03.12.2019 - Nicole Benke -7 MinutenMitarbeiter finden
Ein Bauunternehmen macht vor, wie Inklusion geht: Die Herzog-Bau GmbH aus Tüttleben in Thüringen hat drei schwerbehinderte Menschen eingestellt und ihnen so nach langer Zeit der Arbeitslosigkeit die Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt ermöglicht. Ein Schritt, der im Betrieb zunächst auf Widerstand stieß – und von dem am Ende das ganze Unternehmen profitierte.
Der Arbeitgeber
„Es ist unsere gesellschaftliche Pflicht, Menschen mit Behinderung nicht auszugrenzen“
Armin Jordan, Geschäftsführer der Herzog-Bau GmbH in Tüttleben, trieb das Thema Inklusion in seinem Unternehmen voran und stellte gleich drei schwerbehinderte Mitarbeiter ein. Ein langwieriger, aber lohnender Prozess, der teure Umbauten im Gebäude notwendig machte. Unterstützung gab es dabei unter anderem von der Agentur für Arbeit in Gotha.
Faktor A: Sie haben zwei Frauen und einen Mann mit Schwerbehinderung eingestellt. Warum haben Sie das gemacht?
Armin Jordan: Unserem Unternehmen geht es gut. Ich habe mich gefragt, wie ich anderen etwas von unserem Glück abgeben und unsere Firma noch bunter machen könnte. Unser Motto lautet seit jeher „Auftrag Mensch!“. Wir tun viel für unsere Mitarbeiter, haben etwa einen Fitnessraum, bieten Massagen und Physiotherapiesitzungen an. Aber mir reichte das noch nicht. Auch wenn es klischeehaft klingt: Ich möchte anderen Chancen geben. Ich denke, es ist unsere gesellschaftliche Pflicht, Menschen mit Behinderung nicht auszugrenzen. Gerade zu Zeiten des Fachkräftemangels kann sich das in meinen Augen ohnehin kein Arbeitgeber mehr leisten. Es ist schwer, heute gute Leute zu finden – da muss man nach Qualifikationen schauen und nicht danach, ob jemand behindert ist oder nicht.
Welche Hürden mussten Sie überwinden?
Weil wir gleich drei und dann auch noch schwerbehinderte Menschen eingestellt haben, war es insgesamt ein langwieriger Prozess. Von der Idee bis zur letzten der drei Einstellungen vergingen fast zwei Jahre. Insbesondere im Vorstand gab es Bedenken: So ein teures Projekt – wird sich der ganze Aufwand wirklich lohnen? Da musste ich viel Überzeugungsarbeit leisten. Dank der finanziellen Unterstützung von der Agentur für Arbeit und dem Rentenamt konnte ich die meisten Bedenken dann ausräumen. Unsere Mitarbeiter waren im positiven Sinne gespannt, aber natürlich auch skeptisch. Sie konnten sich nicht vorstellen, wie das Miteinander aussehen würde, wenn Kollegen mit Behinderungen ins Team kommen. Alle dachten, sie müssten ihnen permanent Hilfestellung leisten. Das ist natürlich nicht so. Inzwischen sind alle drei Mitarbeiter vollkommen integriert. Und das komplette Team ist froh, dass wir diesen Schritt gegangen sind. Unsere Mitarbeiter sind stolz, daran beteiligt zu sein, etwas Gutes zu tun. Wie oft hat man so eine Chance schon im Leben?
Eine der neuen Mitarbeiterinnen hat eine Gehhilfe, eine andere sitzt im Rollstuhl. Musste viel umgebaut werden?
Ja. Ich wollte, dass alle drei das Gebäude eigenständig betreten, sich überall völlig frei bewegen können und Zugang zu allen Bereichen haben. Wie jeder andere Mitarbeiter auch. Also mussten ebenerdige Zugänge her, ein Fahrstuhl und elektrische Türöffner. Wir haben außerdem die Toiletten und alle Schreibtischarbeitsplätze behindertengerecht umgebaut. Insgesamt wurden dafür 110.000 Euro in die Hand genommen.
Unterstützung gab es dabei von der Agentur für Arbeit. Wie wurde Ihnen konkret geholfen?
Die Agentur für Arbeit und das Jobcenter haben uns von Tag eins an unterstützt. Etwa über Lehrgänge und die Zahlung eines Eingliederungszuschusses für die behinderten Mitarbeiter. Der gesamte Bewerbungsprozess wurde organisiert und betreut – und natürlich die nötigen Umbauten geplant und maßgeblich finanziert. Die Zusammenarbeit war einfach super, sehr flexibel und entgegenkommend. Ohne die finanzielle und auch organisatorische Hilfe der Agentur für Arbeit und des Jobcenters hätten wir das alles nicht geschafft.
Was hat die Einstellung der drei behinderten Mitarbeiter im Unternehmen bewirkt?
Sie hat unseren Horizont erweitert. Durch die neu gewonnene Vielfalt haben wir eine ganz neue Form der Bodenständigkeit im Betrieb erreicht. Wir konzentrieren uns noch mehr auf das Wesentliche, gehen menschlicher und respektvoller miteinander um. Unsere behinderten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind wahnsinnig motiviert. Es ist toll zu sehen, dass da für jemanden ein ganz neuer Lebensabschnitt beginnt. Dass sich Menschen, die lange ausgegrenzt wurden, wieder gebraucht und wertvoll fühlen. Klar: Wir brauchten Geduld, mussten hartnäckig sein und viel Verständnis haben. Aber wir haben diese Entscheidung nicht eine Sekunde bereut.