Influencer-Marketing im Mittelstand: die neuen Markenbotschafter

Influencer-Marketing ist nicht nur etwas für Großkonzerne und Start-ups. Wie auch klassische Mittelständler von der Zusammenarbeit mit Social-Media-Persönlichkeiten profitieren.


01.07.2020 - Nicole Benke -8 MinutenArbeitswelt gestalten

Influencer-Marketing ist nicht nur etwas für Großkonzerne und Start-ups. Auch klassische Mittelständler können von der Zusammenarbeit mit Social-Media-Persönlichkeiten profitieren. Olaf Zupancic, Senior Business Development Manager bei Reachbird, einer datengetriebenen Agentur für Influencer-Marketing, verrät, wie man die richtigen Influencer findet und worauf man bei Kampagnen achten sollte.

Faktor A: Was macht das Thema Influencer-Marketing so spannend? Und wie unterscheidet es sich von klassischer Werbung?

Olaf Zupancic: Influencer-Marketing ist deutlich persönlicher und zielgerichteter als klassische Werbung. Viele Influencer decken einen bestimmten Bereich ab – wie Mode, Beauty, Familie, Food oder Fitness. Ob auf Instagram, YouTube oder Pinterest: Zu eigentlich jedem Thema findet man jemanden, der sich als Online-Experte dazu positioniert hat und dem Menschen folgen, die das Thema ebenfalls interessiert. Alle Influencer eint der Einfluss auf ihre Community – man vertraut ihren Empfehlungen. Das können Unternehmen nutzen, um ihre Produkte oder Botschaften mit Emotionen aufzuladen und gezielt und relativ günstig in ganz bestimmten Zielgruppen zu platzieren.

Im Mittelstand gibt es häufig noch Vorbehalte gegenüber dem Thema. Influencer-Marketing ist nur etwas für Start-ups und Konzerne, heißt es oft. Stimmt das?

Nein. Die Zusammenarbeit mit Influencern ist inzwischen ein wichtiger Baustein im klassischen Marketing-Mix. Und damit auch für Mittelständler durchaus relevant. Viele verkennen die Chancen, die die Zusammenarbeit mit den Social-Media-Profis bietet.

Welche sind das konkret?

Olaf Zupancic
© PR - Olaf Zupancic von Reachbird meint, die Zusammenarbeit mit Influencern gehöre in den Marketing-Mix.

Influencer sind eine Art moderne Markenbotschafter. Sie können zum Beispiel als langfristiges Testimonial aufgebaut werden oder Inhalte erstellen, die ein Unternehmen dann für unterschiedliche Zwecke, wie beispielsweise Print- oder TV-Werbung, verwerten kann. Eine Influencer-Kampagne kann Aufmerksamkeit für Marken oder Produkte schaffen, zur Marktforschung genutzt werden, Verkäufe ankurbeln, der Imagebildung dienen oder auch als Tool im Employer Branding eingesetzt werden – etwa um junge Talente fürs Unternehmen zu begeistern. Auch bei der Entwicklung neuer Produkte können Influencer helfen, weil sie so nah an der Zielgruppe sind. Die Möglichkeiten sind vielfältig, sowohl im B2C- als auch im B2B-Bereich.

Wie geht man das Thema richtig an?

Um Influencer-Marketing erfolgreich umzusetzen und vor allem auch messbar zu machen, braucht es eine klare Strategie und Vorgehensweise. Zunächst müssen die relevanten Zielgruppen definiert und dann die Kommunikationsziele einer Kampagne erarbeitet werden. Auf dieser Basis werden die gewünschten Content-Arten und die richtige Art der Distribution des Contents ausgewählt. Erst danach definiert man die jeweilige Influencer Persona. Wer beispielsweise Employer Branding betreiben will, könnte ein Konzept eines exklusiven „Blicks hinter die Kulissen des Unternehmens“ erarbeiten, welcher dann durch YouTube-Videos der Influencer kommuniziert wird. Geht es Unternehmen um einen schnellen Abverkauf ihrer Produkte, macht vielleicht eine Strategie mit Rabattcodes und eine Distribution über Instagram-Stories Sinn, um potenzielle Kunden schnell zur gewünschten Kaufhandlung zu leiten.

Wie findet man die passenden Influencer?

Ganz klassisch über eine manuelle Suche, etwa über thematisch passende Hashtags auf Instagram. Daneben gibt es Analysetools, spezialisierte Agenturen oder Firmen wie Reachbird, die Agenturservices und eine Technologie kombinieren und den gesamten Prozess – von Strategie und Konzeption über die Auswahl der Influencer und das Kampagnenmanagement bis hin zum Reporting – abbilden. Generell gilt: Die Influencer und die jeweiligen Social-Media-Kanäle, auf denen sie vertreten sind, müssen zum Unternehmen, zur Marke und zum Produkt passen und die vorab definierte Zielgruppe ansprechen. Sie müssen die Zielsetzung des Unternehmens verstehen und in ihrer eigenen Art und Weise wiedergeben. Die Bildsprache muss passen, genauso die Werte, für die der jeweilige Influencer steht. Eine gute Analyse der Profile vor der Zusammenarbeit ist entscheidend, dafür sollte man sich Zeit nehmen. Sollten die internen Ressourcen und das Wissen hier fehlen, ist es hilfreich, sich externe Hilfe zu holen.

Wie wichtig ist die Anzahl der Follower?

Die Followerzahl ist nicht der alles entscheidende Faktor. Zu denken, dass nur die Zusammenarbeit mit großen, bekannten Influencern Sinn macht, ist ein Fehler, den viele Unternehmen machen. Wichtiger als die Reichweite der Follower ist die Qualität der jeweiligen Influencer und das Engagement ihrer Community: Wird viel kommentiert, gefragt, diskutiert? Je kleiner der Influencer, desto höher ist in der Regel das Engagement der Follower. Oft ist es also sinnvoller, mit mehreren kleinen, sehr interaktionsstarken Influencern zusammenzuarbeiten, als mit nur einem großen.

Engagement-Raten
© Quelle: HypeAuditor

Wie viel Zeit und Budget muss man einplanen?

Von der Entscheidung, Influencer-Marketing zu testen, bis zum ersten Post vergehen mindestens vier Wochen. Die Strategie erarbeiten, die Influencer finden, sie buchen und briefen – all das kostet Zeit. Die Laufzeit von Kampagnen orientiert sich an der jeweiligen Zielsetzung. Meist werden mehrere Aktionen, wie beispielsweise Instagram-Postings und Instagram-Stories, über einen Zeitraum von mehreren Wochen ausgespielt. Die Kosten hängen von den Reichweiten der Influencer ab. Bereits ab 10.000 Euro machen Kampagnen in der Regel Sinn, das Budget ist also durchaus überschaubar.

Wie schnell sind Effekte zu spüren?

Das hängt von der Branche, vom Produkt und von der Plattform ab. Bei klassischen Performance-Kampagnen, bei denen der Influencer zum Beispiel Links zum Onlineshop postet, sehe ich sofort, wie viele User auf meiner Seite landen. Bei Branding- und Awareness-Kampagnen dauert es länger, bis die Themen ankommen. So oder so: Ich empfehle allen Unternehmen, die es nicht ohnehin schon tun, zu prüfen, wie auch sie Influencer-Marketing gewinnbringend für sich nutzen können. Das Potenzial sollte niemand brach liegen lassen.

Aus der Praxis

„Wir sehen Influencer-Marketing als Teil der ganzheitlichen Kommunikation innerhalb des Marketing-Mix“

Bastian Koch ist Leiter Digital & digitale Innovation bei der Protina Pharmazeutische GmbH und beschäftigt sich unter anderem mit der strategischen Ausrichtung digitaler Kommunikationsinstrumente. Inzwischen arbeitet das mittelständische Pharmaunternehmen auch mit Influencern zusammen.

Faktor A: Was hat sich in Ihrem Unternehmen in den letzten Jahren im Bereich digitale Kommunikation getan?

Bastian Koch
© PR - Bastian Koch, Leiter Digital, bucht Influenzer am häufigsten für Awareness-Kampagnen.

Bastian Koch: In den vergangenen beiden Jahren lag der Fokus vor allem auf der Optimierung der bestehenden sowie dem Aufbau neuer digitaler Kommunikationskanäle. Mithilfe von digitalen Kanälen haben wir die Möglichkeit, zielgerichtete Werbebotschaften mit sehr geringem Streuverlust an unsere Zielgruppe zu adressieren. Hierbei arbeiten wir sehr stark datengetrieben. Daten sammeln, sie strukturieren, auswerten und dann nutzen – darin liegt ein unwahrscheinlich großes Potenzial für jedes Unternehmen. Digitales Marketing – und dazu gehört auch Influencer-Marketing – wird immer wichtiger. Die Daten, die generiert werden, kann ein Unternehmen nutzen, um seine Kommunikation weiter zu verfeinern und gezielter auszusteuern. Wenn ich etwa weiß, wer warum auf meiner Seite landet, welche Bedürfnisse er hat und was er sucht, ist das unglaublich wertvolles Wissen, denn ich kann direkt darauf eingehen.

Wofür nutzen Sie Influencer-Marketing konkret?

Wir sehen Influencer-Marketing als Teil der ganzheitlichen Kommunikation innerhalb des Marketing-Mix. Durch Influencer haben wir die Möglichkeit, unsere Zielgruppen auf eine andere Art und Weise als über die klassischen Kommunikationsinstrumente zu erreichen und sie so auch zu erweitern. Zudem ermöglicht uns Influencer-Marketing, direktes und ungefiltertes Feedback vom Endverbraucher zu bekommen. Vor allem haben uns Content-Kampagnen in den letzten Monaten sehr geholfen, um Bildmaterial der Influencer für unsere eigene Kommunikation zu bekommen. In den meisten Fällen jedoch buchen wir Influencer für Awareness-Kampagnen in den unterschiedlichsten Kanälen wie Facebook, Instagram und YouTube.

Was muss man beim Thema Influencer-Marketing beachten?

Die Vorabrecherche ist wahnsinnig wichtig. Zum einen muss der Influencer zum Unternehmen und der Marke passen, dieselben Werte vermitteln und natürlich ein gutes Profil haben – ohne Fake-Follower und mit einem gesunden Wachstum. Zum anderen ist für uns wichtig, dass die Community, also die Fans und Follower eines Influencers, zu unserer Zielgruppe und den Zielen der jeweiligen Marketingaktivität, wie Reichweitenaufbau oder Umsatzsteigerung, passen. Generell sollte man sich nicht nur die großen Accounts ansehen. Gerade bei Nischenthemen oder wenn ich nur in einer bestimmten Region bekannter werden möchte, sind kleinere Influencer besser. Manchmal ist auch ein Mix optimal. Wir arbeiten beispielsweise mit Accounts von 1.500 bis 120.000 Fans zusammen. Auch das Thema Beständigkeit finde ich wichtig: Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, mit einer Handvoll Influencern langfristig zusammenzuarbeiten. Die Postings sind authentischer, wenn die Influencer eine echte Bindung zur Marke aufgebaut haben.

Was sollte man bei der Zusammenarbeit mit Influencern vermeiden?

Der Schlüssel zu einem erfolgreichen Influencer-Marketing ist, den Spagat zwischen einem detaillierten Briefing und der Wahrung der Authentizität des Influencers zu schaffen. Das bedeutet, dass man als Unternehmen dem Influencer zwar einen gewissen Rahmen setzen, ihm aber dennoch einen kreativen Freiraum lassen muss. Die Community merkt sofort, wenn sich jemand verstellt oder nicht hinter dem Produkt steht. Und das wirkt sich negativ auf die Marke aus. Auch das Timing einer Kampagne ist wichtig. Einzelne Postings bringen nichts, der Influencer muss eine Story erzählen, die Marke oder ein Produkt nach und nach bei seiner Community einführen. Wenn wir mit jemandem eine Kampagne umsetzen, besteht diese immer aus mindestens vier bis fünf Postings, die sinnvoll aufeinander aufbauen.

Was sagen Sie anderen Mittelständlern, die noch zögern, ob Influencer-Marketing etwas für sie ist?

Um Nutzer auf unterschiedlichsten Kanälen anzusprechen und sie zum Handeln zu bewegen ist ein Zusammenspiel von klassischen und digitalen Marketingmaßnahmen meiner Meinung nach heute unumgänglich. Ob Influencer-Marketing das richtige Tool ist, hängt nicht von der Branche oder Größe eines Unternehmens ab, sondern von der jeweiligen Zielsetzung. Sofern Influencer-Marketing einen sinnvollen Beitrag zur Zielerreichung beitragen kann, würde ich immer wenigstens zu einem Testlauf raten – das ist bereits mit geringem Budget möglich.


Titelfoto: © iStock