11.05.2022 - Maria Zeitler -5 MinutenRichtig führen
Bei der Motivation von außen ist irgendwann Schluss: Ist eine gerechte Bezahlung erreicht, lässt sie sich durch höheres Gehalt nicht unendlich weiter steigern. Dann kommt die intrinsische Motivation ins Spiel. Aber kann man von außen etwas beeinflussen, das doch von innen kommt? Clemens Baumgartner sagt: Ja. Er ist Businesscoach und erklärt, wie man es schafft, dass Mitarbeiter:innen mit Begeisterung an der Arbeit sind.
Hoch motivierte Mitarbeiter:innen sind der Schlüssel zu einem erfolgreichen Unternehmen. Doch wodurch lässt sich das Team zu Höchstleistungen motivieren? Äußere, sogenannte extrinsische Einflussfaktoren wie Macht, Status, Geld, Belohnung oder Beförderung stoßen irgendwann an ein Limit und sind nicht in der Lage, die Motivation immer weiter zu steigern. Erst die Beweggründe, die Mitarbeiter:innen aus sich heraus entwickeln – die sogenannte intrinsische Motivation –, bewirken, dass sie begeistert sind, Freude und Sinn in der Arbeit finden und dadurch leistungsbereit werden. Dass diese Motivationsfaktoren im Arbeitenden selbst entstehen, heißt jedoch nicht, dass Unternehmen oder Führungskräfte machtlos sind – im Gegenteil: Es gibt viele Faktoren, mit denen sie die intrinsische Motivation wecken und fördern können. Und es lohnt sich, denn sie wirkt nachhaltiger als die nächste Gehaltserhöhung – und trägt zusätzlich zu hoher Loyalität zum arbeitgebenden Unternehmen und somit zum Halten der Fachkräfte bei. Gemeinsam mit Businesscoach Clemens Baumgartner, der Führungskräfte auch in Sachen Mitarbeitermotivation schult, haben wir acht Faktoren aufgelistet, die die intrinsische Motivation fördern.
1. Anerkennung und Wertschätzung zeigen
Die beiden Aspekte gehören laut dem Profi zu den wichtigsten Faktoren für die intrinsische Motivation. „Anerkennung bezieht sich auf die Leistung, Wertschätzung auf die Person. Anerkennung kann und darf kritisch sein, und dennoch darf die Wertschätzung nicht fehlen“, sagt Baumgartner. Führungskräfte könnten das zum Beispiel so formulieren: „Auch wenn du die Leistung nicht ganz so gut erfüllt hast, bin ich beeindruckt, wie ausdauernd du trotz der schwierigen Rahmenbedingungen daran gearbeitet hast. Ich bin froh, dich in meinem Team zu haben.“ Dadurch zeigt eine Führungskraft ehrliches Interesse an der Mitarbeiterin und dem Mitarbeiter als Menschen. „Regelmäßige Wertschätzung kostet für den Chef immer mal 30 Sekunden Zeit, hat aber dafür eine enorme Wirkung“, sagt Baumgartner.
2. Individuelle Werte erfragen
Wer sein Team intrinsisch motivieren will, muss wissen, was jedem und jeder Einzelnen wichtig ist: Nur dann kann er die jeweiligen Bedürfnisse verstehen. Die Führungskraft muss keine hellseherischen Fähigkeiten haben, sondern sollte einfach fragen. Clemens Baumgartner rät: „Die Schlüsselfrage zur intrinsischen Motivation ist: Was ist dir wirklich wichtig? Und die Anschlussfrage ist: Was brauchst du dazu?“ Er verweist dafür gern auf die Bedürfnispyramide nach Maslow, der zufolge der Mensch, wenn alle anderen Bedürfnisse befriedigt sind, nach Selbstverwirklichung strebt. Chefs müssten sich stärker fragen: Was kann ich tun, um sicherzustellen, dass sich eine Mitarbeiterin, ein Mitarbeiter selbst verwirklichen kann? Und das ist je nach Mensch höchst unterschiedlich: Die „Werte“ können Lernen, Reisen, flexible Arbeitszeiten und vieles mehr sein. „Wenn es gelingt, den Job so zuzuschneiden, dass er zu den Werten passt, habe ich einen hoch motivierten Mitarbeiter“, sagt Baumgartner.
3. Sinn der Arbeit und des Produkts herausstellen
Gerade der jüngeren Generation der Fachkräfte ist wichtig, dass die Arbeit sinnhaft ist. „Während die Babyboomer erst mal Status und Wohlstand erreichen mussten – also weiter unten in Maslows Pyramide anfingen –, ist die jüngere Generation in Wohlstand aufgewachsen und schaut jetzt auf Selbstverwirklichung, Sinn und Erfüllung“, sagt der Businesscoach. Die Vision und Mission, die viele Unternehmen ja bereits formuliert haben, darf aber nicht bei schönen Sätzen bleiben: Die Führungskraft muss das runterbrechen auf die Arbeitsebene. „Ihre Mitarbeiter fühlen sich umso motivierter, je besser sie verstehen, was Ihr Unternehmen in Zukunft erreichen möchte“, sagt Baumgartner.
Den Sinn der Arbeit macht er auch ganz stark am Produkt oder der Dienstleistung des Unternehmens fest: Je stärker sich die Mitarbeiter:innen damit identifizieren können, desto höher ist die Motivation. Führungskräfte sollten also konkret zeigen, wo die Leistung des Mitarbeitenden zu ihm zurückkommt. „Stelle ich ein Bauteil für ein Auto her, das ich fahre? Eine Faser in der Kleidung, die ich trage? Etc.“ Wenn der Mitarbeitende dagegen merkt, dass das Produkt die Umwelt zerstört, kann er in einen Wertekonflikt geraten, der zur Kündigung führt. Auch hier gibt es jedoch laut Baumgartner eine Lösung: „Wer glaubhaft machen kann, dass er in einem Transformationsprozess ist und die Produkte verbessern will, schwächt den Wertekonflikt ab und zeigt dem Mitarbeiter sogar, dass er an der Verbesserung der Umweltbilanz mitarbeiten kann.“
4. Angemessene Aufgaben- und Verantwortungsbereiche festlegen
Überforderung und Unterforderung schaffen Frustration: „Wenn Mitarbeiter am falschen Platz sind und nicht ihren Stärken gemäß eingesetzt sind, sind sie nicht motiviert. Wenn das, was sie können, was sie wollen und was sie tun, aber eine Schnittmenge hat, sind sie im intrinsischen ‚Flow‘“. Auch ein angemessener Bereich der Eigenverantwortung gehört für Mitarbeiter:innen, die das wünschen, unbedingt dazu, um sie zu motivieren: „Wichtig ist, loszulassen und die Entscheidung auch so stehen zu lassen. Viele Chefs mischen sich ein, machen Mikromanagement und sorgen für große Frustration.“
5. Weiterentwicklung anbieten
Nicht jeder will sich verändern. Hier gilt es, sich die bei den Mitarbeitenden erfragten Werte genau anzuschauen. Wer dort den Drang nach persönlicher Weiterentwicklung formuliert hat, dem muss auch die Möglichkeit zum Lernen gegeben werden. „Das muss nicht immer die teuerste Schulung sein: Auch Inhouse-Seminare, Webinare oder Mentoren aus dem eigenen Unternehmen können neue Kompetenzen vermitteln“, sagt Baumgartner. „Das Wichtigste ist Transparenz: Der Mitarbeiter muss zu jeder Zeit wissen, welche persönliche Entwicklung er erwarten darf und was der Chef mit ihm vorhat. Das ist wertschätzend und motiviert.“
6. Flexible Arbeitsmodelle anbieten
Wer seinen Mitarbeiter:innen Flexibilität in Zeit und Ort anbietet, hilft ihnen, ihre Werte besser in Einklang mit der Arbeit zu bringen, und fördert ihre Selbstverwirklichung. „Hybride Arbeit ist ein Grundbedürfnis der jungen Generation“, sagt Baumgartner. Die eine kann abends mountainbiken, wenn sie sich den Weg zur Arbeit spart, der andere fährt am frühen Nachmittag nach Hause, spielt mit seinen Kindern und bearbeitet zwischen 20 und 21 Uhr noch E-Mails. „Ein hybrides Modell wird für viele motivierend sein: die Vorteile des Homeoffice ausschöpfen und gleichzeitig nicht ganz auf Präsenz, Nähe und Zugehörigkeit verzichten.“
7. Teamgeist fördern
Für Spaß und Freude an der Arbeit ist ein gutes Team essenziell. „Die Führungskraft muss es so zusammenstellen, dass die Menschen gut miteinander arbeiten können.“ Baumgartner empfiehlt Teamworkshops, in denen Mitarbeitende oft herausfinden: Wir sind sehr unterschiedlich und passen eigentlich nicht so ganz zusammen, aber für das Team ist es eine Bereicherung. Menschlichkeit im Team zuzulassen und auch den Austausch über private Themen wie Urlaub, Essen oder Hobbys zu fördern, ist hilfreich: Wer die Kolleg:innen auch menschlich kennenlernt, arbeitet besser mit ihnen zusammen.
8. Werte vorleben
Chefin oder Chef müssen Vorbild sein und alles, was sie von ihrem Team fordern, selbst vorleben. Das gilt auch für die intrinsische Motivation: Wer sich nicht über seine Werte im Klaren ist und nicht so arbeitet, dass er sich selbst wertschätzt, beeinflusst die Motivation seines Personals negativ. „Führungskräfte, die dagegen selbst intrinsisch motiviert und vom Produkt oder der Dienstleistung begeistert sind, eine Vision haben, sind ansteckend. Motivation ist ansteckend“, sagt Baumgartner.