade von vielen Unternehmen praktizierte Aufteilung zwischen fester Büropräsenz und Homeoffice-Tagen gibt es bei uns nicht: Eine Quote zu verordnen, wie viel Zeit unsere Mitarbeitenden an welchem Arbeitsort verbringen sollen, passt nicht zu unserer offenen Unternehmenskultur. Wir überlassen es den Teams selbst, für sich sinnvoll einzuschätzen, wie oft sie sich in Präsenz sehen sollten und an den Standort kommen. Es kann also durchaus sein, dass das eine Team regelmäßig Zeit am Standort verbringt. Ein anderes Team kommt dafür zwei oder drei Wochen gar nicht ins Büro und dann vielleicht eine Woche lang jeden Tag. Diese Freiheit wollen wir den Menschen schenken, gleichzeitig darf die Produktivität natürlich nicht leiden. Wir wollen mit unserem Ansatz das Team und wie es am effektivsten arbeiten kann in den Mittelpunkt stellen.
Ganz oft sind also weniger Mitarbeiter in der Unternehmenszentrale. Wie haben sich die Büros dadurch verändert?
Es gibt weniger (aber noch ausreichend) Einzelarbeitsplätze. Dafür gibt es viele Zonen für die Zusammenarbeit, in denen Teams an einem Ort neben Arbeitsplätzen auch Kommunikations-, Projekt-, Kreativ- und Rückzugsorte finden. Zusätzlich gibt es die große „Community Hall“ mit Arbeitsplätzen, Meeting-Flächen – und Barista. Hier treffen sich morgens viele unserer Mitarbeitenden bei einem Kaffee, bevor sie an einen Arbeitsplatz im Coworking-Space oder in eine Homezone an unserem IT-Campus gehen. Es ist toll, wie viele neue Netzwerke sich auf diese Weise gebildet haben, auch unter vorher fremden Kollegen. Der Ort bewirkt, dass sich Menschen persönlich austauschen und auch wieder an den Standort kommen.
Unternehmenszentralen, Standorte und Büros verändern sich also, aber müssen sich dadurch auch neu definieren. Welche Funktion müssen sie in Zukunft erfüllen?
Feste Standorte bleiben weiterhin wichtig, weil wir einen Identifikationsort brauchen. Die Teamidentifikation, die informelle Kommunikation und der soziale Austausch haben in der Pandemie sehr gelitten. Umso mehr brauchen wir jetzt einen Ort, an dem sich die Mitarbeitenden wohlfühlen und an dem das Miteinander und die Kollaboration wieder gefördert werden. Der Standort muss in Zukunft also ein Kommunikations-Identifikations-Community-Ort sein, an dem Mitarbeitende das Gefühl haben, heimzukommen in das Unternehmen. Für die meisten ist der Standort also ein Ort für die Zusammenarbeit im Team – manche möchten hingegen weiter jeden Tag auch für die Einzelarbeit ins Büro kommen, weil sie sich eine klare Trennung zwischen Privatem und Beruf wünschen. Das zeigt, wie vielfältig und individuell die Menschen sind. Deshalb ist es so wichtig, dass wir einen großen Blumenstrauß an Arbeitsmöglichkeiten anbieten. Jede und jeder soll sich sein eigenes Setting heraussuchen, das er oder sie zum guten Arbeiten benötigt.