10.02.2021 - Gunthild Kupitz -6 MinutenMitarbeiter finden
In Sachsen haben sich verschiedene Behörden und Verbände zum Dienstleistungsnetzwerk Support zusammengeschlossen, um Unternehmen bestmöglich darin zu unterstützen, Menschen mit Behinderungen in ihre Betriebe zu integrieren – sei es durch Geld, technische Hilfsmittel oder weitergehende Hilfen. Ein Gespräch mit dem Support-Koordinator und Diplom-Sozialpädagogen Daniel Wiener und seiner Kollegin, der Pädagogin Claudia Teuchert.
Faktor A: Mit welchen Argumenten versuchen Sie Arbeitgebende zu überzeugen, Behinderte einzustellen?
Claudia Teuchert (CT): Häufig müssen wir gar nicht so viel Überzeugungsarbeit leisten: Der Fachkräftemangel spricht für sich, denn Stellen ausschließlich mit gesunden Mitarbeitenden zu besetzen, wird zunehmend schwerer. Deshalb ist es inzwischen oft umgekehrt: Die Arbeitgebenden kommen auf uns zu, weil sie zwar Menschen mit Einschränkungen einstellen würden, aber vor der Bürokratie zurückschrecken. Das übernehmen wir – und mit uns haben sie auch erst mal nur eine einzige Ansprechperson, nicht viele verschiedene.
Daniel Wiener (DW): Ohnehin ist die Anstellung von Menschen mit Beeinträchtigungen für uns nur eine von mehreren Aufgaben. Eine ganz wesentliche ist, Arbeitgeber in Gesprächen für das Thema zu sensibilisieren und Vorurteile abzubauen. Den meisten begegnen wir dabei auf Veranstaltungen, wo wir über unsere Dienstleistung berichten, aber auch unsere Netzwerkpartner stellen immer wieder Kontakte her. Dann vereinbaren wir oft Folgegespräche in den Unternehmen selbst.
Auf welche Vorurteile treffen Sie dabei typischerweise?
DW: Bei dem Stichwort „Menschen mit Behinderungen“ denken die meisten nur an Äußerlichkeiten wie Rollstuhlfahrende oder an Menschen mit Downsyndrom. Doch das ist eine falsche Vorstellung. Das liegt ein wenig an der Öffentlichkeitsarbeit der Vergangenheit: Auf Flyern zum Thema Inklusion waren oft nur diese beiden Motive gedruckt, weil sie optisch so eingängig sind.
Laut Statistischem Bundesamt bestehen tatsächlich die allerwenigsten Behinderungen von Geburt an oder werden durch einen Unfall oder eine Berufskrankheit verursacht. Die weitaus meisten, nämlich 86 Prozent, werden im Laufe des Lebens durch eine Krankheit im höheren Alter erworben. Was bedeutet das für Ihre Tätigkeit?
DW: Unsere Aufgabe ist es, genau darüber tagtäglich aufzuklären. Und dass es eben auch Menschen mit einer Hörbehinderung gibt oder mit einer stärkeren Diabetes, für die einfach nur bestimmte Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, damit sie mit dieser Einschränkung auch auf dem Bau arbeiten können, wenn sonst alles passt.
In der Regel kennen Arbeitgeber die verschiedenen Gesetze, Leistungsträger und -arten gar nicht in vollem Umfang. Deshalb ist es an uns, sie über Fördermöglichkeiten aufzuklären und die entsprechenden Träger mit ins Boot zu holen, damit der behinderte Mensch im Betrieb bleiben oder neu eingestellt werden kann.
CT: Ein Beispiel vielleicht: Jemand ist mit 45 Jahren an Krebs erkrankt und nach seiner Gesundung vorübergehend in seiner Leistung eingeschränkt. Wir beraten zur Beantragung diverser Unterstützungsmöglichkeiten und begleiten diesen Prozess. Wir betonen aber auch, dass dieser Mitarbeiter, der vielleicht schon Jahre im Unternehmen ist, über einen Erfahrungsschatz verfügt, den jemand Neues gar nicht haben kann, es also wirtschaftlich durchaus lohnend ist, ihn zu halten.