25.10.2017 - Esther Werderinghaus -4 MinutenRichtig führen
Sie gehörte zu den weltweit besten Biathletinnen, gewann mehrfach Gold bei Olympischen Spielen. Dann suchte Kati Wilhelm eine neue Herausforderung und eröffnete das Restaurant „Heimatlon“ – mitten im Thüringer Wald.
Nach meiner Karriere als Biathletin habe ich mir einen großen Traum erfüllt: Ich habe mein eigenes Restaurant in meiner Heimatstadt in Thüringen eröffnet. Seit nun vier Jahren bin ich Chefin dieses gastronomischen Betriebs, zweifache Mutter, nebenbei noch Sportexpertin bei der ARD und Referentin zum Thema Entscheidungen. Der Spagat zwischen diesen Rollen ist meine größte Herausforderung.
Früher hat es mich gefordert, für Wettkämpfe zu trainieren. Monatelang bereitete ich mich auf den großen Tag vor: Berg hochfahren, Skiroller laufen, Schießen üben, immer und immer wieder, auch bei fünf Grad minus im strömenden Regen. Ich trainierte zwischen vier und acht Stunden am Tag. Das war oft furchtbar langweilig, gerade wenn man zwei Stunden laufen soll und nicht mal schießen darf. Da habe ich mich dann immer selbst motiviert: Ich setzte mir kleine Ziele, lief einen Berg in einem anderen Rhythmus hoch, änderte den Laufstil und dachte daran, wie es war, als ich mich zuletzt selbst überwunden habe. Das machte mich dann immer stolz und motivierte mich. Über all dem schwebte der Glaube an die nächste Medaille. Und es hat dann ja auch öfter für Gold gereicht.
Küche im „Heimatlon“ statt Kleinkaliber beim Biathlon
Aber nun hat sich mein Leben geändert. Als Chefin eines gastronomischen Betriebs muss ich mich anders motivieren. Anfangs waren mein Team und ich ganz euphorisiert. Das „Heimatlon“ liegt mitten im Thüringer Wald, im überschaubaren 5000-Einwohner-Städtchen Steinbach-Hallenberg, eine heimelige Atmosphäre, viel Holz, eine offene Küche, und ein großer italienischer Holzofen, in dem wir eine Mischung aus Flammkuchen und Pizza backen. Wir räuchern den Lachs selbst, entwickeln eigene Kreationen wie Senfbalsam und spezielle Gewürzmischungen. Das ist mutig für einen Standort mitten im Thüringer Wald. Die Gäste mussten erst mal akzeptieren, dass sie hier nicht wie sonst überall Klöße und Rouladen bekommen. Das, was wir hier im „Heimatlon“ machen, ist neu.
Es war und ist eine große Herausforderung für mich, Chefin zu sein. Das war ich nie. Ich musste niemandem sagen, was er tun soll. Jetzt sage ich als Nicht-Gastronomin den Profis in der Küche und im Service, wo es langgeht. Zu meinen Angestellten ein freundschaftliches Verhältnis zu pflegen ist mir wichtig, aber ich bin auch die, die dann Kritik übt, wenn das Lager mal nicht aufgeräumt ist oder beim Einkauf zu viel Geld ausgegeben wurde. Das ist oft ein Drahtseilakt für mich.
Im „Heimatlon“ selbst packe ich überall mit an. Ich bin hinterm Tresen, im Service, ich putze, räume auf – und habe wirklich unterschätzt, was noch alles an administrativer Arbeit dazugehört. Mein Tag hat gefühlt 30 Stunden. Das sind dann manchmal die Momente, in denen ich an der Entscheidung, das Lokal zu eröffnen, zweifle. Aber dann schau’ ich in die gemütliche Stube, auf unsere wilde, kreative Speisekarte und sehe meine motivierten und professionellen Angestellten, die das alles mit mir gestemmt haben. Die Gastronomie passt einfach zu mir, denke ich.