Florian Koenen Denken Sie an das Unternehmen ohne Familie. Und denken Sie an die Familie ohne Unternehmen.
Sebastian Keil Herzlich willkommen zum Faktor-A-Podcast. Heute geht es um das Thema Nachfolge in Familienunternehmen und dazu begrüßen wir Florian Koenen von der Topos Personalberatung aus Hamburg. Herzlich Willkommen Florian!
Florian Koenen Hallo! Freue mich, dabei zu sein. Vielen Dank!
Sebastian Keil Florian ist Experte, wenn es um den Stabwechsel in Familienunternehmen geht und zwar mit dem Innen- und Außenblick, denn er selbst folgte bei Topos auf seinen Vater und Gründer Achim Koenen. Und vielleicht fangen wir da auch einfach mal an. War das eine geplante Nachfolge?
Florian Koenen Nein, es war gar keine geplante Nachfolge, wenn man so will. Und ich glaube, das ist auch ein bisschen das Geheimnis, warum es bei uns gut geklappt hat. Das sind auch Themen, die haben wir immer wieder mit Kunden. Wie sehr muss man das planen? Es geht sicherlich beides. Bei uns war es ungeplant. Ich durfte erst mal meine eigenen Erfahrungen extern machen und irgendwann war ich dann selbst soweit, dass ich das Gefühl hatte, jetzt will ich es doch und bin sozusagen zurückgekehrt und bin dann auf mein Vater zugegangen. Und dann haben wir einen gut Weg für uns gefunden. Es ist tatsächlich oft so, dass da eine Menge Fallstricke lauern. Man wächst ja irgendwo in seiner Familie mit dem Unternehmen auf, man sitzt mit am Tisch, man hört abends beim Abendbrot über bestimmte Mitarbeiter oder über bestimmte Themen. Und ich glaube, dass bei vielen Nachfolgern da schon sehr früh das Gefühl entsteht, man müsse das übernehmen. Das war bei uns aber nie so. Sondern das war immer so, dass ich die Freiheit gehabt habe, erst mal meinen eigenen Weg zu gehen, mein eigenes Studium zu wählen, erst einmal in anderen Unternehmen zu arbeiten, da mir auch ein Stück weit zu beweisen: Ich kann das auch ohne den Namen im Rücken. Mein Vater gehörte so ein bisschen zum Urgestein der deutschen Personalberatung, die diese ganze Branche so begründet haben und da kannten ihn viele. Und ich musste mir das ein Stückweit selber beweisen. Und er hat da auch nicht gedrängt. Und ich glaube, das war einfach am Ende sehr positiv. Und dann habe ich irgendwann gemerkt, als ich so im Räderwerk der großen Unternehmen war: Es ist vielleicht doch spannend, auch Unternehmer zu sein, sein eigener Herr zu sein, Dinge bewegen zu dürfen, Dinge voranzubringen. Und ich hab das dann angesprochen. Mein Vater hat sehr positiv reagiert, hatte aber auch Vorstellungen und wir haben uns dann in so einem Wochenende mal zusammengesetzt und haben für uns unsere jeweiligen Bedingungen definiert. Ich habe gesagt: „Ich möchte meine eigenen Fehler machen können.“ Mein Vater hat gesagt: „Ich möchte aber nicht, dass du hier alles anzweifelst und sagst ‚Das ist alles Mist‘. Das hatte eben alles so seinen Grund, warum das vielleicht mal zum Zeitpunkt so entschieden worden ist. Vielleicht muss es jetzt anders“. Und so haben wir uns einander angenähert und uns da am Ende auch die Freiheiten gegeben, damit jeder so seine Räume hatte. Und deswegen konnten wir auch eine Weile gut nebeneinander existieren, wir haben das anderthalb Jahre nebeneinander gemacht, weil wir auch sehr klar gesagt haben „Dein Bereich, mein Bereich“. Ich kann immer fragen. Ich darf aber auch meine Dinge so verändern, wie ich sie möchte. Und ich glaube, diese richtige Mischung aus Freiheit und Nähe in der Abstimmung, die hat sehr gut funktioniert. Wichtig war aber auch, dass wir eine gemeinsame Vision hatten, wo das Unternehmen letztendlich hin sollte. Und das hat so in dem Doppelpack glaube ich ganz gut funktioniert. Aber auch und das ist dann vielleicht der letzte Punkt, die Übergabe nicht zu lange hin zu strecken, sondern zu schauen, dass es dann auch einen Endpunkt gibt, wo dann wieder irgendwo ein Kapitän auf der Brücke steht und nicht zwei Personen versuchen, die Richtung des Schiffes zu beeinflussen.
Sebastian Keil Man sagt „Nachfolge in Familienunternehmen“. Gibt es da eine gewisse Größenordnung eigentlich, ab dem man sich zu dem Thema beraten lässt? Also wenn jetzt sagen wir mal der Elektriker Meister den Staffelstab an den Sohn übergibt, dann ist es vielleicht was anderes, als wenn Familie Quandt an der Stelle ist. Gibt es da eine Grenze?
Florian Koenen Ich glaube, es gibt keine Grenze. Und ich glaube, so unterschiedlich sind die Themen gar nicht zwischen den Quandts und dem Elektromeister. Weil am Ende menschelt es bei all diesen ganzen Themen. Und es gibt Ideen auf beiden Seiten. Es knirscht an den gleichen Stellen und da sind neben beruflichen und fachlichen Entscheidungen auch immer emotionale Themen, finanzielle Themen, Themen, über die keiner so gerne spricht. Die Themen sind die gleichen. Ich glaube, beraten lassen von außen sollte man sich ruhig, wenn man das Gefühl hat, das hilft uns, auch wenn sicherlich die Art und der Umfang der Beratung dann bei einer Familie Quandt vielleicht eine andere ist, als beim Elektromeister. Aber die Themen vom Grundsatz her, glaube ich, sind in vielen Fällen sogar tatsächlich vergleichbar.
Sebastian Keil Magst du da näher darauf eingehen – bei welchen Themen knirscht es denn?
Florian Koenen Also es knirscht glaube ich erst einmal bei den ganz banalen Dingen: finanzielle, steuerrechtliche, erbrechtliche. Man muss über Themen sprechen wie sterben, vererben, schenken, bezahlen. Was will der Senior vielleicht noch aus dem Unternehmen raus haben? Und solche Dinge. Das heißt, da sind emotionale Themen dabei, die schwierig zu besprechen sind, in der Familie häufig. Es knirscht an solchen Stellen. Will das Kind, der Sohn, die Tochter das überhaupt? Und da fällt es vielen Firmen schwer, zu unterscheiden zwischen gesellschafterseitigen Nachfolge und nach unternehmensseitiger Nachfolge. Denn es kann ja auch durchaus ein Weg sein zu sagen ‚Ja, als Gesellschafter tritt das Kind die Nachfolge an. Aber es ist vielleicht gar nicht operativ in der Firma tätig oder ist vielleicht nur zu einem bestimmten Teil in der Firma tätig, holt sich aber jemanden an seine Seite, der das kaufmännische oder das vertriebliche oder das, was vielleicht dem Nachfolger nicht so sehr liegt, was der Senior alles aus einer Hand gemacht hat, dann eben abnimmt. Das können unterschiedliche Wege sein. Und da gibt’s häufig unterschiedliche Ideen und auch Erwartungen. Und da kannst du mal ganz kräftig knirschen an. Es gibt immer so einen Spruch, den wir regelmäßig nutzen, wenn wir mit solchen Firmen, mit solchen Familien sprechen, gerade im Mittelstand. Und er heißt: Denken Sie an das Unternehmen ohne Familie. Und denken Sie an die Familie ohne Unternehmen. Was soll das heißen? Das soll heißen, man muss sich einerseits überlegen Was ist das Beste für die Familie? Man sollte niemanden rein drängen in so eine Rolle. Nur weil drei Generationen vorher ein Unternehmen geführt haben, muss das nicht heißen, dass die vierte Generation das auch tun muss und dazu befähigt ist. Und auf der anderen Seite muss man eben auch das tun, was für das Unternehmen das Beste ist. Und das kann auch heißen, das Unternehmen zu verkaufen, das kann heißen, eine gemischte Geschäftsführung aufzustellen. Das kann sein, dass die Familie sich auf eine Gesellschafterrolle zurückzieht. So, also da gibt’s eine Menge Variablen, über die man irgendwo reden und nachdenken sollte. Wobei reden, glaube ich, das Schlüsselwort ist. Man muss über diese Dinge sprechen und manchmal ist es auch ganz gut, wenn man das tut in Begleitung eines Profis oder eines Moderators oder eines Externen, der die Dinge strukturieren kann und dann vielleicht auch gucken kann, dass man Kompromisse miteinander findet. Damit beide Seiten sagen: „Ja, damit können wir leben. Und in so einem Setting können wir uns so eine Nachfolge dann tatsächlich vorstellen.“
Sebastian Keil Wenn ich mir das so anhöre, dann sind das ja grundsätzlich alles Gesprächsthemen, die man sowieso irgendwie hat. Also über das Sterben muss man irgendwann sprechen. Was macht man, wenn man nicht mehr jeden Tag ins Büro geht? Darüber muss man sprechen. Vielleicht dann nicht mit den Kindern, sondern mit dem Lebenspartner oder der Lebenspartnerin. Will der Nachwuchs das überhaupt? Stelle ich mir sehr interessant vor, weil früher war die Tradition ja sicherlich so, dass die Nachfolge auch ja ganz streng darauf vorbereitet wurden.
Florian Koenen Ja, es gibt so Unternehmerfirmen immer noch, aber ich glaube auch, da machen sich so aktuelle Trends bemerkbar, dass auch da Kinder nicht mehr diese Rolle des „Du musst das übernehmen“ so akzeptieren, wie das vielleicht noch von der Generation so der 68er irgendwo häufig noch erwartet wird und die sich auch ausbedingen, möglicherweise in eine andere Richtung gehen zu wollen. Aber klar, das führt natürlich auch möglicherweise zu Konflikten. Aber das gehört auch zu den Themen, über die muss man reden. Und das ist auch nicht nur ein Gespräch, sondern es hat viele Gespräche. Das ist häufig auch ein Prozess. Und es ist dann doch auch erstaunlich, wie gut es dann häufig klappt, wenn die Dinge mal klar auf dem Tisch sind und man das für sich durchstrukturiert hat und die Dinge auch mal ausgesprochen sind und nicht immer nur so implizit sind, sondern explizit sind. Dann ist eigentlich meine Erfahrung, gibt’s viele, viele Unternehmen, die da sehr gute Lösungen für sich gefunden haben und häufig auch Zwischenwege gefunden haben: Familien, fremde Manager reinzuholen, einen Interims-Manager reinzuholen, sich eine Familienverfassung zu geben, sich mal die Dinge auch aufzuschreiben, die Geschäftsleitung neu aufzustellen. Also da können so viele Dinge daraus resultieren. Das muss man einfach irgendwo für sich regeln. Und ich glaube, da sind die Erwartungshaltungen heute nicht mehr so streng, wie sie gewesen sind. Auch da gibt’s mehr Freiheiten, so wie es heute in fast allen Bereichen der Wirtschaft mehr Freiheiten gibt, als das noch vor 20 oder 30 Jahren geht. Was Karrieregestaltung, Karrierewege angeht, möglicherweise auch mal rauszugehen, zurückzukommen, nur für eine Phase drin zu sein oder ähnliches. Es gibt kein nicht das Handbuch, das man rausziehen kann, und sagen muss: „So funktioniert Unternehmensnachfolge“, sondern es ist eigentlich immer eine sehr individuelle Lösung. Man muss immer mit den Personen Lösungen finden, die für die Familie an der Stelle tatsächlich funktionieren.
Sebastian Keil Ich hab viele Beispiele drüber gelesen, wo die Nachfolger in der betreffenden Firma groß wurden und letztendlich die Nachfolge übernommen haben. In deiner eigenen Vita ist es so, dass du quasi in anderen Unternehmen groß wurdest und dann die Nachfolge übernommen hast. Wie würdest du das einschätzen? Man kann vermutlich nicht sagen, eins ist besser als das andere. Aber vielleicht kannst du die Vor- und Nachteile oder ein paar Unterschiede hervorheben.
Florian Koenen Also ich glaube, ein Vorteil, wenn man extern sich so seine Sporen verdient, ist einerseits das Gefühl „ich kann es“. Ich kann mir beweisen, wie ich es vorhin schon gesagt habe, dass ich es auch ohne den Namen schaffe. Ich glaube, es ist auch von Vorteil, mal zu sehen, wie Dinge in anderen Branchen, in anderen Firmen, in anderen Bereichen funktionieren, sodass man dann häufig auch wieder frischen Input und eigene Impulse in das Familienunternehmen hineintragen kann und darüber sich dann vielleicht auch eigene Bereiche definiert. Sei es vielleicht die Digitalisierung, die man in einer anderen Branche kennengelernt hat und die im elterlichen Unternehmen vielleicht noch nicht so fortgeschritten ist. Da hat man dann ein Thema, was auch klar abgegrenzt ist, mit dem man sich dann da, wenn man eintritt, seine Sporen verdienen kann. Es ist sicherlich auch ein Thema, dass man sich ein eigenes Netzwerk aufgebaut hat von Menschen, auf die man zurückgreifen kann und auch vielleicht eine Fallback Option hat falls es im elterlichen Unternehmen nicht funktioniert. Na gut, dann gehe ich vielleicht nach ein paar Jahren doch wieder raus und gehe zurück in meine alte Branche, in das alte Unternehmen oder ähnliches. Also das hat durchaus Vorteile.
Florian Koenen Der Weg im Unternehmen hat natürlich auch Vorteile, gerade wenn man so über ganz spezialisierte, etwa Maschinenbauunternehmen oder ähnliches spricht, wo es dann wirklich notwendig ist, ganz, ganz, ganz tief in ein bestimmtes Produkt einzutauchen. Dann kennt man natürlich jede Schraube und jede Konstruktionszeichnung mit Namen. Man kennt ja die Mitarbeiter intensiv, man kennt Märkte ganz explizit und nimmt natürlich, wenn man ein bisschen Antenne und bisschen Empathie hat, möglicherweise auch wahrnimmt: wo hakt es vielleicht? Wo haben die Leute Probleme mit dem, wie meine Eltern die Firma führen oder wie meine Eltern die Firma ausgerichtet haben oder ähnliches. Und kann da dann wieder stärker darauf einsteigen in dem Moment, wo man dann selber irgendwo im Fahrersitz ist und kann dann so seine Agenda, für die man dann möglicherweise auch paar Jahre Zeit hatte, auch sehr schön umsetzen, weil man keine Anlaufzeit mehr braucht, um sich ins Unternehmen einzuarbeiten. Also beide Lösungen haben in meinen Augen ganz klar Vor- und Nachteile und auch da gibt es sicherlich nicht den Königsweg. Auch das muss eine Familie und auch das muss Nachfolger oder ein Abgebender für sich entscheiden, was der richtige Weg ist.
Sebastian Keil Gibt es einen Zeitpunkt oder gibt es ein „zu spät“ für die Nachfolge, wenn es familienintern sein soll?
Florian Koenen Also ich glaube, es gibt definitiv ein „zu spät“. Ich glaube, es gibt wahrscheinlich ein „zu früh“. Wobei häufig solche Situationen auch gut funktionieren, wenn Leute vielleicht müssen, weil irgendwo in der Familie vielleicht irgendwas vorgefallen ist, das dafür sorgt, dass sie schnell in so eine Führung rein müssen. Aber ein „zu spät“, das war ja deine eigentliche Frage, gibts mit Sicherheit. Das sehen wir auch immer wieder bei Firmen. Dann haben Unternehmen so viele Ausfahrten verpasst, sei es in Organisation, sei es in Recruiting, sei es in Produkten oder ähnlichem, weil da jemand auf dem Sitz gesessen hat, der einfach in einer anderen Zeit groß geworden und erfolgreich geworden ist und da Dinge in Führung, in Produkten, in Themen irgendwo verpasst hat. Und dann ist die Firma wirtschaftlich angeschlagen, dann ist die Übergabe schwierig, weil sie eben auch unter einem Druck erfolgen muss. Und ich glaube, das ist schwierig, wenn man erst drüber nachdenkt, wenn es entweder dem Unternehmen schlecht geht oder der abgebenden Person so schlecht geht, dass sie es abgeben müssen. Man sollte da schon beizeiten, wenn beide Seiten sagen „Wir haben noch ein bisschen Zeit und wir können das hier noch eine Weile gemeinsam gestalten“, miteinander angehen.
Sebastian Keil Du hast ja schon sehr viele Themen angesprochen. Gibt’s noch ne goldene Regel, die wir den Zuhörern mitgeben können oder irgendetwas, was noch so essentiell ist?
Florian Koenen Die goldene Regel gibt’s in meinen Augen nicht, aber es gibt so zwei Themen, die ich immer raten würde zu beachten. Das eine ist das Thema „Thematisieren Sie die Nachfolge“. Also sprechen Sie drüber. Denn nur wenn man drüber gesprochen hat, kann man auch Lösungen finden. Und das andere Thema ist, einfach Alternativen für die familiäre Nachfolge in Betracht zu ziehen. Wenn es das Unternehmen, wenn den Abgebenden oder die übernehmende Person überfordert, unglücklich macht oder schlichtweg irgendwo an einer Stelle fachlich persönlich nicht passt, dann sollte man auch so ehrlich zu sich sein, dass es auch andere Alternativen geben kann. Einen Unternehmensverkauf, ein externes angestelltes Management oder oder oder. Aber es muss nicht immer die familiäre Nachfolge sein.
Sebastian Keil Vielen Dank, Florian Koenen!
Florian Koenen Sehr gerne.