04.11.2012 - Ulrike Heitze -5 MinutenRichtig führen
Renate und Klaus Kobjoll haben ihr Hotel „Schindlerhof“ ohne große Reibungsverluste an ihre Tochter Nicole übergeben. Dank langfristiger Planung, klarer Verantwortlichkeiten, schlauer Strukturen – und einer Prise Manipulation.
Sie schimmern in Gold, Türkis und Feuerrot. Wer im Gebäudeteil Ryokan des Schindlerhofs ein Zimmer am hoteleigenen Teich erwischt, kann die Kois vom Bett aus sehen. Andere der 24 im Japan-Stil und nach Feng-Shui eingerichteten Zimmer bieten erschöpften Tagungsgästen Kontemplation in einem Steingarten oder Bambushain. Mit ihrem schlichten Bauhausstil stechen die grauen Würfel gegenüber den übrigen Gebäudeteilen mit ihren weinberankten Spitzdächern und blumengeschmückten Holzbalkonen hervor und verleihen dem Hotel eine ganz neue Facette. „Das hat Nicole clever gemacht. Ein ganz anderer Stil, mit dem wir neue Zielgruppen erreichen“, meint Klaus Kobjoll, Seniorchef und Gründer des Hotels. „Obwohl mir damals phasenweise schwummerig war ob ihrer Pläne.“
„Damals“ war im Jahr 2000 und der Bau des Ryokan-Komplexes für Tochter Nicole so etwas wie der Testballon im elterlichen Unternehmen. Denn dass die damals 26-Jährige einmal in die Fußstapfen ihrer Eltern treten würde, war für sie keine ausgemachte Sache. „Mein Vater hat mir seit meiner Kindheit vorgeschwärmt, dass dies der beste Beruf der Welt sei. Das hat mich zwischenzeitlich sogar abgeschreckt“, erinnert sich Nicole Kobjoll.
Als sie nach dem Abitur Französisch an einer Sprachschule lernen wollte, schlug der Vater die Schweiz vor und zog nebenbei einen Platz an der renommierten Hotelfachschule in Lausanne aus dem Ärmel. „Wir hatten Nicole prophylaktisch ohne ihr Wissen angemeldet, als sie noch ganz jung war“, berichtet der heute 64-Jährige und räumt ein, dass dieser Schachzug haarscharf an der Manipulation vorbeischrammt. Die überrumpelte Tochter akzeptierte, machte ihren Sprachkurs und büffelte schließlich für die Aufnahmeprüfung, da das Gros ihrer neuen Sprachschul-Freunde ebenfalls dorthin gehen wollte.
Nachfolgerin konnte sich beim Neubau einbringen
Tatsächlich verlor die Tochter ihr Herz an die Hotellerie, sie verdiente sich ihre Sporen aber im Ausland: im Tessin, in Dublin, Lausanne und London. Ködern konnten ihre Eltern sie schließlich mit einem Angebot, das sie nicht ablehnen konnte, weil es mit ihrem Faible für Innenarchitektur spielte: dem Neubau des Gebäudekomplexes. „Sie versprachen mir völlig freie Hand. Und sie haben mir tatsächlich kein einziges Mal reingeredet“, sagt die 38-Jährige.
Ein Jahr später stand Ryokan – und der Schindlerhof-Funke war übergesprungen. „Trotz sieben Jahren im Ausland konnte ich mir plötzlich die Rückkehr ins Hotel meiner Eltern sehr gut vorstellen.“ Allerdings unter der Bedingung, dass das Prozedere geregelt und Schritt für Schritt die Verantwortung übergeben würde. „Meine größte Befürchtung war, dass ich zum Nachlassverwalter meiner Eltern verkomme und die beiden goldgerahmt in sämtlichen Ecken hängen“, erinnert sie sich lachend.
Damit nahm der Prozess im Jahr 2001 mit Prokura und der Verantwortung für Marketing und PR seinen Anfang und wird dieses oder nächstes Jahr abgeschlossen sein. Ihren Einstieg über ein vom Tagesgeschäft losgelöstes Projekt sieht sie als Ideallösung für jeden Nachfolger an.