12.04.2017 - Julia Holzapfel -4 MinutenArbeitswelt gestalten
Alle 18 Minuten unterbrechen wir die Arbeit, um auf das Smartphone zu kucken. Das hat erhebliche Folgen für Produktivität und Gesundheit. Gegen zu viel Ablenkung gibt es aber wirkungsvolle digitale Helfer.
Hinsetzen, PC einschalten, Unterlagen zurechtlegen und starten. Er ist so vielversprechend, der Beginn des Arbeitstages im Büro. Bis zu dem Moment, in dem die Kollegin das witzige Kätzchen-Video schickt, der Sohn auf Whatsapp seine Freude über die bestandene Mathe-Klausur mitteilt oder man beim Durchstöbern der Branchen-Websites plötzlich auf einem fachfremden Artikel über Sommer-Grilltipps landet.
Dadurch geht nicht nur Zeit verloren. Laut einer Studie der Michigan State University verdoppelt bereits eine Unterbrechung von drei Sekunden die Fehlerquote. Werden Aufgaben gleichzeitig statt nacheinander erledigt, sinkt die Leistungsfähigkeit des Gehirns um 20 bis 40 Prozent. Zudem haben Wissenschaftler der Universität Bonn festgestellt, dass der Durchschnittsnutzer 53-mal am Tag das Handy aktiviert und dafür alle 18 Minuten seine Tätigkeit unterbricht.
Für Unternehmen kann das weitreichende Folgen haben. Die Produktivität sinke, die Burnout-Gefahr steige, manches Nutzungsverhalten grenze an Abhängigkeit, so das Bonner Team aus Psychologen und Informatikern. Sogar über mangelndes Glücksempfinden bei den Probanden berichten die Forscher. Zwar würden manche Firmen einen Zugriff auf die Arbeits-E-Mails nach Feierabend unterbinden, doch es seien die Ablenkungen und Unterbrechungen im Arbeitsalltag, welche die Probleme auslösten.
Diesen Aussagen, die der Informatiker Alexander Markowetz in dem Buch „Digitaler Burnout“ zusammengefasst hat, liegt die Auswertung von 60.000 Datensätzen zugrunde, die die Wissenschaftler mit der eigens entwickelten App „Menthal“ sammeln. Sie zeichnet auf, wie und wie lange jemand das Smartphone nutzt, und übermittelt die Daten anonymisiert an die Universität. Weil der Anwender die Daten in der schlank designten App auch selbst einsehen kann, eignet sie sich zur Selbstkontrolle, um das eigene Nutzungsverhalten auf der Basis von Zahlen zu überdenken.
Die Forscher weisen auf viele Gefahren hin, digitale Anwendungen und Smartphones können und werden aber nicht wieder aus dem Arbeitsalltag verschwinden. „In einem ersten Schritt haben wir die Geräte geschaffen, in einem zweiten müssen wir uns nun gesunde Umgangsformen angewöhnen“, sagt Markowetz. Es mag paradox klingen, dass uns bei diesem Lernprozess auch ausgerechnet wieder Apps unterstützen können. Richtig eingesetzt können diese digitalen Helfer aber den Arbeitsablauf und damit die psychische Gesundheit fördern.
Das eigene Smartphone-Verhalten überprüfen: „Menthal“
Alle 18 Minuten lassen wir uns vom Smartphone ablenken. Sie nicht? Ganz sicher? Die App „Menthal“ zeichnet auf, welche Anwendungen wir wann und wie lange verwenden, und liefert den Nutzern – und dem Forscherteam aus Psychologen und Informatikern der Universität Bonn – wertvolle Anhaltspunkte, wie der Umgang mit dem Smartphone unseren Alltag verändert. Die übersichtlich gestaltete App ist kostenlos, nur in einer Android-Version erhältlich und wurde bereits über 300.000-mal heruntergeladen.
Unterbrechungen minimieren: „Freedom“ und „Focus“
Der Erfinder des Tools „Freedom“, Fred Stutzman, fühlte sich während der Erstellung seiner Doktorarbeit ständig abgelenkt. Statt konzentriert an seiner Promotion zu arbeiten, vertrödelte er Zeit auf Facebook, Instagram oder Youtube. Daraufhin nutzte der Informatiker seine Kenntnisse und entwickelte eine App, die den Zugang zu ausgesuchten Apps und Webseiten für einen bestimmten Zeitraum blockiert.
Die Programme und die Dauer der Sperre legt man selbst fest. Mehrere Geräte (iOS, Mac und Windows) lassen sich miteinander synchronisieren, sich über das iPhone am Zutrittsverbot vorbeizumogeln funktioniert also nicht. Die einzige Methode, die Sperre aufzuheben, ist ein Neustart des Systems – eine Schmach, die man vor sich selbst aber nur schwer rechtfertigen kann. Eine andere App, mit ähnlicher Funktionsweise und gleichem Ziel, ist „Focus“.