09.03.2022 - Per Horstmann -5 MinutenArbeitswelt gestalten
Seit mittlerweile 70 Jahren ist die Bundesagentur für Arbeit die wichtigste Anlaufstelle in Jobfragen – sowohl für Arbeitnehmende als auch Arbeitgebende. Dabei hat sie sich ständig weiterentwickelt und ihr Angebot ausgebaut. Über die Entwicklung der Bundesagentur als Dienstleisterin für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die wichtigsten Reformen und die aktuellen Trends hat Faktor A mit dem Historiker Dieter Maier gesprochen.
2019 bewerteten laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) 90 Prozent der befragten Betriebe den Arbeitgeber-Service der Bundesagentur für Arbeit (BA) als „sehr gut“, „gut“ oder „befriedigend“. Das sind gute Zahlen – doch bis dahin war es ein weiter Weg. Wie weit dieser wirklich war, zeigt sich im Gespräch mit Dieter Maier, einem ehemaligen Dozenten der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit in Mannheim. Maier weist auf die Startschwierigkeiten hin, mit denen sich die heutige BA bei ihrer Neugründung 1952 konfrontiert sah: „Die Menschen kannten vor allem die repressive Lenkung des Arbeitsmarkts während der NS-Zeit.“ Im Nationalsozialismus war die Arbeitsverwaltung so umgestaltet worden, dass sie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beinahe beliebig zwischen einzelnen Betrieben hin und her schieben konnte. „Besonders während des Kriegs geschah das häufig, weil Rüstungsunternehmen immer mehr Arbeitskräfte benötigten. Daher wurden diese von anderen Betrieben abgezogen“, erzählt Maier. Auch die Siegermächte hatten diese Lenkungspraxis aufgrund der vielen Geflüchteten und Vertriebenen nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht 1945 zunächst weitergeführt, geändert hat sich dies erst mit der Einführung des Grundgesetzes 1949 und der Neuformulierung des Kündigungsschutzgesetzes. Ein wichtiges Element beim Aufbau der Bundesrepublik Deutschland war dann die Gründung der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (BAVAV) mit Hauptsitz in Nürnberg.
Selbstverwaltungsprinzip: eine 100-jährige Erfolgsgeschichte
Das nun maßgebliche Selbstverwaltungsprinzip der Bundesanstalt war allerdings keine Erfindung der Nachkriegszeit: Schon 1920 wurde das Reichsamt für Arbeitsvermittlung als eigenständige Behörde unter Aufsicht des Reichsarbeitsministeriums installiert. Aus diesem ging 1927 mit der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung die Vorläuferin der heutigen Bundesagentur hervor. Die Reichsanstalt war eine Körperschaft öffentlichen Rechts und verwaltete sich selbst – allerdings nur sechs Jahre lang. Denn mit der Wahl Adolf Hitlers zum Reichskanzler 1933 begann die Abschaffung des Selbstverwaltungsprinzips bis hin zur beschriebenen Lenkungspraxis.
Dies waren also die Vorzeichen, unter denen die Bundesagentur 1952 gegründet wurde. „Das Arbeitsamt, wie die BA damals hieß, genoss anfangs keinen guten Ruf – weder bei Arbeitnehmenden noch bei Arbeitgebenden“, sagt Maier. Aber das Bild habe sich schnell gewandelt, denn mit dem Wirtschaftswunder, dessen Blütezeit in den 1950er-Jahren begann, sank die Arbeitslosenquote auf ein historisches Minimum. Arbeitskräftemangel war die Folge, 1955 reagierte die Bundesrepublik mit der Anwerbung von Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern.