17.08.2022 - Maria Zeitler -7 MinutenMitarbeiter finden
Viele Unternehmen werden mittelfristig nicht mehr genug geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Deutschland finden. Alexander Wilhelm, Leiter Internationale Beziehungen bei der BA, erklärt im Interview, welche Chancen die Fachkräftegewinnung in Drittstaaten bietet. Auch von Unternehmen fordert das Einsatz – der sich auszahlt.
Faktor A: Obwohl die BA schon länger erfolgreich Fachkräfte aus Drittstaaten nach Deutschland vermittelt, sind einige Unternehmen zögerlich: Sie haben Angst, die Mitarbeiter könnten trotz des Aufwands und der Kosten schnell wieder weg sein. Ist das begründet?
Alexander Wilhelm: Nein, diese Sorgen müssen sich Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber im Normalfall nicht machen. Obwohl ich ihre Bedenken verstehe, denn einige von ihnen haben bereits Erfahrungen mit Fachkräften aus dem EU-Ausland gemacht, die teilweise nicht so lange bleiben: Jemand, der zum Beispiel aus Spanien kommt, kann sich durch die Freizügigkeit in der EU dankenswerterweise unkompliziert zwischen dem deutschen und dem spanischen Arbeitsmarkt bewegen. Bei Fachkräften etwa aus Brasilien oder Marokko ist dies allein aufgrund aufenthaltsrechtlicher Hürden aber nicht so einfach, und zudem sind die Gehaltsunterschiede deutlich größer – da kommt in der Regel nicht unverhofft ein attraktives Jobangebot aus der Heimat. Die Entscheidung für Deutschland ist meist eine Lebensentscheidung. Das gilt selbstverständlich nicht immer und für alle. Aber das ist bei inländischen Fachkräften oder Auszubildenden ja auch nicht anders. Bei Menschen aus Drittstaaten ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie länger bleiben, groß.
Welche Vorhaben laufen denn aktuell, um Fachkräfte aus dem nicht europäischen Ausland für Unternehmen in Deutschland zu gewinnen?
Aktuell gibt es hier rund zehn Projekte und Programme: einerseits zeitlich befristete und meist aus öffentlichen Mitteln geförderte Projekte, andererseits nach erfolgreicher Laufzeit ins Liniengeschäft überführte, feste Programme, die in der Regel vor allem von der Arbeitgeberfinanzierung getragen werden. Zum Beispiel gibt es das Projekt THAMM mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) für die faire und nachhaltige Gewinnung von Auszubildenden und Fachkräften aus Nordafrika für verschiedene Handwerks-, Industrie- und Serviceberufe. Oder unser vom Bundeswirtschaftsministerium gefördertes Projekt „Hand in Hand for International Talents“ mit der DIHK Service. Hier werden Fachkräfte aus Brasilien, Vietnam und Indien für Unternehmen der Industrie- und Handelskammern vermittelt – der Schwerpunkt liegt aktuell auf Elektrotechnik, Informatik sowie dem Hotel- und Gaststättengewerbe. Das rein arbeitgeberfinanzierte Programm „Triple Win“ von BA und GIZ kümmert sich um die nachhaltige Gewinnung von Pflegekräften aus dem Ausland.
Gibt es bereits neue Projekte, die in Planung sind? Wie ist derzeit die Perspektive für die kommende Zeit?
Im Moment sind wir ganz stark dabei, vorhandene Vorhaben zu skalieren, denn wir haben den Anspruch, neben dem qualitativen auch einen quantitativen Beitrag zur Lösung der Fachkräfteproblematik zu leisten. Das bedeutet: Die Ausweitung bestehender Formate auf neue Berufe, aber auch auf neue Länder ist jetzt aktuell. So wird zum Beispiel das Pilotprojekt für Azubis in Gesundheitsberufen, das bisher nur Pflegekräfte aus El Salvador ansprach, jetzt auf Mexiko und Brasilien ausgeweitet und bietet jetzt auch Auszubildende im Bereich operationstechnischer und radiologischer Assistenzkräfte an – angestrebt ist auch eine bedarfsbezogene Erweiterung auf Berufe außerhalb des Gesundheitssektors.