Lencke Steiner ist die Vertrauensfrau

Lencke Steiner hat sich an der Spitze des Verpackungsunternehmens W-Pack den Respekt ihrer Mitarbeiter erarbeitet. Weil sie ihnen vertraut – und zuhört.


28.08.2014 - Anja Peters -5 MinutenRichtig führen

Sie ist erfolgreich, jung und die Tochter des Chefs: Lencke Steiner hat sich an der Spitze des Verpackungsunternehmens W-Pack den Respekt ihrer Mitarbeiter erarbeitet. Weil sie ihnen vertraut - und zuhört.

Wenn Lencke Steiner morgens um kurz nach acht ins Büro kommt, setzt sie sich nie direkt an ihren Schreibtisch. Mails, Telefonate, der Rundgang durch das Lager – all das kann warten. Viel wichtiger findet sie es, mit ihrem Team zu sprechen. Ein offizielles Meeting braucht sie dazu nicht. Steiner setzt sich bei ihren Mitarbeitern auf die Schreibtischkante. „Ich kommuniziere extrem viel“, sagt sie. In einem Familienunternehmen sei es wichtig, sich auszutauschen, nicht nur berufliche Fragen zu besprechen. „Nur so entsteht gegenseitiges Vertrauen.“

Lencke Steiner ist 28 Jahre alt und, gemeinsam mit ihrem Vater Dieter H. Wischhusen, 70, und ihrem Bruder Arend, 34, Geschäftsführerin der W-Pack Kunststoffe GmbH & Co KG, einem Betrieb, der sich auf Industrie- und Lebensmittelverpackungen spezialisiert hat. Für das Unternehmen arbeiten 50 Mitarbeiter, der Jahresumsatz liegt bei 15 Millionen Euro.

Steiner bezeichnet sich selbst als „Außenministerin“ des Betriebs, sie kümmert sich um den Verkauf, um Großkunden und Personalfragen. Außerdem ist sie die Bundesvorsitzende des Verbands „Die Jungen Unternehmer“. Ihr Bruder Arend ist der „Innenminister“. Er beschäftigt sich mit den Finanzen, der EDV und übernimmt strategische Aufgaben. „Das ergänzt sich sehr gut“, sagt Steiner.

Dass sie in die Firma einsteigen würde, wusste sie schon mit neun. Die Mädchen in ihrer Klasse wollten Tierärztin werden, die Jungen Astronaut. „Ich wollte das Lebenswerk meines Vaters fortführen“, sagt sie. Sie bewundert den Selfmademan, der sich, nachdem er eine Weile zur See gefahren war, in Bremen ein eigenes Unternehmen aufgebaut hatte. Angefangen hatte alles mit einer Seilerei, später kam der Handel mit Verpackungsmaterialien hinzu.

Als Teenager sorgte sie sich, dass ihr Vater zu früh ausfallen könnte. Ihr Bruder Arend, sieben Jahre älter, war in einer anderen Firma tätig, die Mutter hatte nie im Unternehmen gearbeitet. „Deshalb habe ich schon damals beschlossen, im Betrieb meines Vaters eine Ausbildung  zur Groß- und Außenhandelskauffrau zu machen“, sagt Steiner. Sie wollte das Unternehmen von Grund auf kennenlernen, um für den Notfall gewappnet zu sein.

Lencke Steiner mit Mitarbeiter Nils Zittlosen
© Sebastian Vollmert - Lencke Steiner mit Mitarbeiter Nils Zittlosen: „Man ist hier nicht einer von vielen“, sagt der Lagerverwalter.

Respekt für Zuhörerin Lencke Steiner

Am Anfang hatte die 1,77 Meter große Frau mit den blonden Haaren es als Tochter des Chefs nicht leicht. Einige Mitarbeiter hatten Vorbehalte. „Das Nachfolge-Püppchen muss hier sowieso nichts machen“, glaubten sie. Doch der Vater verlangte der Tochter deutlich mehr ab als den übrigen Mitarbeitern. Möglichst schnell sollte sie die Abläufe des gesamten Unternehmens verinnerlichen. Lencke Steiner war sich für nichts zu schade. Sie gab offen zu, wenn sie etwas nicht wusste, baute auf die Erfahrung der älteren Mitarbeiter. Und verschaffte sich so Respekt.

Nach der Ausbildung machte sie an der Fachhochschule Vechta ihr Diplom. Danach arbeitete sie eine Weile als Key-Account-Managerin für W-Pack. 2009 dann der Anruf. „Komm mal eben in mein Büro“, sagte ihr Vater geheimnisvoll. Steiner grübelte: „Was habe ich jetzt wieder verbockt?“ Als sie vor seinem Schreibtisch im Erdgeschoss der Firma stand, eröffnete er ihr: „Wir haben gleich einen Notar-Termin, du wirst Geschäftsführerin.“ Die damals 24-Jährige konnte es nicht fassen. „Mir ist die Kinnlade runtergefallen“, sagt sie.

Fachkompetenz als bestes Argument

Steiners Führungsstil unterscheidet sich in vielen Punkten von dem ihres Vaters. Während es dem 70-Jährigen schwer fällt, Dinge aus der Hand zu geben, setzt seine Tochter darauf, Aufgaben zu delegieren und die Mitarbeiter möglichst eigenständig arbeiten zu lassen. „Wenn man den Leuten etwas zutraut, motiviert sie das unglaublich“, sagt sie. Die Mitarbeiter sollen mitreden und mitentscheiden. Doch es gibt auch viele Eigenschaften, die Vater und Tochter einen: Sie achten darauf, dass niemand im Unternehmen Überstunden machen muss und behandeln alle gleich.

Als Frau an der Spitze eines Unternehmens für Verpackungsmaterialien musste sie sich oft gegen übergriffige Sprüche einzelner Kunden zur Wehr setzen. „Schätzchen, zieh dir mal einen kürzeren Rock an, dann kaufe ich auch bei dir.“ Wie sie darauf reagierte? „Mit Fachkompetenz“, sagt sie. „Wenn man keine Ahnung von seinem Produkt hat, dann hat man schlechte Karten.“

Bei Steiner besteht da keine Gefahr: Schon als Kind ist sie auf einem Sackkarren durch die Firma geschoben worden. Sie kennt die unterschiedlichsten Klebe- und Verpackungsstoffe, kann viele sogar dem Geruch und dem Geräusch nach unterscheiden.

„Mit der Einstellung, das haben wir immer schon so gemacht, kommt man heute nicht weiter.“
Lencke Steiner, Geschäftsführerin W-Pack 

Austausch mit anderen Gründern

Ihre Arbeitstage gleichen einander nur selten. Sie besucht Kunden in Hamburg und Berlin, hält Vorträge, leitet Verbandstreffen. Heute wird sie noch einen Vertrag prüfen, E-Mails beantworten, sich mit Mitarbeitern besprechen, eine Podiumsdiskussion vorbereiten und am späten Nachmittag zu einem Drehtermin nach Köln fahren. Die 28-Jährige sitzt in der Jury der TV-Serie „Die Höhle der Löwen“. Gründer stellen dort ihre Geschäftsideen vor, Steiner beurteilt, ob die Ideen taugen. Auch privat reist Steiner viel: An den Wochenenden pendelt sie von Bremen aus zu ihrem Verlobten nach Frankfurt, wo die beiden eine gemeinsame Wohnung haben.

Wann ihr Bruder Arend und sie die Firma vollständig übernehmen, ist noch offen. „Das ist ein fließender Übergang“, sagt sie. Wichtig sei es im Moment vor allem, das Unternehmen zukunftsfähig zu machen. Steiner möchte neue Märkte erschließen und den Betrieb breiter aufstellen. „Ich glaube, dass die Aufgabe der Nachfolge-Generation darin besteht, das Unternehmen zu hinterfragen und neue Strukturen zu schaffen.“ Mit der Einstellung „Das haben wir immer schon so gemacht“ komme man nicht weiter. Deshalb ist es Steiner wichtig, sich mit anderen Gründern und Unternehmern auszutauschen. Sowohl innerhalb als auch außerhalb der Firma setzt die „Außenministerin“ auf Kommunikation.

Fragebogen

Lencke Steiners Tipps für…

Bewerber
Ich suche Mitarbeiter, die lange bei uns in der Firma bleiben wollen. Viele Job-Wechsel schrecken mich daher ab. Auch wichtig: Offenheit, Lernfähigkeit, Eigeninitiative. Wir laden einzelne Bewerber für zwei Tage ein und prüfen, ob alle zusammenpassen. Der oder die Neue muss ins Team passen.

Junge Familienunternehmer
Die Arbeit in einem Berufsverband hilft dem Netzwerk und schult das Auftreten. Ich kann inzwischen vor 1.400 Leuten eine Rede halten. Der generationenübergreifende Austausch mit anderen Unternehmern hilft auch.

Familienunternehmen, bei denen der Generationenwechsel ansteht
Ich würde einen Plan aufstellen: Wann werden Aufgaben neu verteilt? Ich glaube, dass es einem dann leichter fällt loszulassen.


Titelfoto: © Sebastian Vollmert