Mit der Teilqualifizierung Schritt für Schritt zum Abschluss
Für das mittelständische Unternehmen Spangler Automation ist die Teilqualifizierung ein Instrument, das etablierte Qualifizierungsmaßnahmen sinnvoll ergänzt.
06.08.2024 - Matthias Haft -4 MinutenMitarbeiter qualifizieren
Mitten im Leben eine gesamte Ausbildung nachzuholen, kann zu einer großen Hürde werden. Teilqualifizierungen ermöglichen den Berufsabschluss in kleinen Schritten. Wieso das Instrument auch für Arbeitgeber wichtig ist, erläutern Cornelia Hofmann und Markus Pflieger von Spangler Automation im Interview mit Faktor A.
Transformation geschieht nicht von heute auf morgen. Das gilt auch in der Personalentwicklung. Unternehmen, die sich für die Zukunft aufstellen wollen, haben einen hohen Qualifizierungsdruck: Berufsbilder verändern sich, Fachkräfte werden etwa zu Führungskräften und hinterlassen fachliche Lücken, Hilfskräfte sind so schnell weg, wie sie gekommen sind. Ein Instrument, mit dem Betriebe auf solche Situationen reagieren können, ist die sogenannte Teilqualifizierung (TQ). Diese ermöglicht es, mit einem überschaubaren zeitlichen Aufwand ihrem Personal Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln, die im Betrieb benötigt werden. Auf diese Weise können Mitarbeitende Schritt für Schritt sämtliche Aspekte eines Berufs erlernen und sich so zum Beispiel von der Hilfskraft zur Fachkraft entwickeln.
Wie funktioniert die Teilqualifizierung?
Eine Teilqualifizierung vermittelt die theoretischen und praktischen Anforderungen, die ein Beruf in einem abgegrenzten Teilbereich mit sich bringt. So bilden mehrere, teilweise aufeinander aufbauende Teilqualifizierungen das gesamte Wissens- und Tätigkeitsspektrum eines Berufs ab. Wer sämtliche Teilqualifizierungen eines Berufs erfolgreich absolviert hat, kann anschließend an der Externenprüfung teilnehmen und damit einen vollwertigen Berufsabschluss erlangen. Wer zum Beispiel Mechatroniker oder Mechatronikerin werden möchte, muss dafür u.a. eine Teilqualifizierung für die Herstellung von Baugruppen und eine zur Analyse mechatronischer Systeme absolvieren. Jede Teilqualifizierung dauert dabei mehrere Wochen und verbindet theoretischen Unterricht mit Praxiseinheiten im Betrieb.
Damit eine Teilqualifizierung auch inhaltlich sinnvoll konzipiert ist, haben Arbeitgeberverbände, die Bildungswerke der Deutschen Wirtschaft und die Bundesagentur für Arbeit in den letzten Jahren für eine Standardisierung und Qualitätssicherung gesorgt. So ist jede Teilqualifizierung auf einen möglichen Berufsabschluss hin ausgerichtet und ein Schritt auf dem Weg dorthin.
In einer aktuellen Veröffentlichung weist das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) auf die Potentiale, aber auch auf die Herausforderungen des Instruments Teilqualifikation hin. Während sich Beschäftigungs- und Gehaltschancen für Menschen, die an einer Teilqualifizierung teilgenommen haben, gut entwickeln, bleiben die Möglichkeiten zum Berufsabschluss weitestgehend ungenutzt. Das wiederum begrenzt langfristig die Chancen. So haben in einem Zeitraum von fünf Jahren 95 Prozent der beobachteten Studienteilnehmenden nur eine einzige Teilqualifizierung absolviert. In den seltensten Fällen werden also alle Teilqualifikationen eines Berufs absolviert, um am Ende an der Externenprüfung teilzunehmen. In der Vergangenheit hatte bereits der Deutsche Gewerkschaftsbund befürchtet, dass Teilqualifikationen als bloßes „Berechtigungszertifikat“ betrachtet werden könnten, um kurzfristige Bedarfe zu decken.
Qualifizierung, aber Schritt für Schritt
Dabei schließt die Teilqualifizierung eine Lücke: Sie ist zeitlich ähnlich flexibel wie kleine spezialisierte Weiter- und Fortbildungen. Damit bietet sie Vorteile gegenüber der großen zeitlichen Verpflichtung, die man mit einer klassischen Ausbildung oder Umschulung eingeht. Gleichzeitig vermittelt eine Teilqualifikation nicht nur isoliertes Spezialwissen für Fachexpertinnen und Fachexperten, sondern fundierte Kenntnisse zum Erlernen eines Berufs.
Für die Firma Spangler Automation aus dem bayerischen Dietfurt an der Altmühl kam die Möglichkeit zur Teilqualifizierung wie gerufen, nachdem ein Kollege seine Ausbildung abbrechen musste. Cornelia Hofmann, Leiterin der Kaufmännischen Abteilung, und ihr PR-Kollege Markus Pflieger erklären im Interview, wie die Teilqualifikation ihrem Unternehmen geholfen hat und worauf es bei einer erfolgreichen Umsetzung genau ankommt. Ihr Beispiel zeigt, dass Teilqualifizierungen als realistischer Weg zum Berufsabschluss dienen können.
Faktor A (FA): Welche Erfahrungen hat Spangler Automation mit dem Instrument der Teilqualifizierung gemacht?
Cornelia Hofmann (CH): Da muss ich etwas ausholen. Im September 2017 hatte ein junger Mann bei uns eine Ausbildung zum Elektroniker in der Automatisierungstechnik begonnen. Wir kannten ihn zu dem Zeitpunkt bereits aus einem Praktikum und einer Einstiegsqualifizierung. In seinem zweiten Jahr hat er dann aber leider die Ausbildung abgebrochen. Da wir ihn gerne im Unternehmen halten wollten, haben wir ihm einen Arbeitsvertrag als Lagerhelfer angeboten, den er auch annahm. Später haben wir dann von der Möglichkeit einer Teilqualifizierung gehört. Die gibt es auch für das Berufsbild des Fachlageristen. Diese Möglichkeit haben wir dem Kollegen angeboten. Anschließend hat er eine TQ nach der anderen absolviert und letztlich auch die Externenprüfung bei der IHK (Industrie- und Handelskammer, Anmerkung der Redaktion) bestanden.
FA: Können Sie sagen, wieso die klassische Ausbildung für den Kollegen nicht funktioniert hat, die Teilqualifizierungen hingegen schon?
CH: Da kommen viele Faktoren zusammen. Das lag nur zum Teil an der Ausbildung selbst. Entscheidend war sicher auch die Wohnsituation des Kollegen damals. Er ist Geflüchteter und lebte zu der Zeit in einer Sammelunterkunft, was nicht optimal ist, um in Ruhe lernen zu können. Dazu drohte ihm zwischenzeitlich die Abschiebung. Das belastet natürlich zusätzlich.
Markus Pflieger (MP): Die Ausbildung zum Elektroniker in der Automatisierungstechnik war insgesamt auch etwas verschulter. Mit Unterrichtsanteilen, die nicht zwingend immer etwas mit dem beruflichen Fach selbst zu tun haben. Die Teilqualifizierungen waren hingegen viel direkter auf das jeweilige berufliche Teilgebiet hin abgestimmt.
FA: Was mussten sie für die Umsetzung der TQ alles organisieren?
CH: Ich habe mich um alles gekümmert, was bei uns im Rahmen der TQ angefallen ist. Am Anfang war das BBW zuständig, später wechselte das Thema zu den Bfz (Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft bzw. Berufliche Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft, Anmerkung der Redaktion). In Zusammenarbeit mit diesen Partnern konnten wir die Qualifizierungsmaßnahme sehr gut und vor allem unkompliziert umsetzen. Immer wenn eine Teilqualifizierung auf ihr Ende zuging, kam die Frage von den Bfz, ob der Kollege weitermachen möchte. Die Partner haben auch den Kontakt zur Bundesagentur für Arbeit hergestellt. Die BA hat für jede TQ die Kosten übernommen und dem Kollegen einen Bildungsgutschein ausgestellt. Von Anfang bis Ende der TQ haben wir den Kontakt zur BA und zu den Bildungswerken gehalten.
FA: Welche anderen Weiterbildungsmöglichkeiten bietet Ihr Unternehmen an und inwiefern ergänzen die TQ diese?
CH: Da wir als internationaler Mittelständler mehrsprachig aufgestellt sind, spielen bei uns auch Weiterbildungen im sprachlichen Bereich eine Rolle. Wir bieten vor allem Sprachunterricht in Englisch und Deutsch an. Im technischen Bereich bilden sich zum Beispiel die SPS-Programmierer (SPS = Speicherprogrammierbare Steuerung, Anmerkung der Redaktion) weiter, um immer auf dem aktuellen Stand zu bleiben.
MP: Wir leben natürlich auch vom Erfahrungsaustausch. Wer etwas Neues lernt, teilt das auch innerhalb des Unternehmens. Externe Qualifizierungen verstehen wir als Ergänzung, da sie meist sehr punktuell und begrenzt sind. Die TQ ist unserer Ansicht nach einzigartig, da sie modular aufgebaut ist und Grundlagen eines Berufs vermittelt.
FA: Was muss zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmenden geklärt werden, damit die TQ für beide Seiten erfolgreich ist?
CH: Es ist sehr wichtig, von Anfang an auch die Kolleginnen und Kollegen einzubinden. Denn eine Teilqualifizierung bedeutet, dass die betreffende Person vorübergehend einen Teil ihrer Aufgaben nicht erledigen kann. Die Aufgaben fallen aber trotzdem an und müssen für diese Zeit von anderen übernommen werden. Nicht nur deswegen ist es wichtig, dass sich alle Seiten von Beginn an austauschen und auf dem Laufenden halten. Und das kann bis hin zu solchen Detailfragen gehen, ob die Kollegin oder der Kollege für die Qualifizierung auch die Arbeitsmittel, die wir als Arbeitgeber zur Verfügung stellen, nutzen darf.
MP: Ganz prinzipiell ist so eine Qualifizierung kein Selbstläufer, weder für den Arbeitgeber noch für die Arbeitnehmenden. Beide Seiten müssen ein großes Engagement einbringen und gewissermaßen einen „Bund“ eingehen, damit es funktioniert.