Vom Manager zum Milchbauern

Thorsten Zellmann war zufrieden mit seinem Managerposten bei Bosch. Warum er dennoch den Hof seines Vaters übernahm und Milchbauer wurde.


26.07.2016 - Esther Werderinghaus -3 MinutenArbeitswelt gestalten

Er reiste um die ganze Welt, fuhr schicke Dienstwagen und verantwortete wichtige Projekte: Thorsten Zellmann war zufrieden als Manager bei Bosch. Dann wurde er Milchbauer.

„Mein Vater war 45 Jahre lang Milchbauer in seiner Molkerei im Taunus und hat das ganze Jahr 130 Kühe und 60 Hektar Land versorgt. Er liebte diese Tätigkeit – so wie ich meine leitende Funktion als Industrie-Manager bei Bosch Rexroth. Damals hatte ich beruflich auf der ganzen Welt zu tun. Ich entwickelte Automobilkomponenten und Antriebe für Produktionsmaschinen, leitete Projekte in China, Mexiko, den USA und führte ein ruheloses, aber abwechslungsreiches Leben.

Dann, vor sechs Jahren, erkrankte mein Vater. Er rief mich an und war ganz niedergeschlagen. ‚Thorsten, ich muss den Hof verkaufen‘, sagte er und ich konnte hören, wie weh ihm das tat. Und dann antwortete ich zu meinem eigenen Erstaunen: ‚Das musst du nicht, ich kann dir helfen‘.

Das hätte er nie erwartet. Er sah mich ja kaum noch, weil ich ständig unterwegs war. Doch meine Liebe zur Landwirtschaft hatte ich ja auch als Ingenieur nie verloren. Ich bin promovierter Agrarwissenschaftler und habe mich auch nebenberuflich immer mit Umweltschutz und nachhaltiger Landwirtschaft beschäftigt.

Zitat:

„Bosch zu verlassen, hat mir schlaflose Nächte beschert. Aber das wollte ich, das war ich!“

Zunächst änderte sich beruflich nichts für mich. Erstmal kümmerte ich mich nur nebenbei um den Birkenhof und merkte immer mehr, wie sehr ich die Landwirtschaft vermisst hatte. Hier hatte ich meine ganze Kindheit verbracht. Leider wurde mir schon bald die Arbeit zu viel und ich musste mich ernsthaft fragen, ob ich dieses Doppelleben noch weiterführen kann. In dieser Zeit traf ich eine Entscheidung, die gleichzeitig die größte Herausforderung meines Berufslebens war: Ich verließ Bosch. Das zu entscheiden hat mir schlaflose Nächte beschert, aber am Ende war der Entschluss unumkehrbar. Das wollte ich, das war ich!

Investition in die eigene Molkerei

Meine Kollegen konnten das natürlich nicht verstehen. Wie kann ein erfolgreicher Ingenieur bei den heutigen Milchpreisen in eine Molkerei investieren? Sie hatten ja recht: Der Verfall der Milchpreise ist katastrophal. Bei 21 Cent pro Liter kann man nicht einmal die Fixkosten decken. Doch ich bin niemand, der die Dinge dem Zufall überlässt. Ich habe mir meine Geschäftsidee gut überlegt, bevor ich das Risiko eingegangen bin.

Ich hatte erfahren, dass die Nachfrage nach regionalen Produkten in den Supermärkten recht hoch ist. Die hochwertige Milch vom Birkenhof könnte ich an ausgewählte Händler liefern und dafür, so sagte es mir ein Filialleiter, etwas mehr Geld verlangen. Das leuchtete mir ein und vor allem deshalb wagte ich den Sprung in die Selbstständigkeit. Ich nahm einen Kredit von rund einer halben Million Euro auf und steckte das Geld in den Aufbau der Molkerei.

Behördliche Auflagen kosten Zeit – und Geld

Thorsten Zellmann
© Privat - Thorsten Zellmann war Manager und macht jetzt Karriere als Molkereibesitzer und Milchbauer.

Die Umstellung lief gut. Ich schaffte mir einen Pasteurisator an, der die Milch kurzzeitig erhitzt und wieder abkühlt, erwarb einen Homogenisator und eine Abfüllanlage – alles aus Edelstahl in eigens dafür ausgestatteten Räumen, die man nur im Kittel und mit Haarnetz betreten darf.

Die Hofmilch kam gut an. Gleich nach der öffentlichen Präsentation während des Apfelprobiertags in Misselberg wollte ich die Ware in vier Märkte liefern.

Doch die Behörden machten mir einen Strich durch die Rechnung. Sie verlangten mehrfach Nachweise über die einwandfreie Funktion der Molkerei, was zusammengenommen etwa vier Monate dauerte. In dieser Zeit entgingen mir alle Einnahmen, mit denen ich bereits gerechnet hatte.

Das waren wieder harte Monate und auch da einige schaflose Nächte. Doch das ist nun vorbei. Die Auflagen sind erfüllt, inzwischen verkaufe ich wöchentlich rund 3500 Liter Milch an Supermärkte, Hotels, Dorfläden und Schulen im Umkreis. Wenn dies stabil läuft, möchte ich mich gerne um weitere Produkte wie Quark und Joghurt kümmern.

Ein Leben als Milchbauer – kein Bilderbuchidyll

Meinem Vater geht es wieder gut, aber er kann nicht wieder voll in den Betrieb einsteigen. Manchmal steht er schmunzelnd vor dem Melkroboter, der so still und leise seine „Mädchen“ melkt. Er selbst hatte ja noch eine herkömmliche Melkmaschine benutzt, was viel aufwendiger war.

Heute trotten die Milchkühe in ihrem Boxenlaufstall selbstständig zum Melken. Sie werden dabei vom süßlich schmeckenden Kraftfutter angelockt. Am Computer kann ich neben der Milchmenge auch den Fett- und Eiweißgehalt der Milch ablesen. Das Besondere an meiner Milch ist, dass diese Komponenten je nach Saison variieren und der Kunde schmecken kann, welche Jahreszeit wir gerade haben. So sollten Lebensmittel sein, finde ich.

Zitat:

„Ich bin kein Träumer.“

Obwohl ich mich intensiv um meine Milchkühe und die Nachzucht von den Jungtieren kümmere, bin ich kein Träumer. Die moderne Landwirtschaft hat nichts mit einem Bauernhof-Idyll aus dem Bilderbuch zu tun. Ich bewege mich im ständigen Spagat zwischen artgerechter Haltung und Wirtschaftlichkeit. Das ist eine große Herausforderung, und das wird es auch immer bleiben. Aber genau das will ich.“


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