19.08.2013 - Antonia Kemper -2 MinutenMitarbeiter qualifizieren
Warum Firmen lebenslanges Lernen nicht nur propagieren, sondern leben sollten, erklärt Neurobiologe Martin Korte im Interview.
Faktor A: Verfügen ältere Mitarbeiter über andere Stärken als Jüngere?
Martin Korte: Ältere können einen ungeheuren Wissens- und Erfahrungsschatz besitzen und viel genauer wissen, welche Aspekte eines Arbeitsablaufes sie beachten müssen oder welche Informationen wirklich relevant sind – vorausgesetzt, sie sind aktiv und engagiert in ihrem Job. Generell reagieren Ältere nicht so affektiv, haben sich also besser unter Kontrolle, und sind loyaler der eigenen Firma gegenüber. Insgesamt haben sie eine höhere emotionale Intelligenz – was bedeutet: Sie wissen viel über sich, aber eben auch über andere, was ja eklatant wichtig im Miteinander am Arbeitsplatz ist.
Sind Ältere also die besseren Mitarbeiter?
Es kommt darauf an. Wenn man junge Studenten gegen 65-Jährige antreten lässt, gewinnen statistisch immer die Jüngeren. Wenn man sich aber die älteren Probanden genauer anschaut, dann stellt man fest, dass sie häufig in zwei ganz klar voneinander getrennte Gruppen fallen. Die eine Gruppe kann auf dem Niveau der jüngeren weiter die gestellten Aufgaben lösen, die andere fällt klar ab. Zu ihr gehören Menschen, die nicht ihr Leben lang gelernt haben, die sich nicht in die Arbeitsprozesse hineingedacht haben, die oft routinierte Abläufe erlebt haben, die darüber hinaus vielleicht noch einsam gelebt haben. Da spielen viele Faktoren eine Rolle, z. B. auch gesunde Ernährung und Rauchen. Das Altern per se macht einen nicht klug, sondern das, was man auf dem Weg dorthin erlebt und erfahren hat. Wer also viel geübt, viel trainiert, viel gelernt hat, sich viel engagiert hat, der profitiert davon im Alter maßgeblich.
Und welche Schwächen haben ältere Beschäftigte?
Sie sind grundsätzlich leichter ablenkbar, da bei Älteren im Stirnlappen Nervenzellen absterben und deshalb die Rechenkapazität kleiner wird. Davon ist vor allem das Arbeitsgedächtnis betroffen, in dem abgespeichert wird, was man als nächstes tun möchte. Darum sollten Ältere Störgeräusche und Multitasking möglichst vermeiden – aber das gilt eigentlich ebenso für Jüngere. Und auch wenn es Älteren insgesamt schwerer fällt, etwas komplett Neues zu lernen – der Satz „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ ist schlicht falsch.
Gilt das für alle Branchen?
Das ist branchenunabhängig, es geht schlichtweg darum, dass wir im Zuge unseres Arbeitslebens unbewusst Arbeitsabläufe sortieren und sogenannte Matrizen in unserem Kopf bilden, Vorlagen, wie bestimmte Dinge funktionieren. Auf diese Art müssen wir ganz viele Dinge gar nicht reagieren und immer nur auf die Abweichung achten. Ein Beispiel dafür ist der Weg mit dem Auto zur Arbeit.
Was folgt daraus für Unternehmen?
Firmen sollten lebenslanges Lernen nicht nur propagieren, sondern leben. Das Gehirn wird im Unterschied zum Kniegelenk durch intensive Nutzung nämlich besser und die Nervenzellen sterben deutlich später ab.