Mehr Chancen durch Teilqualifikation

Nicht für alle Geringqualifizierten eignen sich klassische Wege zum Berufsabschluss. Dann können Teilqualifikationen eine Chance sein.


29.01.2020 - Nadine Osterhues -4 MinutenMitarbeiter finden

Nicht für alle Geringqualifizierten eignen sich klassische Wege zum Berufsabschluss. Dann können Teilqualifikationen eine Chance sein – für Unternehmen bieten sie eine enorme Erleichterung bei der Nachwuchskräftegewinnung.

Zitat:

Kurz erklärt: „Wir erschließen neue Personengruppen als Fachkräfte“

Claudia Kunz, Teamleiterin Markt und Integration im Jobcenter Kreis Segeberg, erläutert die Vorteile der Teilqualifizierungsmaßnahmen.

Faktor A: Was versteht man unter berufsanschlussfähigen Teilqualifikationen?

Claudia Kunz: Das sind Bildungsangebote, die in systematischen, aufeinanderfolgenden Schritten auf einen Berufsabschluss vorbereiten. Jede Teilqualifizierung muss so konzipiert sein, dass sie den Teilnehmenden die Integration in den ersten Arbeitsmarkt ermöglicht. Die einzelnen Qualifikationen müssen in der Summe alle Aspekte eines Berufsbilds abdecken. Eine Externenprüfung ermöglicht am Ende dann den Berufsabschluss.

Wie funktioniert das Konzept für interessierte Arbeitgeber?

Claudia Kunz Frau mit Brille Portrait
© Privat - Claudia Kunz

Das Konzept erschließt Unternehmen neue Personengruppen als zukünftige Fachkräfte. In dieser Konstellation mit der Firma Penny ist neben der Qualifizierung auch der Anreiz der, dass die Kunden bereits beim Arbeitgeber in Teilzeit beschäftigt sind.
Für Geringqualifizierte bietet eine Teilqualifizierung einen guten Einstieg in Arbeit oder eine Ausbildung. Das Konzept der Teilqualifizierung kann an die Bedürfnisse des Unternehmens angepasst werden und funktioniert daher in vielen Bereichen. Die Zielgruppe ist breit: Denkbar wären viele Möglichkeiten, beispielsweise interessierte Arbeitgeber und Erziehende zusammenzubringen, um gemeinsam nach Lösungen zur Qualifizierung und Arbeitsaufnahme trotz Kinderbetreuungszeiten zu suchen. Dies ist nur ein Beispiel. Ich möchte interessierte Arbeitgeber ermutigen, an Jobcenter oder Arbeitsagentur heranzutreten. Gemeinsam finden wir sicher ähnlich innovative Lösungen wie jetzt in der Zusammenarbeit mit Penny.

 

An wen richtet sich die TQ konkret?

An jeden ohne Berufsabschluss – und auch an Migranten, die in den letzten zwei Jahren nach Deutschland gekommen sind. In Norderstedt absolvierten einige Migranten zum Beispiel zwei Module als Teilqualifizierungsmaßnahme im Bereich Lager bei der Fortbildungsakademie der Wirtschaft gGmbH (FAW). Der Arbeitsmarkt bietet in unserer Region hervorragende Möglichkeiten im Bereich Lager und Logistik. Viele Unternehmen aus dem Logistikbereich haben sich nördlich von Hamburg angesiedelt. Weitere sind aufgrund der verkehrsgünstigen Lage geplant. Die Betriebe erhalten die dringend benötigten Arbeitskräfte, und für die Absolventen ergeben sich tolle Chancen, auch schon mit der Teilqualifizierung. Nach erfolgreichem Abschluss der Module haben die Teilnehmer bereits gute Arbeitsmarktchancen als Lagerarbeiter in der Region. Sie erhalten ein Zertifikat, mit denen die Module auch auf eine Berufsausbildung als Fachlagerist/-in anerkannt werden kann.

Welche Erfahrungen machen die Jobcenter mit Migranten bei der Jobsuche?

Die Erfahrungen sind so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Einige tun sich mit dem Spracherwerb leichter, erreichen schnell ein hohes Sprachniveau, machen einen Berufsabschluss. Andere wollen unbedingt, sind aber das Lernen nicht so gewohnt und tun sich schwerer. Unter anderem für sie ist dieses Angebot besonders geeignet. Die Teilqualifizierungen enthalten auch Sprachförderung und sind eng an die Unternehmen angebunden. Dadurch bieten sie hohe Chancen, Menschen und Arbeitsplätze langfristig zusammenzubringen.

Aus der Praxis

Zitat:

„Das Unternehmen erhält qualifizierte Arbeitskräfte“

Ulrich Heybach, Abteilungsleiter Warenbereitstellung in der Penny-Markt GmbH in Norderstedt, bildet mehrere Arbeitskräfte über die Teilqualifizierungsmaßnahme aus. Hier berichtet er von seinen Erfahrungen.

Portrait Ulrich Heybach
© Privat -Ulrich Heybach

„Wir haben in unserem Logistikbereich gute Erfahrungen mit der Teilqualifikation gemacht. Bei uns arbeiten viele Migranten: Einer unserer erfahrenen Mitarbeiter steht ihnen zur Seite und vermittelt die Arbeitsschritte. Je nach Geschick wird der neue Mitarbeiter an die selbstständige Arbeit als Kommissionierer herangeführt. Die TQ ist eine gute Sache, weil die Mitarbeiter damit gute Möglichkeiten haben, ihre Kenntnisse später noch zu einem Berufsabschluss auszubauen, und sofort nach der Qualifizierung in ein Arbeitsverhältnis treten können.

Das Jobcenter trifft die Vorauswahl der Bewerber, der Bildungsträger übernimmt die Qualifizierung, und der Arbeitgeber ermöglicht Praktika und eine eventuelle Arbeitsplatzzusage. Alle Beteiligten arbeiten Hand in Hand und tauschen sich regelmäßig aus. Das ist eine Win-win-Situation: Die Teilnehmer profitieren von der Zusammenarbeit. Das Unternehmen erhält die dringend gesuchten qualifizierten Arbeitskräfte.

Neue Mitarbeiter werden bei uns erst mal am Flurförderzeug ausgebildet, dann geht es zum Kommissionieren über. Eine Schwierigkeit liegt dennoch in den mangelnden Sprachkenntnissen: Eine Anweisung oder Unterweisung ist kaum oder nur sehr schwer möglich. Letztendlich haben wir das Problem aber mit Übersetzungen, praktischer Anleitung und viel Geduld bewältigt. Da die Teilnehmer während der Maßnahme in Deutsch unterrichtet werden und zudem die notwendigen Fachkenntnisse erwerben, sind sie nach Bestehen der Module allerdings wirklich gut ausgebildete Fachkräfte für Lager und Logistik.

Anfangs waren die Teilnehmer leider nur zwei Tage die Woche in der praktischen Ausbildung, sodass eine Integration in die bestehende Mannschaft im Lager schwierig war. Im zweiten TQ-Modul arbeiten sie nun jeweils eine zusammenhängende Woche pro Monat im Lager.

Der Markt an gut ausgebildeten und deutschsprachigen Mitarbeitern ist hier im Raum Hamburg sehr begrenzt. Bei dem aktuellen TQ-Projekt kennt man nach Ende der Maßnahme die potenziellen neuen Mitarbeiter – sie selbst wiederum kennen uns und wissen, was sie erwartet.“


Titelfoto: © Wavebreakmedia/Shutterstock