Stellensuche passiert im Internet. Wir haben Experten von Arbeitsagentur, StepStone und Monster gefragt, was Betriebe und KMU bei der Suche nach den passenden Bewerbern heute beachten müssen und worauf sie sich zukünftig einstellen sollten.
20.03.2019 - Matthias Thiele, Julia Fröhleke -7 MinutenMitarbeiter finden
Stellensuche passiert im Internet. Wir haben Jobbörsen-Experten von Arbeitsagentur, StepStone und Monster gefragt, was Betriebe und KMU bei der Suche nach den passenden Bewerbern heute beachten müssen und worauf sie sich zukünftig einstellen sollten.
Bewerber auswählen: „Der perfekte Mitarbeiter passt zu Unternehmen und Team“
Viele Unternehmen suchen händeringend Personal und versuchen sich deshalb bestmöglich zu verkaufen. Aber nicht immer entspricht das Image des Arbeitgebers auch der Realität. Was muss sich ändern?
Sebastian Dettmers (Geschäftsführer bei StepStone.de): Für Jobsuchende fühlte sich das Vorstellungsgespräch bis jetzt viel zu oft an wie ein Blind Date. Die meisten lernen ihren Arbeitsplatz und ihre Kollegen immer noch erst am ersten Arbeitstag wirklich kennen. Aber das ändert sich gerade, wir erleben eine Zeitenwende. Die Unternehmen versuchen verstärkt, sich authentisch darzustellen und schon in ihren Stellenanzeigen im Internet Mitarbeiter zu Wort kommen zu lassen und echte Einblicke zu gewähren.
Wie sieht die Jobsuche der Zukunft aus?
Die Technologie wird die Jobsuche weiterhin verändern. Technologie erlaubt es uns schon heute, Menschen viel besser zu verstehen. Sie ermöglicht es uns, herauszufinden, was Menschen, die einen neuen oder ihren ersten Job suchen, wirklich wollen. Dabei geht es nicht nur darum, wie viel sie verdienen wollen und wo sie arbeiten möchten, sondern auch um Aspekte wie: Will ich lieber in einem großen oder einem kleinen Team arbeiten? Was ist mir wichtiger: Sicherheit oder Abenteuer? Durch die intensive Interaktion mit den Nutzern lernen wir viel über das, was der einzelne Kandidat sucht. Mit der Auswertung großer Datenmengen können wir Jobsuchenden so noch passendere Jobs vorschlagen. Außerdem können wir den Algorithmen beibringen, selbst weiterzudenken. Künstliche Intelligenz ermöglicht es uns so, den idealen Kandidaten zu finden.
Was ist der „perfect match“?
Der ideale Kandidat ist nicht der objektiv gesehen beste Mitarbeiter, sondern der beste Mitarbeiter, der zugleich gut zum Team und Unternehmen passt. Kommunikation, Teamfähigkeit und Zusammenarbeit über die Funktionen hinweg werden immer wichtiger. Deshalb muss die Chemie im Team stimmen. Leider wird bislang immer noch oft nach Schema F rekrutiert. Das kann dazu führen, dass man zwar viele formal hoch qualifizierte Mitarbeiter hat, diese jedoch nicht gut zusammenarbeiten. Das wiederum kann dazu führen, dass Mitarbeiter ein Unternehmen schnell wieder verlassen. Oder – und das ist der noch schlechtere Fall – sie bleiben, schöpfen aber nicht ihr volles Potenzial aus.
Was ist Arbeitssuchenden heute wichtig?
Die entsprechenden Studien liefern hier sehr widersprüchliche Ergebnisse. Einerseits sagen die meisten Jobsuchenden, dass ihnen eine ausgewogene Work-Life-Balance sehr wichtig ist. Viele wünschen sich flexible Arbeitszeiten, die Möglichkeit, vom Home-Office aus zu arbeiten, ein tolles Team, gute Führungskräfte und eine sinnstiftende, herausfordernde Arbeit. Aber auch ganz traditionelle Themen sind wieder auf dem Vormarsch. Selbst Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt beste Chancen haben, legen viel Wert auf Arbeitsplatzsicherheit.
Wie mobil sind die Bewerber?
Bei Berufseinsteigern, vor allem jenen mit einem Universitätsabschluss, ist die Mobilität hoch. Sie wollen meist in einer interessanten Stadt wohnen, aber es ist ihnen oft egal, ob es Hamburg, München, Berlin oder sogar eine Stadt im Ausland ist. Die Mobilität nimmt mit zunehmendem Alter jedoch deutlich ab. Wer in einer festen Beziehung ist, Kinder hat und Wohneigentum erworben hat, der zieht nicht mehr so leicht um.
Bewerber finden
„Unternehmen müssen sich bei der Stellensuche gut verkaufen“
Susanne Weber und Michael Adam sind bei der Bundesagentur für Arbeit für die Jobbörse zuständig.
Wie hat sich die Stellensuche im Internet in den letzten Jahren verändert?
Susanne Weber: Die Stellensuche hat sich insgesamt stark auf das Internet verlagert. Was uns besonders auffällt: Immer mehr Arbeitgeber verknüpfen ihre Personalmanagement-Systeme über die Schnittstelle der BA („HR-BA-XML-Schnittstelle“) direkt mit der Jobbörse der Arbeitsagentur. Dadurch müssen Stellenangebote nicht mehr von Hand eingegeben werden, sondern werden automatisch an die BA übertragen und können so in der Jobbörse veröffentlicht werden.
Was müssen – insbesondere kleine und mittelständische – Unternehmen bei der Stellenannonce beachten?
Weber: Es klingt simpel, aber wird immer wieder missachtet: Die Beschreibung muss alle nötigen Informationen wie die Unternehmensdarstellung, Stellenbeschreibung oder die Anforderungen an den Bewerber enthalten. Wer Stellen in Berufen besetzen möchte, für die es wenig Angebot gibt, sollte prüfen, ob er mit Alternativen arbeiten könnte: Muss es der ausgebildete Dachdecker sein, oder kann jemand mit einem ähnlichen beruflichen Hintergrund in diesen Job hineinwachsen? Auch gut sind Hinweise auf Kompetenzerwerb: „Ihnen fehlt ein Führerschein der Klasse XY? Machen Sie ihn bei uns kostenlos nach!“
Michael Adam: Nach wie vor erlebe ich Arbeitgeber, die in Berufen mit wenig Angebot hohe Forderungen stellen und Bewerber damit verschrecken. Die Unternehmen müssen sich die Frage stellen: „Auf was für einen Markt treffe ich da eigentlich?“ Wer in einer Großstadt Teilzeitverkäufer sucht, erhält unter Umständen mehr als genug Bewerbungen. Da schadet es nicht, zu schärfen, Branchenkenntnisse oder Berufserfahrung einzufordern. Wer hingegen Altenpfleger sucht, muss Zugeständnisse machen, sonst wird der Markt sehr klein.
Häufig verschwinden die Jobangebote kleinerer Betriebe hinter der Anzeigenmacht großer Konzerne. Wie machen sie auf sich aufmerksam?
Weber: Sie müssen ihre Besonderheiten herausstellen. Welche Vorteile hat ein Arbeitsplatz im Betrieb etwa in puncto Arbeitszeiten? Gibt es sonstige Vergünstigungen wie Fahrkarten, Firmenwagen oder Sozialleistungen wie Kindergartenplätze?
Adam: Die Unternehmen müssen Einblick gewähren, was Bewerber dort erwartet. Was produzieren wir? Worin sind wir (Welt-)Marktführer? Die Betriebe müssen an dieser Stelle sich selbst und auch ihre eigenen Produkte gut verkaufen.
Worauf achten Bewerber bei Online-Stellenannoncen besonders?
Weber: Wie bei klassischen Annoncen auch – auf die Flexibilität bei den Arbeitszeiten, auf besondere Arbeitgeber-Leistungen und das Gehalt. Die Annonce muss eine einfache Möglichkeit zur Kontaktaufnahme zum Beispiel per Telefon oder E-Mail enthalten. Auch eine kurze Rückmeldung, „Ihre Bewerbung ist eingegangen“, erzeugt ein positives Bild beim Bewerber.
Es gibt über 1.000 Online-Stellenbörsen in Deutschland. Wodurch sticht die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit heraus?
Weber: Erstens haben wir den größten Bewerberbestand. Zweitens sind wir kostenlos und objektiv. Niemand kann eine bessere Präsentation seiner Annonce erkaufen, wir behandeln alle Inserenten gleich. Drittens – und das ist ein Alleinstellungsmerkmal – werden Arbeitgeber bei uns persönlich beraten, wenn sie wollen, von der Formulierung der Annonce bis hin zur Vermittlung eines geeigneten Mitarbeiters.
Adam: Die Qualifikationen der Bewerber in unserer Datenbank wird von unseren Mitarbeitern im persönlichen Gespräch erhoben und verifiziert. Diese Treffer haben eine bessere Qualität und ersparen dem Arbeitgeber viel Zeit. Außerdem genießt unsere Jobbörse eine sehr hohe Wahrnehmung und ist stark nachgefragt.
Im Gegensatz zu anderen Jobportalen fragt die Jobbörse der Arbeitsagentur sehr detailliert nach gewünschten Fähigkeiten und Kenntnissen. Warum?
Adam: Wir haben eine umfassende Liste an Berufen und Fähigkeiten hinterlegt, weil wir natürlich die Anforderungen in allen Berufen und auf allen Qualifikationsniveaus abbilden. Das macht die Bedienung für Arbeitgeber etwas umfassender als bei anderen Jobbörsen. Dafür kann unsere Suche eine Menge Kriterien in das Ergebnis einbeziehen. Wir entwickeln aber gerade eine einfachere Suche, die für unsere Kunden moderner, schlanker und auch komfortabler in der Bedienung sein wird.
Können Sie da schon Details verraten?
Adam: Das ist zum einen die Reduktion auf zwei Felder, Suchbegriff und Ort. Zum anderen können Arbeitgeber zukünftig ganz in ihrem sprachlichen Duktus schreiben. Künstliche Intelligenz wird diesen mit den für die Arbeitsagentur relevanten Berufskatalogen und Fähigkeitsverzeichnissen in Einklang bringen. Wenn ein Arbeitgeber einen „Schweißer“ sucht – keine offizielle Berufsbezeichnung –, übersetzt unser Texterkennungsmodul zukünftig zum Beispiel in „Anlagenmechaniker Schweißtechnik“, damit beide Seiten gut mit der Jobbörse arbeiten können.
Stichwort Zukunft: Wie wird Stellensuche im Jahr 2030 ablaufen?
Weber: Künstliche Intelligenz wird uns beim Zusammenbringen von Angebot und Nachfrage unterstützen, aber die persönliche Beratung bleibt wichtig, denn Spezialfälle und besondere Fragestellungen wird es immer geben.
Adam: Stellensuche, wie wir sie heute kennen, wird es dann nicht mehr geben. Vakanzen werden nicht mehr manuell übermittelt, sondern automatisch. Bewerber hinterlegen ihren Lebenslauf nur mehr in einer Datenbank, die Angaben erscheinen automatisch dort, wo es Sinn macht. Unter Umständen übernimmt eine künstliche Intelligenz automatisiert die Vorauswahl der Bewerbungen auf Arbeitgeberseite, das deutet sich ja heute bereits an.
Wo findet sich dann die Arbeitsagentur mit ihrem Angebot wieder?
Adam: Wir werden Arbeitgeber nicht mehr nur bis zur erfolgreichen Personalvermittlung begleiten. Die laufende Analyse von Berufsfeldern wird es ermöglichen, dem Arbeitgeber Branchentrends aufzuzeigen und ihm bestimmte Weiterbildungen für seine Mitarbeiter zu empfehlen. Die volatile Arbeitswelt, in der wir einen großen Erfahrungsschatz haben, wird ein stärkeres Betätigungsfeld, das werden wir sowohl mit intelligenter digitaler Unterstützung, aber natürlich auch mit den bewährten persönlichen Beratungsangeboten unterstützen.
Bewerber ansprechen
„Employer Branding? Die eigenen Mitarbeiter fragen!“
Was muss der Mittelstand tun, um die richtigen Leute für die vielen freien Stellen zu finden?
Steffen Günder (Sales Director Deutschland bei Monster Worldwide GmbH): Viele mittelständische Unternehmen machen sich nicht genug Gedanken, wen sie eigentlich suchen, bevor sie eine Stelle ausschreiben. Aber um den oder die Richtige zu finden, ist es wichtig, die relevante Zielgruppe mit der Stellenanzeige individualisiert anzusprechen. Deshalb bieten wir Workshops an, in denen Unternehmen sich bewusst werden, wen sie genau benötigen und wie sie die dazu passende Stellenanzeige formulieren müssen. Suche ich beispielsweise einen erfahrenen Abteilungsleiter, muss ich die Anzeige natürlich anders gestalten, als wenn ich einen jungen Universitätsabsolventen suche.
Spricht eine gute Stellenanzeige eher die Ratio oder die Emotion an?
Der richtige Mix ist entscheidend. Selbstverständlich muss das Unternehmen klar benennen, welche Qualifikationen erforderlich sind. Dabei geht es um die Ratio. Aber nur wenn eine Stellenanzeige – beispielsweise über Bilder oder Videos – auch die Emotion anspricht, beschäftigen sich Kandidaten richtig ausführlich damit und lesen bis zum Ende. Dabei gilt: Die meisten Bewerber schauen sich keine zweiminütige Unternehmenspräsentation an. Videos sollten maximal 30 Sekunden lang sein.
Was ist den Bewerbern heute wichtig?
Wir führen dazu seit 17 Jahren jedes Jahr die Studie „Recruiting Trends“ durch. Als wir damit anfingen, standen Gehalt, Ansehen und die Aussicht auf eine schnelle Karriere ganz klar an erster Stelle. Das hat sich geändert. Inzwischen sind andere Prioritäten hinzugekommen, zum Beispiel der Wunsch, Arbeit und Privatleben so zusammenbringen zu können, dass weder das eine noch das andere zu kurz kommt. Unternehmen können also nicht einfach mit etwas mehr Geld punkten, sondern müssen gleichzeitig in Bereichen wie Unternehmenskultur, Feedback und persönlicher Entwicklung attraktive Angebote machen. Eine Herausforderung, da diese Dinge schwieriger im Unternehmen zu installieren sind.
Wie funktioniert erfolgreiches Employer Branding?
Jedes Unternehmen hat etwas, was es ganz besonders auszeichnet. Was das ist, findet man am besten heraus, indem man die eigenen Mitarbeiter befragt. Was motiviert dich, jeden Tag zur Arbeit zu kommen? Warum arbeitest du ausgerechnet hier? Beim Employer Branding sind die Ansprüche an die Authentizität stark gestiegen. Darum ist es so wichtig, die eigenen Mitarbeiter zu fragen. Sich und anderen etwas vorzumachen, macht keinen Sinn.