24.10.2023 - Katja Feuerstein -6 MinutenMitarbeiter finden
Pünktlich zum „Shitwoch“ haben wir Bullshit-Bingo für Sie gespielt. Herausgekommen ist eine bunte Liste von Bullshit-Floskeln, mit denen Unternehmen potenzielle Mitarbeitende eher abschrecken als anziehen.
Bullshit steht bekanntlich für „Bullenkot“. Im übertragenen Sinn fällt darunter Blödsinn jedweder Art. Wer Bullshit schreibt, braucht sich also nicht zu wundern, wenn andere sich im wahrsten Sinne „verscheißert“ fühlen. Das gilt im Besonderen für Stellenanzeigen: Eine Stellenanzeige ist in der Regel der erste Kontaktpunkt zwischen Jobsuchenden und Arbeitgebern. Für 85 Prozent der Fach- und Führungskräfte spielt sie bei der Stellensuche sogar die wichtigste Rolle. Und doch wirken viele Jobangebote austauschbar, hinterlassen Fragezeichen statt Begeisterungsstürme. Statt handfester Informationen liefern sie inhaltsleere Floskeln. Ja, es werden Phrasen gedroschen, was das Zeug hält. Das nervt.
Dadurch vergraulen Arbeitgeber nicht nur Fachkräfte. Sie erreichen vielmehr genau das Gegenteil von dem, was Sie eigentlich beabsichtigen: Passendes Personal finden und böse Überraschungen auf beiden Seiten vermeiden. Denn, wer schon in der Stellenausschreibung nicht klar kommuniziert, dem droht im Vorstellungsgespräch oder spätestens nach Stellenantritt das böse Erwachen. Und, mögliche Bewerbende wissen heute, was sie wollen und welche Stellenanzeigen sie gleich ignorieren.
Einmal Bullshit Bingo, bitte
Es ist „Shitwoch“: Herzlich willkommen zu einer neuen Runde Bullshit-Bingo! Faktor A hat für Sie die schlimmsten verbalen Fehlgriffe in Stellenanzeigen gesammelt.
Die Top-Bullshit-Floskeln mit K.-o.-Garantie
Bestimmte Formulierungen im Jobangebot kommen bei Arbeitsuchenden absolut nicht gut an. Und das sind ausgerechnet jene, die oft und gerne von Unternehmen benutzt werden. Also, hüte sich, wer kann!
Die Extrameile gehen
Suchen Sie Profisportler*innen oder Mitarbeitende, die zur Selbstausbeutung neigen? Denn letzteres argwöhnen Bewerbende hier. Und lassen Sie lieber schon mal alleine vorausgehen. Autsch.
Der Obstkorb
Und es gibt ihn noch. Gesund ist er definitiv, aber erwähnenswert? Für viele Jobsuchende gehört er schlicht dazu. Vitamin-Booster in Stellenanzeigen wirken lächerlich. Punkt.
Großer Gestaltungsspielraum
Wir läuten die Runde der inhaltsleeren Floskeln ein. Viel sagen mit schicken Buzzwords, Fehlanzeige! Mit dieser Nummer 1 der Bullshit-Phrasen kann glatt mehr als die Hälfte der Arbeitssuchenden nichts anfangen. Wie bitte?
Dynamisch wachsendes Arbeitsumfeld
„Chancenreich“, „schnelllebig“, „attraktiv“ oder „agil“, lassen wir auch gelten. Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, sagen hierzu trotzdem 58 Prozent. Puh.
Flache Hierarchien
Selbst die sehr häufig zu lesenden "flachen Hierarchien" erfreuen sich großer Unbeliebtheit (57 Prozent). Warten hier spannende Herausforderungen? Wird man schnell in Entscheidungen eingebunden? Kann man zügig aufsteigen? Oder bleibt es beim Duzen vom Chef, der sich auch mal auf einen Kaffee herablässt oder Vorschläge anhört? Bullshit.
Wir haben uns alle lieb und sind die coolsten – geht´s noch?
Kennen Sie das Gefühl, wenn Ihnen Menschen von Webseiten entgegenblicken, denen die Sonne aus dem, äh, Gesicht scheint? Gestellte Bilder oder Videos von glücklichen Mitarbeitenden oder eine Stellenanzeige – wenn das Unternehmen krampfhaft versucht, total hip zu sein, ist das nicht nur peinlich. Es ist unglaubwürdig. Würg.
Eigenengagement
Auch Soft Skills – zwischenmenschliche Fähigkeiten und Kompetenzen –, die Unternehmen von Bewerbenden erwarten, gehören zum Nonplusultra in Stellenanzeigen, bei denen diese regelmäßig Pickel bekommen. Wenn schon aus der Anzeige ersichtlich wird, dass eine „hohe Belastbarkeit“, „hohe Einsatzbereitschaft“ oder „großes Engagement“ erwartet wird, bedeutet dies für viele Mehrarbeit und Überstunden ohne Ende. Schluss mit dem Privatleben? Nein, danke – womit wir wieder bei Punkt 1 wären, Extrameile und so. Hilfe!
Attraktives Gehalt & Co.
Spätestens an dieser Stelle geht es ans Eingemachte. Mit unbestimmten Formulierungen zum Gehalt wird gerne das künftige Einkommen kaschiert. Blöd nur, dass sich Arbeitgeber damit ziemlich verdächtig machen. Egal, ob Sie mit einem „attraktiven Gehalt“, „dynamischen Lohnbestandteilen“, „Investitionen in Ihre Zukunft“, einer „leistungsbezogenen Vergütung“, „überdurchschnittlichen Bezahlung“ oder den „üblichen Sozialleistungen“ aufwarten. Für 24 Prozent ist das Gehalt ein K.-o.-Kriterium. Ein Ausschlussfaktor kann sowohl ein zu geringes Gehalt als auch eine fehlende oder unklare Gehaltsangabe sein. Das gilt auch für die Faktoren Arbeitszeiten (17 Prozent) und Jobsicherheit (14 Prozent).
Denn welches Gehalt ist z. B. „attraktiv“, wenn es unter dem Branchendurchschnitt oder Tarif liegt? Wie „dynamisch“ bleibt ein Arbeitnehmender, wenn erfolgsabhängige Prämien und Boni den Löwenanteil des Verdienstes ausmachen und das Fixgehalt nicht zum Leben reicht? Danach stinkt auch die „leistungsbezogene Vergütung“, bei der noch das Gutdünken des Chefs dazukommt.
Mit einer „überdurchschnittlichen Bezahlung“ können Jobsuchende nichts anfangen, wenn der Durchschnitt unklar ist. Bei „Investitionen in die Zukunft“ denken diese eher daran, dass sie selbst finanziell in Vorleistung gehen müssen, bevor endlich mal Geld rüberwächst. Und mit den „üblichen Sozialleistungen“ outen sich Arbeitgeber damit, dass Sie nicht mehr zahlen, als Sie müssten. Knausrig.
Uni-Abschluss, jahrelange Berufserfahrung, zig Praktika, Zusatzskills, dazu eine schmale Vergütung unter Tarif? Nervtötend sind auch überzogene Qualifikationsanforderungen. Wehe, wer die „eierlegende Wollmichsau“ durchs Stellenportal treiben will. Fabelwesen haben nie existiert und werden es auch nie. Bullshit over and out.
Die K.-o.-Kriterien zeigen ganz klar, dass angesichts der Marktverhältnisse die Bereitschaft zur Selbstausbeutung bei Fachkräften abnimmt. Sie suchen tatsächlich nach besseren Jobs und möchten Angebote in Stellenanzeigen wiederfinden, die zu diesem Wunsch und ihren individuellen Bedürfnissen passen.
Bullshit-Alarm: Wie Sie sich vor dem Säbelzahntiger retten
Offline- oder Online-Stellenanzeigen: In den vergangenen Jahren hat sich hier eine Art Anzeigen-Code entwickelt, der ähnlich wie beim Arbeitszeugnis die Anforderungen an Bewerbende umschreibt, ohne sie wirklich zu benennen. Fast so, als hätten sich alle Personalabteilungen abgesprochen. Was liegt also näher, als ungünstige Arbeitsbedingungen durch ein wenig Sprachkosmetik aufzupolieren? Nicht selten wird aus dieser Phrasendrescherei ein Stellenanzeigen-Bullshit-Bingo.
Bullshitten liegt in der menschlichen Natur
Doch, woher rührt eigentlich das dringende menschliche Bedürfnis, verbalen Bullenkot zu (re-)produzieren? Als hätten wir es geahnt: es entstand in der Steinzeit, als der Mensch noch klare Feindbilder in Gestalt wilder Tiere hatte. Nun stellen Sie sich einmal vor, sie gehen vor 13.000 Jahren auf die Jagd. Urplötzlich rennen alle weg. Sie drehen sich um und erblicken einen Säbelzahntiger – was würden Sie tun? Groß überlegen, ob Sie schmusen möchten oder doch lieber wegrennen? Den letzten beißt der Sie wissen schon.
Sie rennen lieber einfach los. Nachdenken können Sie hinterher noch, wenn Sie in Sicherheit sind. Dieses Verhaltensmuster ist derart tief in uns verankert, dass wir es heute noch anwenden. Unbewusst. Automatisch. Damals sicherte die Gruppe das Überleben. Dieser Herdentrieb ist also ein urmenschliches Bedürfnis, dient als Orientierungshilfe. In der Wissenschaft spricht man auch vom „Social Proof“ oder der „Sozialen Bewährtheit“. Danach orientiert sich menschliches Verhalten an anderen Menschen. Wir betrachten ein Verhalten oder Vorgehen als richtig, wenn wir dieses bei anderen beobachten. Und, je mehr Menschen sich so verhalten, desto korrekter und nötiger finden wir es, genauso zu handeln.
Kurzum: Oder wir sehen, dass bestimmte Formulierungen in Stellenanzeigen Standard sind. So benutzen wir diese ohne zu überlegen, weil es scheinbar so sein muss. Wenn Sie heute jedoch im War for talents überleben wollen, müssen Sie diesen Urtrieb überwinden, ja regelrecht umkehren. Hier müssen Sie sich von der Masse absetzen – diese Maxime gilt sowohl für ein erfolgreiches employer branding als auch ein erfolgreiches Stellenangebot. Also, lassen Sie den Säbelzahntiger getrost links liegen!
Einmal Butter bei die Fische, bitte
Weniger ist mehr – Authentizität Trumpf. So auch bei Stellenanzeigen. Standardphrasen ziehen nicht mehr. Vorbei sind die Zeiten, in denen sich Mitarbeitende leicht zufriedengaben. Heute treten Arbeitskräfte fordernder auf: Bei Arbeitsbedingungen, Gehalt & Co. gibt es genaue Vorstellungen. Werden die nicht erfüllt, heißt es „Tschüss“. Die Entscheidung, sich auf einen Job zu bewerben oder nicht, fällt bei vielen daher schon beim Durchlesen einer Stellenanzeige. Bullshit-Floskeln wirken hier wie waschechte Bewerbungskiller. Arbeitgeber müssen also genau aufpassen, was sie schreiben, um nicht zum Bullshitter zu werden. Sie können aber mit Transparenz punkten. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine branchenübergreifende Befragung des Jobportals Meinestadt.de unter 3.000 Erwerbstätigen zwischen 18 und 65 Jahren. Danach wünschen sich Jobsuchende weniger Plattitüden und mehr Klarheit.
Doch, was sollte ein Arbeitgeber nun in eine attraktive Stellenanzeige schreiben? Ein guter Ansatz wäre, anzugeben, was genau auf den Bewerbenden im Job zukommt und welche Aufgaben zu erledigen sind. Eine Aufzählung der Arbeitsinhalte ist für 58 Prozent sehr wichtig. Über die Sicherheit des Jobs Bescheid zu wissen, ist für die Hälfte der Befragten ebenso entscheidend. Präzise Gehaltsangaben sind für 49 Prozent zentral. Mit Offenheit und Informationen können sich Arbeitgeber somit auf dem Bewerbungsmarkt Vorteile verschaffen und einfacher Bewerbende für sich gewinnen. Also, lassen Sie den Obstkorb einfach weg!