20.12.2017 - Esther Werderinghaus -3 MinutenRichtig führen
Als Steffi Barth noch Angestellte war, hat sie erlebt, wie sich Spannungen aufbauen können. Heute führt sie ihr eigenes Unternehmen und sorgt dafür, dass es gar nicht erst dazu kommt.
Ich habe als Textilunternehmerin mit vier Mitarbeitern angefangen. Damals waren die Produktionsvorgänge noch überschaubar, mittlerweile ist mein Unternehmen aber gewachsen und die Ware in der Herstellung komplizierter geworden. Es braucht elf verschiedene Schritte, um eines unserer Sporttrikots zu produzieren, vom Zuschnitt über die Näherei bis zum Versand. Menschen mit ganz unterschiedlichen Fähigkeiten arbeiten daran. Manche haben einen Uniabschluss, andere waren nur auf der Hauptschule, aber alle müssen miteinander kooperieren, sich absprechen, Kompromisse finden. Der Austausch fördert die Kommunikation unter den Kollegen, und die Arbeitsvorgänge werden damit optimiert. Aber genau hier liegt auch Potenzial für Zoff. Wenn man nicht aufpasst, kann der sich wie ein Blumenbouquet entfalten.
Einmal im Monat haben wir Mitarbeiterversammlungen, in denen es viel zu essen und zu trinken gibt. An diesen Vormittagen kann jeder sagen, was ihm auf dem Herzen liegt. Da ärgern sich zum Beispiel Mitarbeiter aus der Produktion darüber, dass ein Arbeitsschritt bei einem Trikot nicht gut durchdacht wurde und in der Produktion zu viel Zeit kostet. Dann fühlen sich die Designer und Technologen in ihrem Image manchmal ganz schön angegriffen. Oder ein Grafiker hat mal geträumt, auf die falsche Farbdatei geklickt, und die gesamte Produktionskette musste von vorne gestartet werden. Manchmal müssen die Streitparteien dann in einen Nebenraum und bei einem weiteren Pott Kaffee erst mal Dampf ablassen. Sie beraten sich dann so lange, bis sie eine Lösung finden.
Grillfest als Dankeschön
In jedem Unternehmen knallt es mal. Wichtig ist es, dass die Mitarbeiter ihre Probleme äußern. Es gibt immer mal wieder Stressphasen, in denen sich Druck aufbauen kann. Als Führungskraft muss ich das aber auch erkennen und dafür sorgen, dass sich der Druck wieder abbaut.
Ich schmeiße in solchen Phasen auch mal ein großes Grillfest, damit die Kolleginnen und Kollegen wissen, dass ich ihre Arbeit gerade jetzt in Stoßzeiten zu schätzen weiß. Sie sehen dann, dass sie von mir gesehen werden. Das ist noch wichtiger als die vielen Dinge, die ich ihnen zum Stressabbau noch so zur Verfügung stelle: einen Kraftraum, Fitnessgeräte, freie Arbeitszeitregelung.
Atmosphäre der Angst
Mir ist das alles sehr wichtig, denn ich habe selbst erlebt, wie Mitarbeiter unter dem Druck in einem Unternehmen zerbrechen können. Als ich noch Angestellte bei einem großen Schuhkonzern war, hatte ich Vorgesetzte, die einen ständig kritisierten, ermahnten, meckerten und immer wieder mit der Kündigung drohten. Ich hatte damals zwei kleine Kinder und arbeitete 75 Stunden in der Woche. Aber ich durfte nicht mal frei machen, um früher zum Kindergeburtstag zu erscheinen. Privates hatte im Arbeitsalltag nichts zu suchen. Es hieß: „Ihr seid nicht zum Reden, sondern zum Arbeiten hier.“ Vielen Kollegen wurde grundlos gekündigt. Es herrschte eine Atmosphäre der Angst, und ich habe mir geschworen, dass ich niemals so führen würde. Es geht nur miteinander, nicht gegeneinander. Und es geht nur, indem man die Arbeit als das nimmt, was sie ist: eine ganz, ganz tolle Aufgabe. Aber es geht hier nicht um Menschenleben. Es geht um Radtrikots.