02.08.2017 - Esther Werderinghaus -4 MinutenMitarbeiter finden
Unternehmer geben Langzeitarbeitslosen eher selten eine Chance. Dabei bringen gerade sie oft Eigenschaften mit, über die andere Arbeitnehmer nicht verfügen. Der Arbeitspsychologe Thomas Rigotti über das Risiko – und die Chance –, Langzeiterwerbslose einzustellen.
Faktor A: Ein Jobverlust ist ein schwerer Schlag. Vor allem, wenn der nächste Arbeitsplatz auf sich warten lässt. Was macht die jahrelange Abstinenz vom Job mit einem Menschen?
Thomas Rigotti: Aus der Forschung weiß man, dass diese Menschen überdurchschnittlich häufig an Depressionen erkranken. Auch Angsterkrankungen und die Verstärkung von Suchterkrankungen können Folgen einer langen Erwerbslosigkeit sein. Unsere Gesellschaft ist auf wirtschaftlichem Erfolg gegründet, der Einzelne definiert sich stark über Arbeit und Beruf. Diese Menschen fühlen sich im Vergleich zu anderen wertlos und verlieren nach und nach soziale Kontakte, Wertschätzung, Struktur und Status.
Wann gilt man als langzeitarbeitslos?
Wenn man länger als ein Jahr erwerbslos war.
Ist das wirklich so lang?
Na ja, die ersten Wochen in der Erwerbslosigkeit empfinden manche sogar als angenehm, vielleicht nach einer langen Phase der Arbeitsplatzunsicherheit. Nach sehr stressigen Arbeitsjahren und viel Unzufriedenheit im Job ist die neue Freiheit ganz erholsam, ähnlich wie ein ausgedehnter Urlaub. Danach geht es dann bergab. Studien belegen, dass der Höhepunkt der Unzufriedenheit nach neun Monaten erreicht ist. Dann leidet das Selbstbewusstsein unter der gefühlten Nutzlosigkeit.
Was unterscheidet einen Kurzzeit- von einem Langzeitarbeitslosen?
Der Kurzzeitarbeitslose hat die größere Chance, wieder eingestellt und schneller in den Arbeitsmarkt integriert zu werden. Er weiß mehr über Inhalte und Methoden seines Fachgebiets Bescheid. Das für den Job relevante Wissen des Langzeitarbeitslosen ist nicht mehr ganz aktuell. Unternehmer fürchten zudem, es mangle ihr oder ihm an Motivation. Das ist eines der größten Vorurteile. Zwei Drittel der Arbeitgeber in Deutschland geben Langzeiterwerbslosen deshalb gar nicht erst eine Chance. Ich denke, da werden oft die Falschen ausgesiebt.