22.04.2020 - Nele Justus -5 MinutenArbeitswelt gestalten
Zuletzt aktualisiert: 06.06.2023
Und? Haben Sie auch schon Rücken? Homeoffice kann zum ergonomischen Albtraum werden. Und zur psychischen Belastung. 7 Tipps, wie Sie sich und Ihre Mitarbeiter davor schützen.
Wenn alle von heute auf morgen von zu Hause aus arbeiten, mangelt es oft nicht nur an der richtigen Infrastruktur, sondern auch an Dingen, die einem sonst ganz selbstverständlich vorkommen: angefangen bei einem ordentlichen Stuhl bis hin zu einem externen Bildschirm und einer zusätzlichen Maus. Die Folge: Rückenschmerzen, Verspannung und schnellere Erschöpfung
„Gerade Homeoffice-Neulinge machen es sich oft zu einfach und setzen sich mit ihrem Laptop aufs Sofa. Dabei ist ein funktionaler und ergonomischer Arbeitsplatz der entscheidende Faktor, um Leistung, Motivation und Wohlbefinden im Homeoffice dauerhaft zu erhalten“, sagt André Siegl, Arbeitsschutzexperte beim TÜV-Verband. Bei mobilen Arbeitsplätzen steht der Arbeitgeber nicht in der Pflicht, einen festen Homeoffice-Arbeitsplatz einzurichten. Aber Siegl gibt zu bedenken: „Arbeitgeber sollten in der aktuellen Situation alles tun, um ihren Beschäftigten die Arbeit im Homeoffice zu erleichtern.“ Und dazu zählen eben auch richtige Verhaltensregeln und die Unterstützung in Krisensituationen.
Tipp 1: Die richtige Haltung
Wenn Sie zu Hause wählen können, an welchem Tisch Sie sitzen, dann gilt: Die Höhe des Arbeitstisches ist dann optimal, wenn er auf einer Linie mit den Ellenbogen oder knapp darunter liegt. Auch ein guter Anhaltspunkt: Zwischen den Oberschenkeln und der Unterseite des Tisches ist noch eine Handbreit Platz. Ideal wäre außerdem ein Stuhl, der die Wirbelsäule stützt und wechselnde Körperhaltungen ermöglicht. Im besten Fall sind Sitz und Armlehnen höhenverstellbar und die Rückenlehne dynamisch.
Da die meisten aber eben nicht den perfekten Bürostuhl zu Hause stehen haben, ist es umso wichtiger, auf die Sitzposition zu achten. Bedeutet: Ober- und Unterarme sowie Ober- und Unterschenkel sollten sich in einem 90-Grad-Winkel zueinander befinden. Und: Die Füße sollten beim Sitzen vollständig den Boden berühren. Auch ein Gymnastikball kann zwischendurch für Abwechslung sorgen. „Langes Sitzen führt – egal auf welchem Stuhl – zwangsläufig zu Rückenschmerzen“, warnt Siegl.
Tipp 2: Den richtigen Platz wählen
Der beste Platz wäre parallel zum Fenster. So kann das Licht von der Seite einfallen und stört nicht beim Arbeiten. Und: Sie können regelmäßig lüften. Das erhält die Konzentrationsfähigkeit und das Erinnerungsvermögen und ermöglicht ein gleichbleibend hohes Energielevel, rät der Arbeitsschutzexperte.
Tipp 3: Sich mehr bewegen
Allein schon weil der Weg zur Arbeit, zu Terminen, in die Kantine oder die Kaffeeküche wegfallen, bewegen wir uns momentan zwangsläufig weniger. Bedeutet: Der Körper wird mit weniger Sauerstoff versorgt, der Kreislauf kommt nicht so gut in Schwung. Wir werden schlapp, müde, unkonzentriert. Zu einem gesunden Arbeitsalltag gehöre aber eine ausgewogene Balance zwischen Sitzen, Stehen und Bewegung, so Siegl. Als Faustregel empfehlen Orthopäden: 50 Prozent Sitzen, 25 Prozent Stehen und 25 Prozent Gehen. Im Homeoffice sollte man sich also auch immer wieder daran erinnern, in Bewegung zu kommen. Etwa: beim Telefonieren durch die Wohnung schlendern oder ab sofort nur noch im Stehen lesen.
Tipp 4: Technik nachrüsten
Auf Dauer ist ein Laptop im Homeoffice nur bedingt geeignet, weil man damit weder den idealen Abstand zum Bildschirm noch die Hand ergonomisch halten kann. Wenn also irgendwie möglich, lohnt sich der Weg ins Büro, um sich mit einer externen Tastatur, einem Bildschirm und einer Maus einzudecken, rät Siegl. Und dann gilt: Platz schaffen. Am besten richtet man sich zu Hause einen festen Arbeitsplatz ein. Das hilft auch, um im Kopf eine Grenze zwischen Arbeit und Freizeit zu ziehen. Und dann stellen Sie den Monitor etwa 50 bis 80 cm vom Auge entfernt auf und richten ihn so aus, dass die oberste Zeile nicht über Augenhöhe reicht. Das entspannt den Nacken und die Augen. Wer keinen externen Monitor, dafür aber eine externe Tastatur hat, kann natürlich auch seinen Laptop höher stellen.
Tipp 5: Strukturen schaffen und Grenzen ziehen
Nicht jeder ist für Homeoffice geeignet und genießt die Freiheit und Selbstbestimmtheit, die es mit sich bringen kann. Eine Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK-Krankenkassen von 2019 belegte etwa, dass Menschen, die viel im Homeoffice arbeiten, häufiger mit psychischen Problemen zu kämpfen hatten als jene, die jeden Tag ins Büro fuhren. Sie litten etwa unter Erschöpfung, Konzentrationsproblemen und Schlafstörungen. Der Grund: Die Trennung zwischen Privat- und Berufssphäre löst sich stärker auf.
So arbeiten Menschen im Homeoffice öfter am Abend oder am Wochenende. Sie beantworten schon frühmorgens Mails im Bett und bekommen deutlich häufiger Anrufe und E-Mails von Vorgesetzten außerhalb der Arbeitszeiten. Was da hilft: Entwickeln Sie in Ihrem Unternehmen Strategien, um sich und Ihre Mitarbeiter vor einem solchen Verhalten zu schützen. „Und schaffen Sie sinnvolle Strukturen, die allen das Leben vereinfachen“, rät auch Körpertherapeutin und Hypnosecoach Anne Gurowski.
Das bedeutet konkret: Besprechen Sie, wann Sie im Homeoffice erreichbar sind und wann nicht. Treffen Sie klare Vereinbarungen, etwa über Antwortzeiten, die verhindern, dass Ihre Mitarbeiter bis spätabends noch die Mails checken. Und ziehen Sie auch persönlich Grenzen. Räumlich, mit einem festen Arbeitsplatz; zeitlich, indem Sie für sich Pausenzeiten definieren, aber auch, wann der Arbeitstag für Sie endet und wann er beginnt; gedanklich, indem Sie Ihre To-dos in Arbeitsblöcke einteilen, die Sie dann konzentriert und fokussiert abarbeiten können.
Tipp 6: Rituale schaffen
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Routinen schaffen Sicherheit. „Eine äußere Struktur schafft eine innere Struktur und stärkt einen besonders in außergewöhnlichen Situationen“, sagt Anne Gurowski. Bleiben Sie also den Ritualen treu, die Sie im Büroalltag eh schon gelebt haben. Stehen Sie etwa zur gleichen Uhrzeit auf, duschen und frühstücken Sie und setzen sich erst dann an Ihren Schreibtisch – nur eben zu Hause. „Halten Sie auch Ihre üblichen Essens-, Arbeits-, Pausen- und Schlafenszeiten ein. So beugen Sie dem Kontrollverlust vor“, meint Gurowski. Und es hält Sie außerdem davon ab, als Erstes nach dem Aufstehen Mails zu checken oder so lange weiterzumachen, bis Sie erschöpft und völlig überarbeitet umfallen. Was auch helfen kann: Gönnen Sie sich ein individuelles Highlight pro Tag, auf das Sie sich freuen können, egal was. Das hält die Stimmung und die Motivation hoch.
Tipp 7: Machen Sie Pausen
Gerade im Homeoffice ist es wichtig, eine Balance zu finden und sich nicht permanent zu überfordern. „Deswegen sind Ruhepausen ganz wichtig – sowohl physisch als auch mental“, sagt Anne Gurowski. „Sie haben eine direkte Auswirkung auf unseren Körper, bauen Stress ab und sorgen für Entspannung.“ Was hilft? Zum Beispiel Sport oder ein Spaziergang. Alles, was Koordination, Kraft oder auch Ausdauer aufrechterhält oder fördert, ist derzeit besonders förderlich, um das Immunsystem zu stärken. Sie können aber auch Bücher lesen, Musik hören und dazu tanzen, mit Kollegen, Freunden oder der Familie telefonieren – Hauptsache, es fühlt sich gut an. „Das ist der Vorteil von Homeoffice. Dass man etwas machen kann, was im Büroalltag nicht möglich wäre.“