16.02.2022 - Maria Zeitler -6 MinutenArbeitswelt gestalten
Es sind nicht nur Biohöfe, die Diakonie und Greenpeace dabei: Immer mehr Unternehmen verpflichten sich dem Gemeinwohl und erstellen ihren ökosozialen Kontoauszug. Einerseits aus ganz persönlicher Motivation, andererseits weil es hilft, Mitarbeitende anzuwerben, zu halten und Aufträge zu bekommen.
Wer ökologische Nachhaltigkeit, Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, aber auch Transparenz und Mitentscheidung verwirklicht, kann mit seinem Unternehmen finanziell nicht erfolgreich sein? Nein, sagen bereits viele Hundert Unternehmerinnen und Unternehmer in der DACH-Region – sie alle haben eine sogenannte Gemeinwohl-Bilanz erstellt, die zeigt, wie sie mit genau diesen Aspekten umgehen. Zwei davon sind Stefan Maier und Ole Langbehn. Sie sagen einstimmig: Es lohnt sich, sozialökologisch zu wirtschaften – und es nach außen zu zeigen.
Kundengewinnung durch Nachhaltigkeit
Stefan Maier hat bereits einige eindrucksvolle Situationen erlebt. Er ist Geschäftsführer von Prior1, einem Unternehmen, das sich mit 74 Mitarbeitenden und 14,5 Millionen Euro Umsatz erfolgreich um die Gebäudeinfrastruktur von Rechenzentren kümmert. „Wir haben auch schon Aufträge aufgrund der Gemeinwohl-Bilanz bekommen. Einmal ging es um einen Rechenzentrumscontainer, ein Auftrag über 270.000 Euro. Wir waren eigentlich schon fast raus aus dem Vergabeverfahren. An eine Mail hat der Vertrieb dann noch die Gemeinwohl-Bilanz drangehängt – und eine Woche später hatten wir den Auftrag, unverhandelt“, sagt Maier. Auch Ole Langbehn erhält von Kunden, Mitarbeitern und Bewerbern positives Feedback auf die Gemeinwohl-Bilanz: Mit seinem auf die Skalierung von Digitalisierungsprojekten spezialisierten Unternehmen inoio und seinen 14 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat er sie 2021 veröffentlicht.
Die beiden Geschäftsführer und ihr Team mussten dafür zahlreiche Aspekte des Unternehmens beleuchten: ökologische Nachhaltigkeit in der Zulieferkette, sozialökologische Investitionen, innerbetriebliche Mitentscheidung der Mitarbeitenden, ethische Kundenbeziehungen, Sinn und gesellschaftliche Wirkung der Produkte. Das sind nur fünf von 20 Feldern der sogenannten Gemeinwohl-Matrix, auf deren Basis die Bilanz erstellt wird. Zugrunde liegt dieser die Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ), die der österreichische Autor Christian Felber erstmals 2010 in seinem gleichnamigen Buch beschrieben hat. Die mittlerweile internationale gesellschaftliche Bewegung, die zahlreiche namhafte Unternehmen unterstützen, will ein ethisches Wirtschaftsmodell etablieren, welches das Wohl von Mensch und Umwelt zum obersten Ziel des Wirtschaftens erklärt.